Die Lahrer Mittelständler hatten bei der Chrysanthema 2024 das japanische Beet auf dem Urteilsplatz gesponsert. Foto: Baublies

Der Chrysanthema-Rückzug wirft die Frage auf: Wie geht es nach dem Zerwürfnis zwischen den Lahrer Mittelständlern und der Stadt weiter? Aus Sicht der Stadträte ist jetzt vor allem der OB gefordert.

Seit vielen Jahren hatte sich die Arbeitsgemeinschaft Lahrer Mittelständischer Industrieunternehmen – kurz Almi – für die Chrysanthema engagiert. So finanzierten 14 Mitgliedsbetriebe bei der Blumenschau 2024 das auffällige japanischen Beet auf dem Urteilsplatz. Doch in diesem Jahr muss die Chrysanthema ohne diese Unterstützung auskommen – die Mittelstandvereinigung hat, wie berichtet, ihr Sponsoring ausgesetzt. Vor allem die Erhöhung der Gewerbesteuer haben die Unternehmer der Stadt nicht verziehen. Wie lässt sich der Riss kitten? Diese Frage hat unsere Redaktion den Gemeinderatsfraktionen gestellt.

 

Eberhard Roth (Kommunale Freie Wähler): Die Reaktion der Almi-Betriebe habe ihn „sehr überrascht“, betont Roth. Einfach deshalb, da der Rückzug von der Chrysanthema für ihn aus dem Nichts gekommen sei – zumindest habe mit ihm als dem Vorsitzenden der größten Gemeinderatsfraktion niemand von der Almi im Vorfeld darüber gesprochen. Beim Austausch unserer Redaktion mit Roth ist ihm anzumerken, dass er für den Schritt der Almi wenig Verständnis hat. Wie es weitergehen soll? Er empfiehlt, sich mit den Vertretern der Wirtschaft zusammenzusetzen, um die Argumente auszutauschen und dabei aber auch auf die Aufgaben der Stadt beim Ausbau der Infrastruktur hinzuweisen. Denn zum Disput zwischen der Lahrer Wirtschaft und der Stadt war es gekommen, als im Herbst die Gewerbesteuer angehoben wurde.

Christine Amann-Vogt (AfD): Die Fraktionsvorsitzende der AfD betreibt mit ihrem Mann ein KfZ-Fachgeschäft. Allein deshalb habe sie schon Verständnis für die Nöte der Mittelständler, sagt sie unserer Redaktion. Die Almi-Mitgliedsbetriebe hätten die Chrysanthema jahrelang gesponsert und deshalb eine bessere Behandlung verdient. Aber auch unabhängig von dieser Sache habe sich bei den Unternehmern einiges angestaut, das wisse sie aus persönlichen Gesprächen. Dabei erinnert sie an die Erhöhung der Gewerbesteuer durch den Gemeinderat im November. Amann-Vogt sagt, es sei generell ein „Systemfehler“ der Stadtverwaltung, dass zu wenig nach außen kommuniziert werde. Zur Lösung des Problems empfiehlt sie, dass nicht nur OB Markus Ibert, sondern auch die Bürgermeister Guido Schöneboom und Tilman Petters mit den Almi-Mitgliedern reden – „und zwar mit allen“, so Amann-Vogt.

„Der OB muss sich darum kümmern“

Rudolf Dörfler (CDU): Der CDU-Mann findet es „schade“, dass die Almi auf diese Weise ein Zeichen setzen und auf die Erhöhung der Gewerbesteuer reagieren will: „Ich weiß nicht, ob das zielführend ist.“ Seine Fraktion hat zwar im November gegen den Vorschlag der Verwaltung gestimmt. Dennoch betont der CDUler, dass er den Mehrheitsbeschluss des Gremiums respektiere. Das fordert er auch von den Mittelständlern. Dennoch: „Der OB muss sich nun darum kümmern und eine vernünftige Basis wieder herstellen“, stellt Dörfler fest. Er forert ihn auf, auf die Almi zuzugehen. Die Sicht der Stadt, dass die Innenstadt geschwächt wird, kann der Stadtrat nicht nachvollziehen. „Das würde ich nicht so hoch hängen. Man muss jetzt nicht den Untergang der Innenstadt konstruieren.“

Roland Hirsch (SPD): Der Fraktionsvorsitzende der SPD bedauert den Rückzug der Almi „zutiefst“. Die Chrysanthema sei die Lahrer Veranstaltung schlechthin. Die SPD hatte die von der Almi kritisierte Gewerbesteuererhöhung im November mitgetragen. Steuererhöhungen seien immer ein unangenehmes Thema, so Hirsch. Grund seien die hohen Kosten für die Daseinsvorsorge gewesen. Auf Nachfrage unserer Redaktion hatte die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass die Entscheidung der Almi in erster Linie die Innenstadt mit ihren Händlern und Gastronomen treffe. „Es wäre unredlich, die beiden Seiten gegeneinander auszuspielen“, findet Hirsch. Beide seien wichtig. Er hätte sich eine zurückhaltendere Antwort der Verwaltung gewünscht. Ob man nun noch einmal auf die Almi zugehen solle, liege am OB. Dass die Almi Markus Ibert nach eigenen Angaben schon vor einigen Wochen über ihre Entscheidung informiert, aber keine Antwort erhalten hatte, ist laut Hirsch „unglücklich“. Wenn eine solch wichtige Gruppe sich melde, müsse der OB reagieren.

Sven Täubert (Grüne): Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen hält die Entscheidung der Almi für bedauerlich. Man müsse prüfen, wie sich die fehlenden Mittel auf die Chrysanthema auswirken. Der OB und die zuständigen Mitarbeiter der Verwaltung sollten nun dringend Gespräche mit Vertretern der Almi aufnehmen, ist er überzeugt. Vor der Einführung der Gewerbesteuer habe man vor einer schwierigen Haushaltslage gestanden – und tue dies immer noch. Täubert habe schon damals von einem „schmerzhaften Beschluss“ gesprochen. Es sei aber auch wichtig, nicht nur Erhöhungen zu beschließen, sondern auch an die Ausgaben ranzugehen.

„Ich kann den Ärger der Almi verstehen“

Regina Sittler (FDP): Die FDPlerin zeigte sich beim Anruf unserer Redaktion hörbar schockiert über den Rückzug der Mittelständler. Er sei „bedauernswert, aber nachvollziehbar“. Sittlers Fraktion votierte im November gegen die Erhöhung der Gewerbesteuer. „Teuerungen sind in der aktuellen Lage kaum zu kontrollieren“, meint sie. Entsprechend könne sie verstehen, dass die Almi über die Erhöhung der Steuer verärgert ist. Sittler hofft, dass sich die entstandenen Risse wieder kitten lassen. „Wenn wir eine erfolgreiche Stadt sein wollen, ist es unverzichtbar, dass die Wirtschaft und die Stadtverwaltung Hand in Hand gehen.“ Der Spielball, findet sie, liegt bei Markus Ibert. Sittler wünscht sich, dass der OB auf die Almi zugeht, um sich dafür einzusetzen, „gemeinsam in eine positive Zukunft zu marschieren“. Negative Folgen für die Einzelhändler in der Innenstadt, wie von der Stadt befürchtet, sieht sie nicht: „Ich glaube nicht, dass es den Gewerbetreibenden schadet.“ Jedoch würde sie es bedauern, wenn auf dem Urteilsplatz ein „Besuchermagnet“ der Chrysanthema wie das japanische Beet im vergangenen Jahr in Zukunft wegfällt.

Motto „Sagenhaft“

Die 26. Chrysanthema läuft – ohne Beteiligung der Almi – in diesem Jahr vom 25. Oktober bis zum 9. November. Das Motto: „Sagenhaft“.