Die Schotten wollen eigene Wege gehen Foto: dpa

Die Schotten glauben, nach 300-jähriger Zwangsehe mit England ihrer Unabhängigkeit nah zu sein.

Edinburgh - Die Schotten und ihren großen Traum hat lange niemand ernst genommen, doch nach 300-jähriger Zwangsehe mit England glauben sie jetzt, ihrer Unabhängigkeit greifbar nah zu sein. Schon bald sollen die fünf Millionen Menschen in Europas Norden über ihre Zukunft als selbstständige Nation abstimmen.

Das britische Empire, seufzen Nostalgiker, ist vollends dem Untergang geweiht: Erst musste die einstige Weltmacht seine Kronkolonien in die Freiheit entlassen, jetzt meutern zu allem Überdruss die Zwergprovinzen des noch vereinigten Königreichs. Schottland, eine Region, die so klein ist wie Tschechien und weniger Einwohner zählt als London oder Baden-Württemberg, will seinen eigenen Weg in der Welt machen. Längst arbeiten auch Wales und Nord-Irland an ihrer "Devolution", der Wiedergeburt als eigene Nation.

"Wir waren bis 1707 ein freies Land und begreifen uns auch heute noch so", sagt Kenneth Gibson, Abgeordneter der Schottischen Nationalpartei (SNP), die seit 2007 stärkste Kraft im Regionalparlament von Edinburgh ist. "Wir fühlen uns nicht wie Hessen oder Bayern innerhalb Deutschlands, sondern wie Deutsche, die von Franzosen regiert werden." Faktisch würde sich bei einer Abspaltung zwar gar nicht so viel ändern: Wie für Australien würde Königin Elisabeth weiterhin Monarchin der Schotten sein, und Sonderregeln in der Führung ihrer Provinz hat Westminster ihnen ohnehin immer reichlich gewährt. Doch für Schottland ist die Autonomie eine Frage der Identität, die im künstlich konstruierten Zwangskorsett Großbritannien gefesselt scheint.

Bei den historischen Wurzeln fängt es an, beim heutigen Fußball hört es auf. "Wir sind mit den Kelten verwandt", erklärt Gibson, "die Engländer mit den Germanen, wir stehen dem evangelischen Glauben näher, sie dem katholischen." So etwas wirkt fort, egal wie sehr sich die Welt und Schottland globalisiert. Der Politiker mag wie viele andere auf den britischen Inseln seine fehlerhafte Stromrechnung mit einem Tausende Kilometer entfernten Call Center in Indien klären, doch mit den Engländern "südlich der Grenze" seine Probleme haben. Beim Humor wird das offensichtlich: "Unsere Witze sind erdiger, bodenständiger und auch sarkastischer", meint Gibson. Die nationale Psyche der Schotten sei zudem eher sozialdemokratisch, nicht marktliberal. Anders als die Engländer fände man Europa und den Euro toll. Und beim Fußball "sind wir immer auf der Seite, die gegen England spielt", sagt er. Man ist halt Schotte, nicht Brite.