Zeitzeuge Rolf Hinderer besuchte das Nagolder Otto-Hahn-Gymnasium und berichtete den Schülern über seine Erlebnisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Besuch von Zeitzeugen ist immer etwas sehr Besonderes, weil sie in der Lage sind, historische Vorgänge verständlich zu machen und einen authentischen Zugang zu einem geschichtlichen Moment zu schaffen, der für uns heute sonst nur bedingt nachvollziehbar wäre.
Deshalb hat man sich am Otto-Hahn-Gymnasium sehr über den Besuch von Rolf Hinderer gefreut, dessen Einblicke in die dunkle Zeit Deutschlands im Nationalsozialismus, dem Kriegsverlauf und auch in die „Stunde Null“ 1945 von großem Wert für die beteiligten Kurse von Esther Betz-Börries und Patrick Glückler gewesen ist.
Rolf Hinderer ist 96 Jahre alt, und es war ihm zu Beginn und auch am Ende seines Vortrages, ein besonderes Anliegen, die anwesenden Schüler und Schülerinnen darum zu bitten, die Parteiprogramme in Deutschland genauestens auf radikale Tendenzen zu prüfen.
Die Mutter stirbt bei Luftangriff auf Pforzheim
Das Gedächtnis der Deutschen könne doch nicht nur für zwei oder drei Generationen reichen. „Damit nicht in Vergessenheit gerät, was sich niemals wiederholen darf“, berichtete Hinderer im Folgenden über viele Erlebnisse und Erinnerungen aus der Endphase des Dritten Reiches – über die Bombennächte im Luftschutzkeller, die brennenden Synagogen oder die Aufnahmeprüfung in die „Nationalpolitische Erziehungsanstalt“, die Einberufung zum „Reichsarbeitsdienst“ und den Tod seiner Mutter durch einen Luftangriff auf Pforzheim, den Hinderer lange Zeit nur schwer verarbeiten konnte.
Als „Schlüsselerlebnis“ bezeichnete er dann das Kennenlernen einer jüdischen Familie, bei der fünf Familienmitglieder in KZs ermordet wurden und die ihm dennoch freimütig die Hand reichte – mit den Worten: „Lassen sie uns nach vorne schauen, die Vergangenheit war schrecklich genug“.
Hinderer beantwortet die Fragen der Anwesenden
Auch über die Zeit nach dem Krieg wusste Hinderer vieles zu berichten und beantwortete nach seinem Vortrag noch viele Fragen der Anwesenden, die zum Teil nicht leicht waren: „Ab welchem Punkt haben Sie angefangen zu wissen, dass der deutsche Krieg falsch war“, wollten die Schüler wissen und auch, wie er sich die Euphorie zu Kriegsbeginn erkläre, beziehungsweise wie erfolgreich die „Entnazifizierung“ in der Nachkriegszeit eigentlich gewesen sei.
Rolf Hinderer hinterließ nach 90 Minuten Vortrag und Fragerunde bei allen Beteiligten das Gefühl, einen sehr besonderen und sehr persönlichen Einblick in die Zeit vor 75 Jahren bekommen zu haben, der vieles auf den Punkt brachte und auch den Wendepunkt der deutschen Geschichte, hin zu einem „neuen, freien und demokratischen Deutschland“ nach Kriegsende nachfühlbar machte und den Anwesenden den unmissverständlichen Auftrag erteilte, dieses demokratische Deutschland unter allen Umständen zu bewahren. Die Schüler freuen sich bereits auf den nächsten Besuch von Hinderer am OHG.