Boris Palmer veröffentlicht ein neues Buch. Foto: dpa

Immer wieder provoziert Tübinger OB mit markanten Ansichten. Auch jetzt stöhnen Grüne wieder.

Stuttgart/Berlin - Boris Palmer hat ein neues Buch geschrieben - allein das ruft bei vielen seiner Grünen-Parteikollegen ein genervtes Stöhnen hervor. Eigentlich ist der 47-Jährige doch "nur" Oberbürgermeister von Tübingen. Doch mit seinen Thesen bringt er immer wieder Teile der Partei gegen sich auf - und sich selbst bundesweit ins Gespräch. Meistens ranken sich die Debatten um Palmers provokative Äußerungen auf Facebook. In seinem neuen Buch ruft er dazu auf, den politischen Diskurs im Zeitalter von Internetblasen und Fake News auf Daten und Fakten zu stützen. Er selbst sieht sich dabei als radikalen Realisten: "Es ist Zeit für eine neue Aufklärung."

Unter dem Titel "Erst die Fakten, dann die Moral - Warum Politik mit der Wirklichkeit beginnen muss" beklagt der studierte Mathematiker eine "Tatsachenkrise". Fakten stünden nicht nur Rechtspopulisten im Weg, sondern auch denen, die versuchten, einen "moralischen Filter" über die Wirklichkeit zu legen. Ein Problem sieht Palmer dann, wenn aus Moral Überheblichkeit und Arroganz werden, die eine sachliche Debatte unmöglich machen. Hier meint er linke Politiker durchaus Teile der eigenen Partei, etwa im Umgang mit Flüchtlingsthemen, aber nicht nur.

Damit knüpft er an sein Buch "Wir können nicht allen helfen" von 2017 zur Flüchtlingspolitik an. Das kurz vor der Bundestagswahl veröffentlichte Buch schaffte es auf Platz eins der Bestsellerliste - Palmers Verhältnis zur eigenen Partei wurde nicht besser.

Diesmal geht es um viele Themen: Der Bürgermeister nimmt sich Leugner des menschengemachten Klimawandels ebenso vor wie Gegner von Tierversuchen für die Hirnforschung oder aus seiner Sicht überzogene Sicherheitsvorschriften. Er wettert gegen Windkraft-Gegner und wirbt für einen "radikalen staatlichen Eingriff" in den Wohnungsmarkt, um steigende Mieten zu bekämpfen.

Mehr als ein Kapitel könnten wohl - rein inhaltlich - auch diejenigen Berliner Grünen unterschreiben, die Palmer vor nicht allzu langer Zeit aus der Partei werfen wollten. Da hatte er eine Bahn-Werbung kritisiert, weil er fand, es seien zu viele Menschen mit Migrationshintergrund abgebildet. Es folgte ein öffentlicher Rüffel der Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck - auch diese Episode rollt Palmer im Buch nochmal ausführlich aus.

Es gab Zeiten, da wurde der 47-Jährige als Hoffnungsträger gehandelt, etwa als möglicher Nachfolger von Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Heute ist die Partei weitgehend durch mit ihm. Kretschmann stellte im Sommer fest: "Da kannst du nichts werden, wenn du in der Partei, in der du bist, nicht wohlgelitten bist." Die Grünen-Bundesspitze wollte sich jedenfalls nicht zu Palmers neuem Buch äußern.