Die Abschaltung von Atomkraftwerken trifft Baden-Württemberg und Bayern besonders hart. Über Parteigrenzen hinweg schmieden die beiden Regierungschefs Kretschmann und Seehofer ein Bündnis - auch, um drohende Stromengpässe in ihren Ländern abzuwenden.
Die Abschaltung von Atomkraftwerken trifft Baden-Württemberg und Bayern besonders hart. Über Parteigrenzen hinweg schmieden die beiden Regierungschefs Kretschmann und Seehofer ein Bündnis - auch, um drohende Stromengpässe in ihren Ländern abzuwenden.
München/Stuttgart - Bayern und Baden-Württemberg machen sich gemeinsam für Korrekturen an den Eckpunkten des Bundes zur Energiewende stark. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das die beiden Landesregierungen am Dienstag in München und Stuttgart vorstellten. Beim roten Koalitionspartner in Stuttgart sorgte das Vorgehen der Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und Horst Seehofer (CSU) für Unmut, da die SPD erst im Nachhinein über das Treffen der beiden Regierungschefs vom Donnerstag und die Ergebnisse informiert wurde. SPD-Politiker kritisierten das Papier als unvollständig und mahnten ein grün-rotes Regierungskonzept an.
Dem Positionspapier zufolge wollen die beiden Länder erreichen, dass auch Windkraftanlagen an etwas ungünstigeren Standorten weiter rentabel betrieben werden können. Zudem fordern Bayern und Baden-Württemberg bessere Fördermöglichkeiten für Kraftwerke, die die Grundlastversorgung sichern sollen. Zugleich wehren sie sich gegen Einschnitte bei der Förderung von Biogas-Anlagen. Das Potenzial der Bioenergie zur Stabilisierung des Energiesystems müsse „kosteneffizient weiter erschlossen werden“, betonte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) laut Staatskanzlei. Anlass für den Vorstoß sind die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).
Versorgungslücke im Süden?
Seehofer und Kretschmann betonten, dass man den Bund bei den anstehenden Reformen unterstütze. Es sei aber legitim, dass die beiden Länder ihre gemeinsamen Interessen formulierten. Kretschmann sagte, er habe sich mit Seehofer entlang von Sachfragen verständigt. „Der Kern ist der, dass Baden-Württemberg und Bayern den höchsten Atomstromanteil haben.“ Bei der Abschaltung der Atomkraftwerke entstehe im Süden eine Versorgungslücke. „Das betrifft unsere beiden Länder“, sagte Kretschmann. „Es geht hier nicht um irgendeinen parteipolitischen Firlefanz. Es geht um die Sache.“
Kretschmann räumte ein, dass es wegen seines Treffens mit Seehofer Unmut bei der SPD gab. Er habe aber erst einmal in kleinem Kreis ungestört mit dem bayerischen Regierungschef sprechen wollen. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel meinte dazu: „Der Ministerpräsident muss uns nicht fragen, ob er mit jemand anderem sprechen kann.“ Konzepte der Landesregierung müssten aber gemeinsam beschlossen werden. Im Papier fehlten Punkte, so etwa die Themen Planungssicherheit für Investoren und Photovoltaik. Letzteres sei für Baden-Württemberg extrem wichtig. Die SPD-Landtagsfraktion formulierte ihre Forderungen am Dienstag auch in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Gabriel.
In der Südwest-SPD knirscht es
Vize-Regierungschef und SPD-Landeschef Nils Schmid erklärte, das Thema bezahlbare Energie für Mittelstand und Verbraucher müsse als Ziel der EEG-Reform deutlicher herausgearbeitet werden. Auch bei der Förderung der Binnenwindkraft gehe das Papier von Kretschmann und Seehofer nicht weit genug. Zudem forderte Schmid die Einbeziehung anderer Bundesländer. Nötig sei ein breites Bündnis für Windkraft an Land. „Es hilft nicht, wenn die Länder jetzt auseinanderlaufen.“
Die CDU sieht die SPD in einer Zerreißprobe. Kretschmann führe den kleinen Koalitionspartner und den Vize-Regierungschef vor, indem er mit der CSU in Bayern gemeinsam gegen die Pläne der SPD vorgehe, erklärten Fraktionschef Peter Hauk und Energieexperte Paul Nemeth. „So kann die Energiewende nicht gelingen.“ Dass Kretschmann den Koalitionspartner nicht eingebunden habe, lasse auf ein „gesundes Misstrauen“ zwischen Grünen und SPD schließen. Die Ergebnisse des Treffens beider Regierungschefs bezeichnete die CDU als dünn.
Kretschmann und Seehofer sprachen sich unter anderem auch für die Einrichtung einer festen Energieministerkonferenz aus, in der sich die Fachminister von Bund und Ländern regelmäßig zu Energiethemen austauschen.
An diesem Donnerstag will sich Bundeswirtschaftsminister Gabriel mit den Landesministern in Berlin treffen. Hintergrund ist, dass es auch aus anderen Bundesländern teils scharfe Kritik an der geplanten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gibt.