Ein Metzger zeigt in einem Fachgeschäft Würstchen: Viele Betriebe erwirtschaften zwar den meisten Umsatz durch den Verkauf an der Theke, setzen aber immer mehr auf Partyservice und Catering. Foto: dapd

Seit Jahren sinkt die Zahl der inhabergeführten Geschäfte – dafür wachsen die Fleischereiketten.

Stuttgart - Gerhard Holzwarth ist Metzger mit Leib und Seele. „Der Beruf ist vielseitig“, schwärmt der 59-Jährige. „Stets kann man neue Kreationen erfinden.“ Aus rund 90 Wurstsorten können die Kunden in seinem Geschäft in Leinfelden-Echterdingen wählen, 80 davon stellt der Meister selber her. Vielfalt, eigene Rezepturen und Qualität sichern ihm Stammkunden bis aus Sindelfingen, den benachbarten Schönbuchgemeinden und aus nahen Stuttgarter Vororten.

Vor 35 Jahren hat Holzwarth den elterlichen Betrieb im Ortsteil Musberg übernommen und ihn seither zu einem lokalen Markenzeichen ausgebaut, mehrfach modernisiert, Kundenwünsche aufgenommen – und immer wieder neue Sorten ausprobiert. Musberg hat 5000 Einwohner. Doch auch der rund 200 Meter entfernte Supermarkt kann ihm nichts anhaben.

In anderen Gemeinden hingegen muss man inhabergeführte Metzgereien suchen. Boten 1970 landesweit noch rund 4500 Betriebe Frischfleisch und Wurst an, so ist die Zahl seither auf 2000 gesunken, dazu kämen 600 Filialen, rechnet Ulrich Klostermann vom Landesinnungsverband für das Fleischerhandwerk in Baden-Württemberg vor. Als Grund nennt der Geschäftsführer den Strukturwandel: Dazu zählen wettbewerbsbedingte Faktoren wie die steigende Anzahl von Supermärkten mit Fleischtheken, Discounter, die Waren aus der Kühltruhe zu Dumpingpreisen anbieten. Probleme bereiten aber auch die Unternehmensnachfolge, die Zunahme bürokratischer Auflagen und nicht zuletzt die veränderten Essgewohnheiten sowie ein anderes Einkaufsverhalten: In zahlreichen Familien wird nicht mehr selber gekocht, und wenn, dann bevorzugen viele Mahlzeiten, die sie nur mal schnell aufwärmen müssen.

Spitzenplatz belegt Bayern mit 51 Verkaufsstellen auf 100.000 Einwohner

Entsprechend hat die Versorgungsdichte abgenommen. Den Spitzenplatz belegt hier Bayern mit 51 Verkaufsstellen auf 100.000 Einwohner, gefolgt von Thüringen und Sachsen-Anhalt (50 und 48). Baden-Württemberg liegt mit 39 im Mittelfeld, wohingegen die Menschen in Berlin und Hamburg lange nach einem traditionellen Metzgerei suchen müssen. Die beiden Großstädte liegen mit sechs beziehungsweise sieben Geschäfte am Ende der Skala.

Dass es auch Ausnahmen gibt, belegt folgendes Beispiel. In der rund 7000 Einwohner zählenden Schwarzwaldgemeinde Elzach gibt es vier Metzgereien, die miteinander konkurrieren. Dennoch laufen alle gut.

Dagegen kann ein Betrieb in einem 12.000 Einwohner starken Stadtbezirk durchaus mit Problemen kämpfen, Kunden zu halten. Das Geschäft steht und fällt auch mit dem Standort, je nachdem, ob dieser stark frequentiert ist oder wie hoch die Einkommen der Menschen sind, die dort leben.

„Mit einer veralteten Filiale aus den 70er Jahren kann man heute nichts mehr anfangen“

Bundesweit gibt es knapp 26.000 Metzgereien. Von 2010 bis Mitte 2011 wurden 1700 Betriebe stillgelegt, 913 Meister wagten eine Neugründung. Das erfordert aber erst einmal Startkapital. Und das kann sich – bei Übernahme eines eingeführten Betriebs – auf bis zu 200.000 Euro belaufen, weiß Klostermann. „Mit einer veralteten Filiale aus den 70er Jahren kann man heute nichts mehr anfangen.“ Die Innung empfiehlt Einsteigern deshalb, sich vorher eine klare Strategie zu überlegen.

Parallel zum Rückzug der kleineren Metzgereien stellt der Deutsche Fleischer-Verband (DFV) einen „Trend zu größeren und leistungsfähigeren Betriebseinheiten“ fest. Wachstum erfolge durch Erweiterung der Geschäftsbereiche, Spezialisierung oder Filialisierung. Dabei sind den Unternehmen keine Grenzen gesetzt: Der eine pachtet ein bereits bestehendes Geschäft, der andere übernimmt nach und nach Betriebe, deren Inhaber aufgeben oder in Ruhestand gehen, bei Großfilialisten werden Franchisesysteme bedeutender. Bei diesem Systemen nutzen die Betreiber der Filiale, das Geschäftskonzept des Unternehmens und zahlen dafür. Laut DFV haben bundesweit fünf Unternehmen mehr als 100 Filialen im Bestand, vier zwischen 50 und 100.

„Kunden nehmen regionale Besonderheiten, hohe Qualität und eigene Spezialitäten sehr wohl wahr“

Ein Beispiel für die Expansion eines Familienbetriebes im Südwesten ist das Reutlinger Unternehmen Oskar Zeeb. Die Firma beschäftigt 250 Mitarbeiter und betreibt 33 Filialen – überwiegend im Neckar-Alb-Raum. Inzwischen gibt es sie aber auch in Stuttgart und im Filderraum. Ein weiteres Beispiel ist die Dietz GmbH aus Schopfloch mit insgesamt 14 Ablegern. Die meisten befinden sich in der Region Stuttgart und sind häufig als Franchise-Unternehmen im Vorkassenbereich von großen Märkten präsent.

Dass sich Einzelgeschäfte wie das von Gerhard Holzwarth aus Leinfelden-Echterdingen gut behaupten, führt Ulrich Klostermann vom Innungsverband auf das Angebot zurück. „Kunden nehmen regionale Besonderheiten, hohe Qualität und eigene Spezialitäten sehr wohl wahr“, beobachtet er. Zudem spielten hier auch Fertigmahlzeiten oder gar komplette Menüs eine große Rolle: „Es gibt Betriebe, die erwirtschaften bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes mit Catering, Partyservice und an der Heißtheke.“

Der Erfolg fliegt Gerhard Holzwarth freilich nicht zu. Ein Zwölfstundentag ist für ihn selbstverständlich – wie auch das Catering und die Belieferung von Vereinen an Wochenenden. „Bei uns muss man den Beruf zum Hobby machen“, sagt er. Was bereitet ihm Sorgen? „Der Preisdruck bei Naturdärmen“, kommt es prompt. „Er hat sich binnen eines halben Jahres verdoppelt.“

Sonstige Ärgernisse? „Ja, Werbung für angeblich günstige Wurst. Wenn wir zwei Euro für einen Schinken verlangen, heißt es, wir seien teuer. Der Supermarkt verlange nur 1,60 Euro. Wenn man aber genau hinschaut, bekommt man dafür statt 100 Gramm nur 80.“