wei kleine Geräte, die es in sich haben: Ronald Müller (rechts) mit dem Vibrator, den er erfunden hat, und sein PR-Mann Daniel Etti mit dem Smartphone, das vieles möglich macht. Foto: StN

Ein neues Stuttgarter Spielzeug soll Fernbeziehungen retten. Junge Ingenieure haben einen Vibrator entwickelt, der sich mit einem Smartphone auch aus großer Entfernung bedienen lässt. Was passiert, wenn moderne App-Technik für das Liebesleben genutzt wird?

Stuttgart - Ronald Müller hätte Raketen bauen können. Ein mit Bravour abgeschlossenes Studium der Luft- und Raumfahrttechnik, massig Praxiserfahrung dank vier Jahren Formula Student fürs Rennteam Uni Stuttgart und beeindruckende Fähigkeiten wie Wortgewandtheit und stilsicheres Auftreten – nach solchen Typen lecken sich Unternehmen die Finger.

Sie sollten aber alle leer ausgehen.

Der 29-jährige Ingenieur hat sich nämlich dafür entschieden, mit zwei Freunden Vibratoren zu produzieren. Der Bosch-Mitarbeiter und der Theorie-Physiker wollen sich namentlich nicht zu erkennen geben, da man in der Verwandtschaft für Sexspielzeug zu konservativ tickt. Dingsbums okay, Bumsding nein.

Dabei ist der sogenannte Worldvibe anders als in Masse produzierte Artgenossen etwas Besonderes: Eine Smartphone-App ermöglicht es, den Vibrator 2.0 mit Touchscreen fernzusteuern und so Takt, Intensität und Stoßrichtung festzulegen, die Programme zu speichern und auf Wunsch sogar ins Internet zu stellen, wo sie andere Nutzer ausprobieren und bewerten können. Außerdem kombiniert der Worldvibe die Eigenschaften eines Auflege- und eines Einführvibrators.

Alles fing im März 2011 an, als das Tüftler-Trio einsehen musste, dass seine erste Entwicklung – ein Schlüsselanhänger, der das Smartphone sperrt, sobald man sich entfernt – zu keinem marktfähigen Preis produziert werden kann. „Wir sind frustriert auf dem Sofa abgehangen“, erinnert sich Müller. Und dann habe er gescherzt: „Lasst uns aus dem Ding doch einen Dildo bauen!“ Aus dem Witz wurde Ernst. Also bauten drei Kerle einen Vibrator-Prototypen. Der ziemlich gut ankam.

„Das Teil war viel zu kantig und hat an ganz falschen Stellen vibriert“

Gaby Göbl (22) hat gerade ihr Marketingstudium abgeschlossen. Sie unterstützt das Start-up der jungen Ingenieure in Kommunikationsfragen. Und war eine der ersten Produkttesterinnen. „Allein die Farbe: Blau!“, denkt die Rothaarige schmunzelnd zurück, wie weit die Vorstellungen von Männern angeblich von weiblichem Ästhetikempfinden weg sind.

Heute ist der Vibrator in Magenta. Von optischen Mängeln mal abgesehen, haben auch Technik und Design nichts getaugt: „Das Teil war viel zu kantig und hat an ganz falschen Stellen vibriert“, schüttelt es Göbl.

Also blieb Ronald Müller und Team nichts anderes übrig, als die Anmerkungen der fast 40 freiwilligen Testerinnen aus dem Bekanntenkreis pedantisch auszuwerten. „Die größte Schwierigkeit bei der Entwicklung war, die richtigen Schlüsse aus dem Feedback zu ziehen“, sagt Müller. Nicht alle Testerinnen sind so offen und direkt mit ihrer Kritik wie Gaby Göbl gewesen.

Im Mai 2013 war der Worldvibe dann so weit ausgereift, dass er Entzücken in der Damenwelt auslöste. „Die intuitive Steuerung über das Touchscreen-Display macht den Reiz aus“, beschreibt Göbl ihre spielerischen Erlebnisse mit dem Vibrator, den auch schon ihr Freund steuern durfte.

Jetzt müssen die Vibratoren an die Frau gebracht werden

Die nächste Hürde war die Massenproduktion. Wer in Stuttgart und Region das Know-how hat, hochwertige Vibratoren zu produzieren, produziert auch für die Automobilindustrie. „Vielen ist das Thema zu heikel, weil sie befürchten, dass ihnen spießige Kunden wegbrechen, wenn sie von den Vibratoren erfahren.“

Ronald Müller ist überrascht über so viel Verballhornung im nunmehr grünen Schwabenland. Schließlich fand sich doch ein Produzent in Ludwigsburg, der die Idee toll fand und mit den ersten 1000 Vibratoren in Serie ging.

Jetzt geht es dem Start-up-Unternehmen darum, die Vibratoren an die Frau zu bringen. Eine Website, die so gestaltet ist, dass man meinen könnte, dort auch Zahnbürsten oder sonstige Badezimmerprodukte zu erstehen, soll den Worldvibe von Anfang an aus der Schmuddelecke rücken. Genau wie der Preis von 100 Euro. Gerade mal zwei Unternehmen weltweit sind ebenfalls bei der Markteinführung eines ähnlichen Geräts. Eins aus den USA und eins aus Asien. Um sich gegen die Mitbewerber behaupten zu können, ist vor allem auf digitaler Ebene ständiger Innovationsgeist vonnöten. „Wir haben etliches in Planung“, so Müller. Zur Zukunftsmusik gehören die Umsetzung für die Apple-Plattformen, Sprach- und sogar Musiksteuerung der Schwingungen und Vibrationen. Bach für sanft, Techno für heftig.

Der Durchbruch könnte aber gelingen, wenn man den Worldvibe über das World Wide Web steuern und so via Webcam dem örtlich getrennten Partner dennoch ganz nahe sein kann. Bis jetzt funktioniert die Fernsteuerung noch über Bluetooth-Technologie. Die reicht nur aus, um die Entfernung zum Nebenraum zu überbrücken.

www.worldvibe.de