Am Tübinger Landgericht läuft der Prozess gegen einen Mann, der versucht haben soll seine Partnerin zu erwürgen. Foto: Sebastian Bernklau

Im Juni soll ein Mann bei Hirsau versucht haben, seine Ex-Partnerin im Auto zu erwürgen, während die beiden gemeinsamen Kinder auf der Rückbank saßen. Am dritten Verhandlungstag äußerte sich der Angeklagte über seinen Verteidiger erstmals vor Gericht zur Tat. Er bestreitet eine Tötungsabsicht.

Calw-Hirsau/Tübingen - Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, erst mit einem Kabelbinder dann mit den bloßen Händen versucht zu haben, seine Ex-Partnerin zu erwürgen. Diese sei im Beifahrerraum bewusstlos liegen geblieben. Der Angeklagte fuhr weiter. Die beiden Kinder saßen die ganze Zeit auf der Rückbank. Als die Frau wieder zu sich kam, ergriff sie die Flucht aus dem Auto.

Ende November begann der Prozess. Der Vorwurf lautet gefährliche Körperverletzung und versuchter Mord. Der Angeklagte hatte sich im bisherigen Verlauf der Verhandlung geweigert, sich zu der mutmaßlichen Tat zu äußern. Allerdings hatte sein Verteidiger Matthias Hunzinger beim letzten Termin durchblicken lassen, dass sein Mandant eine Erklärung abgeben möchte.

Unter einer Depression und starken Kopfschmerzen gelitten

Am dritten Verhandlungstag am Mittwoch war es dann soweit. Der zweite Verteidiger Dr. Markus Bessler verlas eben diese Erklärung. Darin schilderte der Angeklagte seine Version des Tags im Juni. Man habe die Pässe der beiden Kinder verlängern wollen und habe sich dafür schließlich entschieden, von Esslingen nach Bad Wildbad zu fahren. Seine Ex-Partnerin habe ihm dann eröffnet, dass sie die Kinder dorthin ummelden wolle, um in ihr dortiges Haus zu ziehen – ohne ihn.

Es sei zum Streit gekommen. Er habe unter einer Depression und starken Kopfschmerzen gelitten. Als er kurz zum Urinieren angehalten habe und ins Auto zurückgekehrt sei, habe die Ex-Partnerin herumgeschrien. Sie habe um sich geschlagen und ihn gekratzt. Aus "Reflex" habe er sie dann ins Gesicht geschlagen. Dann habe sie ziemlich stark geblutet. 

Mit der Hand am Hals "fixiert"

Er wollte sie deshalb ins Krankenhaus fahren. Währenddessen habe sie mit Spielzeug und Flaschen nach ihm geworfen. Er habe sie dann mit der Hand am Hals "fixiert" und auf die Mittelkonsole gedrückt. Als er an einer Ampel habe anhalten müssen, sei sie dann ausgestiegen und weggelaufen. Mit den Kindern im Auto sei er schließlich weiter gefahren.

Er übernehme Verantwortung dafür, sie attackiert zu haben, hieß es in der Erklärung. "Ich wollte sie aber nicht verletzen oder töten", stellte der Angeklagte über seinen Verteidiger klar. Sie sei ja die Mutter seiner Kinder. Außerdem sei er nicht geflohen, weil er dafür auch keinen Grund gehabt habe. Im Übrigen sei die Ex-Partnerin nicht bewusstlos gewesen. 

Ex-Partnerin als "impulsiv und aggressiv" beschrieben

Als Zeuge berichtete ein Polizist, der den Angeklagten am Tag der mutmaßlichen Tat abends in Esslingen vernommen hatte. Dieser habe eine ruhigen und kooperativen Eindruck auf ihn gemacht. Auch mit seinen Kindern sei er gut umgegangen. Die Ex-Partnerin habe er als "impulsiv und aggressiv" beschrieben.

Die Verteidigung hatte im Verlauf der Verhandlung in Zweifel gezogen, ob sich die Frau aus der von ihr angegebenen Position im Auto – mit dem Oberkörper im Fußraum und die Unterschenkel auf dem Beifahrersitz – selbst hätte befreien können. Die Kriminalpolizei in Calw stellte die Szene nach. Das Video davon wurde nun im Prozess gezeigt. 

Keine eindeutigen Befunde für den Einsatz eines Kabelbinders

Darin hat die Person sichtliche Schwierigkeiten sich aufzurichten und die Türe zu öffnen. Verteidiger Hunzinger bemängelte die Umsetzung. "Was die Polizei hier darstellt, entspricht nicht dem, was die Geschädigte ausgesagt hat", so der Anwalt. Das Video habe "keinen Mehrwert". Lediglich die Vermessung des Innenraums sei hilfreich. Diese zeige aber, dass die Schilderungen der Frau "unvorstellbar" seien. Zumal sie gemeint habe, der Angeklagte sei von ihrem Ausstieg überrascht worden. 

Der Rechtsmediziner Gerrit Dunke stellte anschließend sein Gutachten vor. Die Verletzungen der Frau passten zu einer "stumpfen Gewalteinwirkung" gegen Kopf, Gesicht und Hals. "Eindeutige Befunde für den Einsatz eines Kabelbinders finden sich nicht, lassen sich aber auch nicht ausschließen", so Dunke. Es gebe aber Spuren, die zum Würgen mit der Hand passten. Sowohl das Würgen als auch die Schläge gegen den Kopf hätten lebensbedrohliche Auswirkungen gehabt. Zudem habe die Frau eine Nasenfraktur erlitten.

Niemand kann sich selbst erwürgen

Die Verteidigung wollte wissen, ob die Frau sich die Verletzung durch das Würgen auch selbst hätte zugefügt haben können. Dies bejahte Dunke. Allerdings könne sich niemand selbst erwürgen. Dunke hatte auch den Angeklagten untersucht. An ihm konnte er Kratzspuren feststellen, vor allem am rechten Arm. 

Richter Armin Ernst erkundigte sich nach älteren Verletzungen, weil der Angeklagte behauptet habe, seine Ex-Partnerin habe ihn schon früher immer wieder attackiert. Der Angeklagte habe Kratzer in unterschiedlichen Abheilung, so Dunke. Der Prozess wird am 11. Januar fortgesetzt. Dann stehen weitere Zeugenaussagen und Gutachten auf der Tagesordnung.