"Die CDU arbeitet als Volkspartei an rechtsstaatlichen Lösungen für die Probleme in unserer Gesellschaft. Die AfD bietet lediglich Parolen an", sagt Kordula Kovac (links) im Gespräch mit Redakteurin Melanie Steitz. Foto: Reinhard

Bundestagsabgeordnete spricht über das Amt, Durchsetzungsvermögen und die AfD

Wolfach . Die Bundestagsabgeordnete Kordula Kovac (CDU) spricht im Interview mit dem Schwarzwälder Boten über ihre Zeit im Bundestag. Dabei erzählt sie, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Plenum begegnet ist. Merkel sei unglaublich normal und bodenständig, findet Kovac. Auf die Entwicklung der AfD blickt sie voller Sorge.

Sie haben einen Gegenstand aus der Zeit des Bundestags mitgebracht. Was ist das und was bedeutet er Ihnen?

Das ist ein Hebammen-Hörrohr aus Holz. Es kommt auf den Bauch der werdenden Mutter, um damit die Herztöne des Babys zu kontrollieren. Das Hörrohr hat die Firma Josef Anton Schnee GmbH aus Denkingen hergestellt. Das liegt im Wahlkreis von Volker Kauder (Anm. d. Red.: Fraktionsvorsitzender der Union). Das Familienunternehmen produziert in zweiter Generation. Die Produkte werden weltweit verkauft. Das Hörrohr haben sie mir als Dank für meinen Einsatz für die Hebammen geschenkt.

Wie haben Sie sich dafür eingesetzt?

Ich habe mich schon als Gemeinderätin in Wolfach darüber aufgeregt, dass, der Kreissaal im Ortenau-Klinikum aufgrund von Ärztemangel geschlossen wurde. Im vergangenen Jahr habe ich dann mitbekommen, dass über das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 55 Millionen Euro als Förderung für den ländlichen Raum zur Verfügung stehen. Ich habe zu meinen Kollegen im Landwirtschaftsministerium gesagt, dass ich Geld für die Hebammen haben will. Dann haben wir ausgearbeitet, was man da machen kann. Wir haben im März diesen Jahres den Verein "Netzwerk für Familien- und Hebammen Ortenau" gegründet. Und ich habe in der letzten Sitzungswoche des Bundestags, Ende Juli, den Bewilligungsbescheid über knapp 100 000 Euro bekommen. Damit können wir jetzt das Pilotprojekt in der Ortenau starten.

Wenn eine Geburt in Wolfach ansteht, kommt dann das Netzwerk zum Einsatz?

Nein, der Verein hat das Ziel, die derzeit gewährleistete Versorgungssituation mit Hebammenhilfe für werdende Eltern und junge Familien genau zu erfassen und die Schwachstellen zu identifizieren. Er schafft eine Anlauf- und Informationsstelle für alle Beteiligten beziehungsweise Betroffenen. Wir stellen gerade als Verein eine junge Frau ein, die die Versorgungssituation für uns aufarbeitet und schaut, was sich verändern muss. Alle, die vom Hebammen-Mangel betroffen sind, werden mit ihr Gespräche führen. Es ist eine Aufarbeitung am praktischen Beispiel Ortenaukreis. Das wird sehr spannend.

Auf welche weiteren Projekte sind Sie stolz, wenn Sie zurückblicken?

Ich bin nicht in dem Sinne stolz auf das Erreichte. Ich halte es für meine Aufgabe, mich als Abgeordnete um die Wünsche und Belange der Bürger zu kümmern. Es gibt ein paar Anliegen, die ich in die Wege leiten konnte. Ich will etwas Praktisches für die Menschen im Kinzigtal tun. Die ganz großen Räder können auch wir als Abgeordnete nicht drehen. Worüber ich aber vor allem froh bin, ist, dass wir einiges für die Landwirte erreichen konnten. Die schnelle Reaktion zur Bekämpfung der Kirschessigfliege ist hier nur ein Beispiel.

Was haben Sie diesbezüglich bewirkt?

Bei dem Namen "Kirschessigfliege" haben am Anfang alle, die sich nicht im Obstbau auskennen ganz unglaublich gelacht. Die Kirschessigfliege als invasive Art ist eine der größten Bedrohungen für die Obstbauern und Winzer in den vergangenen Jahrzehnten. Und 2014, als ich gerade jung im Bundestag war, ist mir dieses Tier bei meiner Sommertour überall über den Weg gelaufen. Ich habe dann in Berlin angerufen und gesagt: "So geht das nicht, da muss jetzt was passieren." Das Ministerium hat unmittelbar reagiert. Wir haben das aufgearbeitet und aufgrund meiner Beharrlichkeit wurden dann nicht nur runde Tische in Berlin initiiert, sondern auch 400 000 Euro für die Erforschung der Kirschessigfliege zur Verfügung gestellt.

Sie haben angedeutet, dass Sie die "richtige Politik" den Großen überlassen. War es für Sie als "kleine Abgeordnete" denn schwierig, in der Koalition Ihre Interessen zu verfolgen?

Wenn man da realistisch herangeht – ich mache seit 46 Jahren Politik in der CDU – dann schon. Natürlich war es zum Ende der Großen Koalition, gerade im Landwirtschaftsbereich, nicht mehr leicht, Sachen durchzusetzen. Das ist so. Man muss schauen, wie man Kollegen überzeugen kann, mitzumachen. Ich denke, wir haben schon einiges bewegen können. Dass das in einer großen Koalition nicht immer ganz so einfach ist, ist auch klar.

Welcher Partner war schlimmer: CSU oder SPD?

Mit der CDU und CSU ist es halt so, wie es zwischen Geschwistern ist. Der bayrische Löwe brüllt halt manchmal gern. Ich denke aber, das ist kein Problem. Mit der SPD hat die Zusammenarbeit im Großen und Ganzen auch gut funktioniert. In einer Regierungskoalition muss man seine Projekte durchbringen und das haben wir in großen Teilen auch geschafft.

Welchem hochrangigen Politiker sind Sie begegnet? Wo gab es da das ein oder andere "Wow"-Erlebnis?

Da ist zum einen meine Freundschaft zu Rita Süßmuth (Anm. d. Red.: ehemalige Bundestagspräsidentin). Wir kennen uns viele Jahre, sie ist für mich eine wichtige und vertrauensvolle Ansprechpartnerin. Und ich bin auch wirklich stolz darauf, dass wir Wolfgang Schäuble (Anm. d. Red.: Bundesfinanzminister) haben. Ich kenne ihn seit fast 40 Jahren und bin ihm im Bundestag auch immer wieder begegnet. Das ist für mich ein toller Mensch – der fairste Kollege, den ich habe. Ich bewundere ihn, weil er nach 45 Jahren als Abgeordneter in Offenburg immer noch diese unglaubliche Nähe zu den Menschen hat und nicht abgehoben ist.

Sie sind auch der Bundeskanzlerin Angela Merkel begegnet: Was war das für ein Moment?

Meine erste Begegnung mit ihr als Abgeordnete war im Plenum des Bundestags nach einer Abstimmung. Da hat Thomas Strobl – damals war er noch Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg – mich ihr vorgestellt. Dann hat sie mich gefragt, was ich vorher gemacht habe. Nach kurzer Zeit unterbrach mich die Kanzlerin, schaute Herrn Strobl an und sagte: "Die spricht aber nicht so wie der Volker Kauder." Es ist unglaublich toll, wie normal und bodenständig sie ist. Wenn Frau Merkel zu Herrn Schäuble gegangen ist und die beiden ihre Köpfe zusammengesteckt haben – dann ist es mir immer – sag ich Ihnen ganz ehrlich – um Deutschland wohl gewesen. Da war einfach das Gefühl von Sicherheit.

Welche Themen würden Sie sich denn auf die Fahne schreiben, wenn Sie erneut über die Zweitstimme in den Bundestag einziehen?

Ich möchte das, was ich angefangen habe, fortführen: mein Engagement für die Leute vor Ort und den ländlichen Raum: Hebammen, regionale landwirtschaftliche Produktion und Breitband. Wichtig ist, dass Chancengleichheit für die Menschen in den Städten und auf dem Land umgesetzt wird. Da lasse ich auch nicht locker.

Selbst, wenn Sie aus dem Bundestag ausscheiden würden?

Auch dann nicht. Politik bedeutet das Bohren dicker Bretter – egal auf welcher Ebene. Das Projekt mit dem Hebammen-Verein läuft ja eh über die nächsten zwei Jahre. Deutschland schaut da auf uns. Und ich möchte mich weiterhin für die Menschen und deren Anliegen einsetzen. Ich habe während der vier Jahre im Bundestag alle vier Wochen meine Bürgersprechstunde gemacht. Die war immer proppenvoll.

Apropos Aufgaben: Was kann die CDU besser als die AfD?

Die CDU arbeitet als Volkspartei an rechtsstaatlichen Lösungen für die Probleme in unserer Gesellschaft. Die AfD bietet lediglich Parolen an. Es ist immer angenehmer, der vermeintlich einfachen Lösung nachzulaufen. Nur oftmals gibt es gute Gründe, den Weg der einfachen Lösung nicht zu gehen. Viele Menschen haben allerdings das Gefühl, dass sie und ihre Alltagssorgen vom System nicht mehr ernst beziehungsweise wahrgenommen werden. Das ist ein Problem, das wir alle uns als bisher im Bundestag vertretene Parteien zuzuschreiben haben. Plakativ Menschen abzustempeln, nur weil sie eine andere Meinung vertreten, halte ich allerdings grundsätzlich für falsch. Dass aber die Debattenkultur verroht und Menschen zunehmend den Austausch mit Argumenten verweigern, macht mir Sorgen. Die AfD jedoch scheint an diesem Prozess mitzuwirken statt sich ihm entgegenzustellen.

Nun sind ja nicht nur Wähler von der Union abgewandert, sondern auch Politiker. Wie versuchen Sie dem vorzubeugen, dass Kollegen nicht die Partei wechseln?

Ich kenne nur eine Kollegin, die zur AfD gegangen ist. Das ist sehr bedauerlich. Jeder Abgeordnete ist aber grundsätzlich nur sich selbst und seinem Gewissen verantwortlich. Einen Wechsel kann man nicht verhindern oder aber erzwingen. Für mich persönlich, ist der Schritt von der CDU zur AfD ein Bruch mit den christdemokratischen Grundsätzen meiner Partei. Eine Partei, die Vorurteile bedient, Unfrieden in der Gesellschaft schürt und zudem fremden- und europafeindlich auftritt, kann ich persönlich nichts abgewinnen.

Sie sagten bereits, dass ein großer Moment für Sie war, als Merkel und Schäuble ihre Köpfe zusammensteckten und Sicherheit suggerierten. Haben Sie auch ein bisschen Angst, was nach der Bundestagswahl sein wird?

Angst habe ich keine, aber Sorgen mache ich mir schon. Vor allem international scheint die Welt weniger berechenbar zu sein. Der Wahlerfolg von Donald Trump sollte für uns alle ein Weckruf sein. Man wählt mit seiner Stimme nicht nur ein Programm, sondern auch Menschen und deren Umgangsformen. Die Bürger haben es am 24. September in der Hand, was mit Deutschland passiert. Es zählt, dass sie von ihrem Recht der Wahl auch Gebrauch machen.

 > Die Fragen stellte Melanie Steitz.

INFO

Zur Person

Kordula Kovac (59) ist gebürtige Wolfacherin. Sie zog bei der Wahl 2013 über die Zweitstimme in den Bundestag ein. Diesmal kandidiert Kovac auf dem zehnten Platz der Landesliste der CDU Baden-Württemberg.