Michaela Neuberger alias "Zetzel" sprach Christian Oberfell, dem Vorsitzendem von "Kultur im Schloss", Mut zu für seinen Heimweg in die Weihermatte zu, wo es (angeblich) geistert. Foto: Jehle

"Zetzel" zieht in ihren Bann. Zeit vergeht wie im Flug. Einige Gäste müssen mit Stehplatz vorlieb nehmen.

Wolfach - Das neue Jahr steckt noch in den Kinderschuhen und der Verein Kultur im Schloss hat bereits einen großen Wurf gelandet. Michaela Neuberger war mit ihrer Lesung zu Gast.

Obwohl die Besucher am Freitag auf jeder nur denkbaren Sitzgelegenheit in der Flößerstube Platz nahmen, mussten einige Gäste mit einem Stehplatz vorlieb nehmen.

Mit großer Gestik und prägnanter Stimme ließ die Oberhamersbacherin als Bäuerin Zetzel – mundartlicher Kosename für Cäcilie – Hexen und "Schräckli", die Geister der Toten und Sagengestalten vom Harmersbach-, Wolf- und Kinzigtal wieder auferstehen. Dramaturgisch geschickt bereitete sie die Zuhörer mit aufgeklärten Worten auf waschechte Gruselgeschichten vor: "Glaube und Arbeit bestimmten das Leben früher ohne Elektrizität." Die Menschen verließen nicht ohne den Rosenkranz und dem Gebrauch des Weihwasserkessels neben der Haustür ihr Heim. In den sogenannten Lichtstuben wurde viel gesungen, musiziert und Geschichten "verzällt" (erzählt).

Diese Narrationen vermittelten das damalige Wertebild, in dem Bösewichte nicht ungestraft davonkamen.Wenn ihre Freveltaten nicht während ihres Lebens geahndet wurden, dann fanden sie nach ihrem Tod keine Ruhe im Grab. So musste ein gottloser Schapbacher, der ein Vermögen mit gestohlenem Holz der Flößer machte, bei "Nacht und Nebel als Wiedergänger" rumgeistern, bis ein Holzkreuz errichtet wurde.

"So ganz geheuer ist es da aber heute noch nicht", schob "Zetzel" nach. Bedenklich fand die Erzählerin, dass das Wolfacher Museum die Fenster-Gitter der Villa in Oberwolfach – heute Mathematisches Forschungsinstitut – weiter verwendet hat. Dort sei ein Geist umgegangen, den sowohl ein Professor als auch bodenständiger Metzger gehört haben.

Im Hause des Wolfacher Chronisten Franz Disch sei es ebenfalls nicht mit rechten Dingen zugegangen, als er sich im Zuge seiner Arbeit mit Verbrechern und Missetätern beschäftigte. Dem Vorsitzenden des Vereins, Christian Oberfell sprach "Zetzel" Mut zu, wenn er sich auf den Heimweg in die Weihermatte mache. Schon seit 1503 gehe dort ein verurteilter Mörder, bewaffnet mit Säbeln, um. Er habe sich damals seiner Strafe entzogen und muss seither geistern.

Oft blitzte der Erzählerin auch der Schalk in den Augen wie beispielsweise beim Seitenhieb auf die "Evangelischen". Da seien ja nicht viele hier, denn die haben keine Todsünden und glauben daher auch nicht an Geister. Vermutlich wagten diejenigen, die da waren, sich nicht zu mucksen. Mittlerweile hatte "Zetzel" ihr Publikum voll in ihren Bann gezogen – oder etwa verhext? Die rund 90 Minuten, in denen sie alte Mythen und Sagen erzählte, vergingen jedenfalls wie im Flug.

Gern wurde der Wunsch der Zuhörer nach einer Zugabe, in der Neuberger Verhaltensregeln während der zwölf Raunächte erläuterte, erfüllt. Anfang Juli wird sie wieder im Rahmen der neuen Veranstaltungsreihe von "Kultur im Schloss" (siehe Info) in Wolfach gastieren – dann in ganz anderem Kontext beim Picknick in den Kinziganlagen.

Info: Neue Reihe

Der Verein "Kultur im Schloss" startet im zehnten Jahr seines Bestehens die Veranstaltungsreihe "Mittwochs im Museum". Jeweils am ersten Mittwoch im Monat wird zu Vorträgen, Lesungen und Konzerten eingeladen.