Der Baggerfahrer (Zweiter von links) und sein Kollege berichten den beiden Mitarbeitern des Kampfmittelbeseitigungsdiensts Baden-Württemberg am Mittwochmorgen, wie sie am Vortag die Sprenggranate bei ihren Arbeiten an der Kinzigbaustelle entdeckt haben. Foto: Möller

Munitionsfund an der Kinzigbaustelle in Wolfach ruft Kampfmittel- beseitigungsdienst auf den Plan.

Wolfach - Morgens kurz vor zehn Uhr im Kinzigtal: Bombe, Schaufel und Landeswappen prangen im Emblem des Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD), der mit seinem Kleinbus vor dem Polizeirevier Haslach parkt. Die "Feuerwerker", wie sich die beiden Mitarbeiter der Stuttgarter Behörde selbst nennen, holen sich von den Beamten vor Ort die Infos zum Munitionsfund, auf den Arbeiter am Dienstagnachmittag um 16 Uhr an der Kinzigbaustelle in Wolfach gestoßen sind. Dann geht’s an den Fundort.

"Die Granate klaut niemand", sagt Bernd Gekeler vom KMBD, als er die für die mit umgestülpter Baggerschaufel und Steinen ummauerte Fundstelle sieht. Nachdem die Polizei am Dienstagnachmittag an den Bereitschaftskollegen ein Foto des Munitionsfunds gesendet hatte, war klar: Diese Granate wird nicht mehr explodieren. Dennoch baten die Behörden den Schwarzwälder Boten, mit der Veröffentlichung zu warten. Unsere Zeitung hatte bereits von dem Fund erfahren und entsprach dem Wunsch aus Sicherheitsüberlegungen. Bei der Abholung des Geschosses durch den KMBD waren wir jedoch dabei.

Bis der Baggerlöffel weg ist, gilt es, Distanz zu halten. Kaum ist dieser weggehoben, beugt sich "Feuerwerker" Gekeler über das Geschoss und hebt es auf. Mit seinem Kollegen Gerhard Dreher, der mit Schaufel und Eimer ausgestattet ist, begutachtet der Experte den Fund: eine 7,5-Zentimeter Sprengbombe. Mit einem Spachtel zeigt Gekeler, wo sich in dem verrosteten Geschoss einst Ladung und Zünder befanden.

Experte vermutet noch mehr Munition

"Die ist beim Baggern raus gefallen", berichtet Baggerfahrer Freddy Mayer. Gekeler verspricht, dem Fahrer später eine Einweisung zu geben. Eine Auffrischung schadet auf dem Gebiet nicht. Denn Munitionsfunde auf der Baustelle sind keine Seltenheit. Das wissen vor allem die aktuell 32 Mitarbeiter des KMBD Baden-Württemberg und Gekeler mit seinen 23 Jahren Berufserfahren. Er und sein Kollege haben in der Früh schon in Kehl eine Handgranate in ihre gepanzerten Transportbox verstaut. Und an die Möglichkeit eines solchen Funds kann sich auch Baggerfahrer Mayer erinnern: Auf einer Baustelle in Sindelfingen war er einmal auf eine kühlschrankgroße, 1,93 Tonnen-Bombe gestoßen. Auf dem Baugebiet war allerdings aufgrund bekannter Bombardierungen der KMBD immer mit vor Ort.

"Die hätte nicht mehr losgehen können", meint Gekeler zum Wolfacher Munitionsfund. An der Granate in seiner Hand ist kein Zünder mehr. Der Experte weist auf den sogenannten "Führungsring" am unteren Ende des Geschosses. Wenn der schon mal "durchs Rohr" gegangen wäre, dann würde dieser Streifen aufweisen. Tut er aber nicht. Auch auf sein leichte Schütteln rieselt nur undefinierbare Kleinteilchen aus dessen Innern. Munition scheint kaum noch in der Hülse zu schlummern. Trotzdem wird der Fund in der sicheren Box im Kleinwagen des KMBDs nach Stuttgart transportiert und dort einem Kollegen zur Einlagerung in einem Bunker übergeben, bis das Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg in einem Spezialofen vernichtet wird. Sprengköpfe werden abgesägt und gesondert in einem gepanzerten Ofen zerstört.

"Großstädte wurden zehn, 15, 20 Mal bombardiert", leitet Gekeler die Einführung in die Munitionsfunde für Baggerfahrer Freddy Mayer ein. Erfahrungsgemäß seien zehn bis 15 Prozent der abgeworfenen Bomben Blindgänger, also nicht explodiert. "Wir wissen nicht, aus welchen Gründen die nicht detoniert sind", meint Gekeler und warnt: "Die Zünder sind scharf."

Dann zeigt er dem Baggerfahrer anhand von Bildern, auf was zu achten ist, bis zu welchen Tiefen manche Kampfmittel gefunden werden können, warnt, in welchen Radius welche Granate detonieren kann und welche Merkmale auf den Ursprung des Geschosses hinweisen. Im Zweifelsfall rät Gekeler: "Lasset’s liegen, wir kommen." Der Baggerfahrer indes hofft, nichts mehr zu finden. Wie viel Munition aus dem Zweiten Weltkrieg unentdeckt in der Erde liegt, kann selbst der Experte nicht schätzen.