Wolfach - Für schuldig in 19 Fällen hat Richterin Ina Roser am Freitagnachmittag einen jungen Mann befunden. Er habe sowohl Marihuana als auch Kokain erworben. Allerdings wurde beim 20-Jährigen noch das Jugendstrafrecht angewandt. Das Urteil fiel insofern etwas milder aus.

Fünf Zeugen waren geladen und vier Stunden dauerte der Prozess. Heraus kamen: ein Freizeitarrest für zwei Wochenenden, eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (in Raten á 100 Euro möglich) an die Drogenhilfe Lahr, fünf Beratungsgespräche bei der Drogenberatung sowie einen schriftlichen Nachweis über die Ausbildungsbewerbung bei einem Metallverarbeitungsunternehmen in der Region.

Letztere war eine besondere pädagogische Motivation, die sich Roser ausgedacht hatte. Sie wolle den jungen Mann animieren, seinen Wunsch auch in die Tat umzusetzen. "Sie neigen dazu, wegzurennen. Sie sind nicht mehr 14 oder 16 Jahre alt. Der jugendliche Leichtsinn, der Sie bisher geleitet hat, muss ein Ende haben", begründete sie.

Seit seiner frühen Jugend konsumiert der Kinzigtäler schon Drogen. Der Angeklagte war am 30. Dezember 2016 bei einem Dealer aufgetaucht und hatte sich dort 4,7 Gramm Marihuana und drei Gramm Kokain abgeholt. Was er nicht wusste war, dass genau dieser Mittelsmann vom Polizeirevier Haslach bereits seit Herbst 2016 observiert wurde und an diesem Tag mit einer Wohnungsdurchsuchung die Ermittlungen ein Ende haben sollten.

Ein ermittelnder Polizeikommissar erkannte das Gesicht des 20-Jährigen am 30. Dezember, als dieser die Wohnung verließ und setzte eine Streife auf ihn an, die ihn dann in unmittelbarer Nähe des Reviers im Auto seiner Freundin anhielt und festnehmen wollte. Da der Angeklagte flüchtete, konnte er erst wenig später von der Polizei gestellt werden. Der aufgeflogene Dealer gab zudem bei zwei Verhören unmittelbar nach dem Vorfall am 30. Dezember 2016 sowie am 2. Januar 2017 an, dass der Angeklagte einer seiner 15 regelmäßigen Kunden gewesen war.

Diesem Hauptzeugen schenkten sowohl die Richterin als auch Staatsanwältin Glauben. Die Ansicht der Verteidigerin, dass der ehemalige Drogendealer unglaubwürdig wäre, da er im Gerichtssaal sich an viele belastende Details nicht mehr erinnern konnte und in den Verhörsituationen beim Polizeirevier Haslach unter Druck gesetzt worden sei, teilte Roser nicht. In ihrer Urteilsbegründung gab sie an, dass die Erinnerung des Zeugens am selben Tag noch "gut vorhanden gewesen" sei.

Auch die Flucht des Angeklagten floss in das Urteil mit ein. Wenn der junge Mann – wie dieser und dessen Verteidigerin behaupteten – nur einen großen Kaugummi im Mund gehabt hätte, hätte er diesen einfach herausnehmen können, sonst mache seine anschließende Flucht überhaupt keinen Sinn, so Roser.

Vielmehr glaubte die Richterin den Aussagen des Dealers sowie eines ermittelnden Polizeihauptmeisters. Letzterer gab an, der Angeklagte habe einen kleinen, gelblichen Plastikbeutel mit weißem Pulver im Mund gehabt, den er kurz vor seiner Flucht auch aus dem Mund genommen habe, als er mit seiner Freundin kontrolliert wurde. "Wenn jemand nicht so frei spricht, merkt man das ja", sagte der Polizist aus. Der Angeklagte sei dann plötzlich davon gelaufen, schneller gewesen und mit dem Tütchen, das er zuvor heraus genommen habe, entwischt. Hinterher habe er einem Kollege gesagt, dass er den Inhalt in den Bach geschmissen habe.

Dies wollte der Angeklagte – auch wenn die Tatsachen gegen ihn sprachen – nicht eingestehen. Überhaupt war er zu Anfang ziemlich wortkarg, auch in seinem Teilgeständnis am Schluss. Er bestritt, das Kokain beim Dealer gekauft zu haben. Eigentlich hätte er am liebsten gar keine Strafe bekommen und mutmaßte über sein vorläufiges Ende der Drogensucht: "Wenn ich am Wochenende in den Arrest und 1000 Euro bezahlen muss, dann kriege ich keinen Schlusspunkt."

Das sah Roser anders. Aufgrund seiner noch nicht gereiften Haltung wendete sie das Jugendstrafrecht an und betonte zugleich, dass der Angeklagte überhaupt nicht einsichtig sei. "Da muss ein Problembewusstsein einsetzen."

Info: Die Plädoyers

> Die Verteidigerin: plädierte für zehn Stunden Arbeitsleistung am Wochenende, eine erneute Drogenberatung und eine Geldstrafe von maximal 300 Euro. Sie fand nur als erwiesen, dass der Angeklagte am 30. Dezember Marihuana erworben hatte. Der Kokainerwerb könne nicht nachgewiesen werden.

> Die Staatsanwältin: fand 1000 Euro gerechtfertigt. Der Angeklagte sei in 19 Fällen über ein Dreivierteljahr 2016 schuldig, den Zeugenaussagen bezüglich des Kokains Glauben zu schenken. Hinzu kommen sollten noch zwei Wochenenden Freizeitarrest.

 > Das sichergestellte Betäubungsmittel sei einzuziehen und die Kosten für das Verfahren trage die Staatskasse.