Um schnell ausreichenden bezahlbaren Wohnraum im Land zu schaffen, wurde vom Land die Wohnraum-Allianz ins Leben gerufen. Doch die Experten werden offenbar von der Politik ausgebremst. Foto: Mierendorf

Um ausreichenden bezahlbaren Wohnraum im Land zu schaffen, müsste die Landesbauordnung geändert werden, so eine Empfehlung. Doch es gibt Widerstand.

Stuttgart - Es klingt wie ein Déjà-vu. Vor zwei Jahren stieg Haus & Grund Stuttgart aus Verärgerung über die Wohnungspolitik von Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn beim Bündnis für Wohnen aus. Jetzt zeigt Haus & Grund Württemberg dem Land bei der Wohnraum-Allianz für Baden-Württemberg die Gelbe Karte. Doch der Reihe nach.

Zusammen mit der Wohnungswirtschaft, den kommunalen Spitzenverbänden, den Landtagsfraktionen, Banken sowie Natur- und Umweltschutzverbänden hatte das Land kurz nach dem Antritt von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut die Wohnraum-Allianz für Baden-Württemberg mit dem Ziel gegründet, alle Akteure des Wohnungsmarktes an einen Tisch zu bekommen, um schnell ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können.

Empfehlungen konnten nicht verabschiedet werden

„Es lief erstaunlich gut“, beschreibt Ottmar H. Wernicke, Geschäftsführer des Landesverbandes Württemberg von Haus & Grund, die Arbeit in den vier Arbeitsgruppen. Ärger gab es erst, als die mehrheitlich befürworteten Empfehlungen der rund 50 Experten verabschiedet werden sollten. Umweltministerium und Naturschützer sollen sich massiv gegen die Empfehlungen zum Bauordnungsrecht gewehrt haben, so dass die Empfehlungen nicht verabschiedet werden konnten, erinnert sich Ottmar H. Wernicke an das erste Plenum im Dezember.

Im Kern geht es dabei vor allem um die vor vier Jahren von der damaligen grün-roten Landesregierung auf den Weg gebrachte Novellierung der Landesbauordnung. Die Wohnungswirtschaft drängt seit Jahren darauf, das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht im Land wieder zu entschärfen, damit vor allem preisgünstiges Wohnen möglich wird. Insgesamt 13 Punkte umfassen allein die Empfehlungen der Experten zum Bauordnungsrecht. So hatte sich die Runde unter anderem dafür ausgesprochen, die Pflicht zur Begrünung von Dächern und Fassaden sowie die Fahrradstellplatzpflicht wieder aus dem Bauordnungsrecht zu streichen. Zumindest sollte der geltende Standard – ebenerdig, wettergeschützt und diebstahlgeschützt – wieder abgesenkt werden. Die Experten empfahlen darüber hinaus, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz dahingehend abzuändern, dass Bio-Gas gegenüber Öl nicht mehr benachteiligt wird und dass die Anforderungen bei Ersatzmaßnahmen beim baulichen Wärmeschutz beibehalten werden.

Einer so weit gehenden Änderung der Landesbauordnung wollen derzeit aber weder Umweltministerium noch Naturschützer folgen. Haus-&-Grund-Geschäftsführer Ottmar H. Wernicke hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben, dass es letztendlich doch noch zu einer Übereinkunft kommt. Dies könnte in Form einer Art Reglement geschehen, bei dem die Mitglieder der Wohnraum-Allianz unabhängig von ihrer Zugehörigkeit autark entscheiden könnten. So ließen sich die Empfehlungen ohne politische Bewertung beschließen.

Mit Spannung blickt Ottmar H. Wernicke deshalb auch auf den 8. Mai. Da tagt das Plenum zur Wohnraum-Allianz das nächste Mal.

Viel Hoffnung auf Wohnraum-Allianz

„Wir verbinden mit der WohnraumAllianz viel Hoffnung und erwarten auch einen Paradigmenwechsel“, betont Michael Hennrich. Der Bundestagsabgeordnete ist Vorsitzender des Landesverbandes Württemberg von Haus & Grund. Trotz allem Optimismus ist er aber skeptisch, ob die Wirtschaftsministerin mit ihren Argumenten den Umweltminister wird überzeugen können, die hart erkämpften „Errungenschaften“ der novellierten Landesbauordnung zugunsten von mehr Wohnungen aufzuweichen.

Für Ottmar H. Wernicke befindet sich die Wohnraum-Allianz Baden-Württemberg deshalb auch am Scheideweg. „Kommt es zu keiner Einigung, werden wir vermutlich nicht mehr weitermachen“, zückt er schon mal die Gelbe Karte. Für die WohnraumAllianz wäre der Flurschaden erheblich. Mit über 100.000 Mitgliedern in Württemberg und weiteren 70.000 Mitgliedern des badischen Verbandes stellt Haus & Grund rund ein Fünftel aller Wohnungen im Land. Und weitere Mitglieder könnten folgen, wenn sich herausstellen sollte, dass die Wohnraum-Allianz eine reine Alibiveranstaltung ist. Dass es auch anders geht, zeigt die Einigung beim Thema Plausibilitätsprüfung. Danach können Gemeinden künftig Flä- chen, die im Flächennutzungsplan bereits ausgewiesen, aber nicht geeignet sind, bei akutem Wohnbauflächenmangel ohne umfassende Erhebungen und Nachweise gegen geeignete Flächen tauschen. Erfolgreich war die Allianz auch bei der Empfehlung für die Schaffung eines einheitlichen Förderprogramms. Das neue Förderprogramm „Wohnungsbau BW 2017“ wird insgesamt ein Volumen von 250 Millionen Euro haben – und damit deutlich mehr als bisher. Darunter fallen auch gut 180 Millionen Euro für die Mietraumförderung und gut 62 Millionen Euro für die Förderung selbst genutzten Wohnraums.

„Es gibt noch viel zu tun, bis die ersten Bewohner in die Wohnungen einziehen können, über die wir heute diskutieren“, sagt Ottmar H. Wernicke. Und da ist auch noch die „Dauerbaustelle“ Grunderwerbsteuer. „Wenn es nach uns geht, müsste sie deutlich reduziert werden.“ Zumindest in dieser Legislaturperiode scheint eine Erhö- hung vom Tisch, gibt sich Michael Hennrich optimistisch.