Er thront hoch über Villingen und gehörte seinerzeit zum Neuesten in Sachen Fertigbauweise. Einige wenige Bewohner des „Rundlings“ – so auch Heinz und Annemarie Kamp – leben hier bereits seit 50 Jahren.
Im Januar 1975 zog das Ehepaar mit drei kleinen Kindern von Karlsruhe nach Villingen. Heinz Kamp hatte einige Monate zuvor die Leitung der Stadtkasse übernommen.
Viele Wohnungsangebote lagen dem späteren persönlichen Referenten von Oberbürgermeister Gerhard Gebauer vor, doch zusammen mit seiner Frau entschied er sich für das Neubaugebiet auf dem Kopsbühl, weil stadt-, schul- und dienstortnah.
„In Karlsruhe mussten wir immer weite Wege zurücklegen und das wollten wir nicht mehr“, erinnert sich der Mittachtziger, der bis zu seinem Ruhestand 2003 das Haupt- und Personalamt der Stadt leitete. Zudem wollten der gebürtiger Donaueschinger und die Wolfacherin zurück in den Schwarzwald.
Für eine Warmmiete von seinerzeit 700 D-Mark – immerhin 200 mehr als in Karlsruhe – erhielten die Kamps die 150 Quadratmeter große Wohnung in der dritten von acht Etagen der Hausnummer 82, erbaut von der SEWO Villingen, einer Tochter der Seemann GmbH & Co KG, dem damals größten Bauunternehmen der Stadt. Ein Jahr später wurden sie Eigentümer.
Die frühen Jahre
Gut erinnert sich das Paar an die frühen Jahre im nach dem Spatenstich 1971 ersten bezugsfertigen Gebäudekomplex des „Rundlings“. Rund war damals noch nichts, die weiteren Häuser bis zur heutigen Hausnummer 40, die den Kreis mit viergeschossigen Gebäuden fast schließt, wurden bis 1982 fertiggestellt und schufen mit über 400 Wohnungen Wohnraum für rund 1500 Menschen.
Das Leben mit der Baustelle haben Heinz und Annemarie Kamp in keiner schlechten Erinnerung, da das Zusammensetzen der damals neuartigen Fertigbauteile nicht mit übermäßiger Geräuschkulisse einherging. Im Innenhof fühlten sich die drei Kinder wohl, zumal dort 1977 ein Spielplatz eingeweiht wurde.
Ein Kindergarten
Heinz Kamp war es, der sich danach erfolgreich für die Einrichtung eines provisorischen Kindergartens einsetzte. Im „Hexenhäusle“, einem Überbleibsel der einst grünen Wiese, das bis heute steht und inzwischen von meterhohen Nadelbäumen umgeben ist, betreute Erzieherin Maria Moser, später verheiratete Wahl, ab 1978 bis zu 18 Kinder. Die Nachfrage wuchs rasant. 1983 wurde auf Drängen der Bewohner von Kopsbühl und Auf der Wanne unterhalb des neuen Wohngebietes ein Kindergarten errichtet. Inzwischen haben die Kamp-Kinder selbst Kinder.
Heinz und Annemarie Kamp sind in ihrer Hausnummer 82 mit 30 Nachbarhaushalten die langjährigsten Bewohner und „wir werden hier auch nicht mehr wegziehen“, sagt Annemarie Kamp bestimmt. Sie genießen die Ruhe und die überwältigende Aussicht auf die Stadt auf der westlichen und das Blütenmeer der Balkone auf der östlichen Seite. Alle anfänglichen Schwierigkeiten und Probleme, die ein so großer und noch neuer Wohnkomplex mit sich bringt, haben sie überstanden. Die Fassade wurde gedämmt, nachdem der Westwind den Regen durch die Mauern trieb, für eine geruchsfreie Entsorgung des Mülls wurden Lösungen gefunden, die einstige Idee eines Hallenbadbaus von den Eigentümern aufgrund befürchteter Folgekosten allerdings abgewendet.
Es gibt immer eine Lösung
Dafür kam ein Lebensmittelladen, konnte sich aber nicht halten. Dafür sorgt eine Bushaltestelle vor der Haustür für die Anbindung an die Stadt, ein Umstand, den man, ebenso wie die Barrierefreiheit, vor allem im Alter zu schätzen lerne, sagt Heinz Kamp. Er ist für die Hausgemeinschaft 80 und 82 Ansprechpartner bei allen Sorgen und Nöten, die er gerne an die Hausverwaltung weitergibt. „Und hier findet man immer eine Lösung“, lobt er. Was bis heute bleibt, ist eine angespannte Parkplatzsituation rund um den Kopsbühl und die durch immer größer werdende Fahrzeuge „schrumpfenden“ Tiefgaragen.
Bernhard Seemann erinnert sich
Der einstige Bauunternehmer und einer der Firmenchef der SEWO, Bernhard Seemann, erinnert sich an die Anfänge „Rundlings“, des damals zweitgrößten Wohnungsbauprojektes Baden-Württembergs. Der Gemeinderat hatte entschieden, dass auf stadteigenem Gelände hoch über der Stadt nach den Plänen eines Karlsruher Architekten eine Wohnlandschaft aus zwei ineinandergreifenden Halbkreisen entstehen sollte und das in einem neuartigen Fertigbausystem, dessen architektonische Besonderheit überregional Aufmerksamkeit erregte. So empfingen Bernhard Seemann und sein Bruder Karl 1973 eine Abordnung des Olympischen Komitées, die sich das System für den Bau des olympischen Dorfes für die Winterspiele 1976 in Innsbruck abschauten.
Dass der Rundling um ein Haar doch nicht fertiggestellt worden wäre, kann man heute noch den Firmenzeitschriften der Firma Seemann entnehmen. Zu Baubeginn ahnte nämlich noch niemand etwas von der Wirtschaftskrise, die mit Inflation und steigender Arbeitslosenquote 1975 ihren Höhepunkt erreichen sollte, von der 1979 anlaufenden Hochzinspolitik und von den folgenden Energiekrisen.
Das „fast schon totgesagte Projekt“ wurde stufenweise der jeweiligen Situation angepasst und aus veranschlagten fünf wurden fast zehn Jahre Bauzeit.