Gut besucht war die Schlattemer Ortschaftsratsitzung besucht, in der das Häuschen-Gemeinschafts-Wohnprojekt vorgestellt wurde. Foto: Stopper

Vier kleine Häuschen in den großen Garten bauen, so genannte Tiny Houses, und ein daneben stehendes großes Gebäude wird zum Gemeinschaftshaus mit großer Küche und anderen Sozialräumen – so etwas ist derzeit an der Alten Straße 2 in Schlatt geplant. Bei der Vorstellung des Projekts im Ortschaftsrat am Montag wurde aber deutlich, dass vor allem Nachbarn enorme Vorbehalte gegenüber dieser neuen Form des Bauens und Wohnens haben.

Hechingen-Schlatt - Über 20 Besucher in einer Ortschaftsratsitzung – das ist selten. Und dass im offenen Schlagabtausch so lebhaft diskutiert wurde, dass Ortsvorsteher Jürgen Schuler alle Mühe hatte, ein Durcheinander zu unterbinden, spricht für sich. Das Thema ist brisant. In der Debatte stellt sich eine grundsätzliche Frage, die ganz Hechingen betrifft: Unter welchen Voraussetzungen darf man in seinen Garten ein zusätzliches Gebäude stellen? Oder gar mehrere? Es geht zwar nur um Kleinhäuser, so genannte Tiny-House, aber auch die können bis zu 50 Quadratmeter beanspruchen. Die zweite Frage aber dominierte die Debatte: Wie soll das gehen, das gemeinsame Wohnen und bauen außerhalb des gewohnten Einfamilienhaus-Alleineigentum-Modells?

Ein eiskalter Windhauch blies in der Debatte den sechs jungen Leuten (darunter zwei Schlattemer Eigengewächse) ins Gesicht, die in der Ortschaftsratsitzung sich und ihr Projekt vorstellten. Und das sieht so aus: An der Schlatter Straße 2 steht ein großes, altes Gebäude, und daben befindet sich ein langestrecktes Grundstück von der Straße weg. Rechts und links Nachbarn mit ihren Gebäuden auf großen Grundstücken. Auf dem schmalen Grundstück sollen vier Tiny Houses gebaut werden. Sie werden nicht unterkellert, stehen auf Pfostenfundamenten und sind nur durch Fußwege erreichbar. Solche Gebäude lassen sich mit minimalem Energiebedarf bewohnen – aktuell kein unwichtiger Gesichtspunkt – und sie verbrauchen wenig nicht regenieribare Materialien zum Bau.

Gemeinschaftsküche im Bestandsgebäude

Im Grunde birgt jedes Häuschen einen großen Raum mit Hochbett, kleinem Sanitärtrakt und Teeküche. Im Bestandsgebäude wird für alle Projektbeteiligten ein Gemeinschaftsbereich eingerichtet, mit Küche, Wäscheraumund ähnlichem, die Scheune wird gemeinsame Werkstatt. Dazu werden in das Haus noch drei kleine Wohnungen eingebaut.

Die Belegung der Räume soll flexibel sein. Wenn man Kinder hat, kann man zwei Wohneinheiten nutzen, wenn die Kinder aus dem Haus sind, zieht man sich wieder auf eine Einheit zurück. Ob die Anlage gemeinschaftlich genutzt wird, beispielsweise über die Form einer Genossenschaft, oder ob es Eigentümer geben wird, die dann eventuell Räume vermieten, ist in der Gruppe noch nicht entschieden. Feste Interessenten für diese neue Form des Wohnens gibt es aber auf jeden Fall schon, wie die Gruppe versicherte.

In der Debatte nach der Präsentation meldeten sich vor allem Nachbarn zur Wort, die meisten davon sehr skeptisch dem Projekt gegenüber. Dass man auf dieses Grundstück bauen darf, scheint nicht das Problem zu sein. Vielleicht sogar ein mehrstöckiges massives Haus. Aber vier kleine, flache Häuschen, "das ist ja schon fast ein neues Wohngebiet, da braucht es doch einen Bebauungsplan", meinte einer. Und ob das rechtlich überhaupt geht, sich einfach Häuschen in den Garten zu stellen.

Ortsvorsteher Jürgen Schuler betonte, er stehe in dieser Debatte "in der neutralen Ecke", und er betonte, dass die baurechtlichen Fragen natürlich abgeklärt werden müssten. Ganz im Sinne der Baugruppe, die versicherte, man wolle natürlich nicht gegen Gesetze verstoßen. Nach ihren Angaben hat es aber schon Gespräche mit dem Hechinger Baurechtsamt gegeben, und da habe die Stadt keine grundsätzlichen Einwände gegen das Tiny-House-Projekt geäußert.

Weiterer Schlattemer findet Idee gut

Interessanter Nebenaspekt: Ein Besucher der Sitzung zeigte sich ganz angetan von der Idee, in seinem großen Garten auch ein Tiny House zu bauen und das eventuell zu vermieten. "Auf die Idee wäre ich alleine gar nicht gekommen", bedankte er sich strahlend. Und Jürgen Schuler zeigte gab auch noch etwas zu bedenken. Die Häuschen würden genau den politischen Vorgaben der Landesregierung entsprechen, statt Flächenfraß durch Neubaugebiete andere Formen der Wohnraumschaffung anzustreben.

Während sich die baurechtlichen Fragen sicher bald endgültig und eindeutig klären lassen, dürfte die Frage noch lange die Gemüter bewegen, wie so ein Häuschen-Gemeinschaftswohnprojekt überhaupt funktionieren kann. In der Debatte ging es darum, wie die Feuerwehr ein nur per Fußweg erreichbares Tiny House löschen soll, wie man von dort "nach einem Herzinfarkt" abtransportiert werden kann und ob genügend Parkplätze ausgewiesen werden. Zweifel wurden laut. Wie so ein Vorhaben finanzierbar sei? Ob da nicht nach begeisterten Anfängen am Ende nur Bauruinen übrig bleiben? Wie man sich so ein gemeinsames Wohnen ohne klares Eigentum an Küche und Waschkeller vorstellen soll? Aspekte, die offenkundig vor allem die direkten Nachbarn umtreiben.

Die Gruppe, die das Gemeinschaftswohnen plant, zeigte sich offen dafür, solche Fragen zu besprechen und auch bei den Bauplänen eventuell Änderungen vorzunehmen. Man wolle da nicht einfach nur wohnen sondern durchaus ein gedeihliches Zusammenleben mit den Nachbarn und den Schlatter Einwohnern insgesamt.