Noch in diesem Jahr soll mindestens ein erstes Luchsweibchen ausgewildert werden. Foto: dpa/Patrick Pleul

Eigentlich nimmt sich der Luchs im Februar und März Zeit für die Ranz, die Paarungszeit. Das gilt auch für die Pinselohren im Südwesten. Nur wird das wohl wieder nichts werden, weil Luchsweibchen weiter einen Bogen um das Land machen. Das soll sich nun ändern

Zumindest für Wölfe und Luchse ist Baden-Württemberg bislang alles andere als ein geeignetes Fleckchen, um mit einem Weibchen anzubandeln. Jahrelang waren die Regionen für die Raubtiere eine einzige große „Männer-WG“. Jetzt erst scheint sich das langsam zu ändern, wenngleich der Mensch beim Verkuppeln seine Hände mit im Spiel hat.

Seit kurzem soll am Schluchsee eine Fähe im Schatten eines Wolfs durchs Unterholz ziehen, es wird bereits mehr oder minder erbittert über die Risiken eines Rudels gestritten. Und auch einige der derzeit fünf männlichen Luchse (Kuder) können bald in die Familienplanung einsteigen. Denn noch in diesem Jahr soll mindestens ein erstes Luchsweibchen ausgewildert werden. Bis zu zehn weitere und vor allem weibliche Pinselohren unter anderem aus Zoopopulationen sollen - mit Sendehalsband ausgestattet - in den kommenden vier Jahren folgen.

Vom Hochrhein bis zum Nordschwarzwald

Luchse sind in Baden-Württemberg vor allem in der Region vom Hochrhein bis zum Nordschwarzwald sowie im Oberen Donautal mit den nördlich angrenzenden Hangwäldern der Schwäbischen Alb unterwegs. Laut Landwirtschaftsministerium kommen die Tiere seit den 1990er Jahren aus der Schweiz nach Baden-Württemberg. Bisher gelten allerdings nur männliche Luchse als sesshaft, weil Weibchen nur selten ihre Heimat verlassen. „„Populationsökologische Studien zeigen, dass es ohne die aktive Ansiedlung von weiblichen Luchsen nicht gehen wird“, sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Freitag in Stuttgart beim „Kick-Off“ für das auch im Koalitionsvertrag formulierte Auswilderungsprojekt.

Wenn’s auf natürlichem Weg nicht klappt, muss der Mensch also ein bisschen nachhelfen: Deshalb wurden in Mitteleuropa immer wieder Luchse ausgesetzt. Allerdings entstanden stets nur kleinere isolierte Vorkommen, die langfristig nicht überlebensfähig blieben. Der Südwesten will nun das etwas größere Rad drehen: „Baden-Württemberg möchte mit seinem Luchs-Auswilderungsprojekt Verantwortung übernehmen, um die länderübergreifende Luchspopulation für Baden-Württemberg, Deutschland und Mitteleuropa zu verbessern und damit einen Beitrag für den Biotopverbund und die Biodiversität leisten“, sagte Hauk.

Wiederansiedlung der Raubkatzen

Schon seit längerem liegen die Pläne zur gesteuerten Wiederansiedlung der Raubkatzen in seiner Schublade. Allerdings ist der CDU-Politiker nicht nur zuständig für Naturparks und Tierschutz, er vertritt auch die Bauern und die Jäger. Ein schmaler Grat, das hat sich schon bei den Wölfen gezeigt. Den Landesjagdverband weiß Hauk mittlerweile auf seiner Seite, allerdings formulieren die Jäger mehrere Bedingungen für ihre Unterstützung und wollen auf längere Sicht bei möglichen Problemen auch einen Abschuss von Tieren nicht ausschließen. Es seien „Leitplanken“ und „politischer Mut“ wichtig, weil sich auch Wolf und Goldschakal in den Wäldern ausbreiteten.

Das Umweltministerium scheint seinen Standpunkt ebenfalls geändert zu haben. Denn in den vergangenen Jahren hatte das Haus eigentlich auf eine natürliche Wiedereinwanderung bestanden. „Abwarten, auch wenn’s länger dauert“, hieß unter dem früheren Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) stets die Devise in der Luchs-Politik. Hoffnung hatte man sich damals zum Beispiel wegen eines Auswilderungsprojekt im Pfälzerwald gemacht.

Experten winken allerdings ab, wenn es um die Frage geht, ob sich in Baden-Württemberg alleine durch Zuwanderung zum Beispiel auch aus der Schweiz eine Luchspopulation entwickeln könnte. Denn Luchsweibchen breiten sich kaum aus. Eine Zuwanderung aus Rheinland-Pfalz ist ebenfalls nahezu ausgeschlossen. „Will man den Luchs zurückhaben, muss man auch etwas dafür tun und zahlen“, sagt auch Verena Schiltenwolf von der Luchs-Initiative Baden-Württemberg. Größeren Widerstand gebe es nicht mehr gegen die Wiederansiedlung: „Der Luchs ist kein Wolf“, sagt sie. Konflikte mit der Weidehaltung sind laut Agrarministerium auch kaum zu erwarten. In Baden-Württemberg reißen Luchse deutlich weniger Weide- und Nutztiere als die vor allem bei Schafhirten und Bauern umstrittenen Wölfe.

Futtergrundlage fehlt

Schiltenwolf hält es nicht nur für eine moralische Pflicht, die streng geschützte Großkatze zu unterstützen. Sie leitet dies auch aus Gesetzen wie dem Naturschutzgesetz oder der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ab, die die Schaffung größerer, zusammenhängender Lebensräume für gefährdete Arten vorschreibt. Baden-Württemberg habe dabei eine Art „Trittsteinfunktion“, um benachbarte Populationen in der Pfalz, in der Schweiz und im Elsass zu stabilisieren.

Das sieht auch Johannes Enssle vom Naturschutzbund Baden-Württemberg (NABU) so: „Ein Verbund aus allen vier Teilpopulationen würde die Chancen deutlich erhöhen, dass sich Europas größte Raubkatze wieder dauerhaft im Südwesten ansiedelt“, sagte der Landesvorsitzende. Der FDP-Artenschutzexperte Klaus Hoher kann das nicht nachvollziehen, er wirft der Regierung eine „Artenschutzromantik“ vor, die keine Grenze mehr kenne. In Baden-Württemberg fehlten die Futtergrundlage, die entsprechenden Flächen und die verkehrsfreien Zonen, die der Luchs für sein großes Revier brauche.

Der Luchs galt seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Baden-Württemberg als ausgestorben. Auf leisen Sohlen wandern seit den 1980er Jahren immer wieder einzelne Luchse vor allem aus der Schweiz nach Baden-Württemberg ein. Bis heute sind 14 verschiedene männliche Luchse (Kuder) bekannt, darunter das wohl bekannteste Exemplar, das den Namen „Toni“ erhalten hat. Derzeit soll es fünf territoriale Luche im Südwesten geben.