Der Horber Michael Jung auf dem Hannoveraner Chipmunk gilt als Topfavorit bei der WM in Pratoni del Vivaro. Foto: imago/Rene Schulz

In Pratoni del Vivaro beginnt an diesem Donnerstag die 15. Weltmeisterschaft der Buschreiter – kein gutes Geläuf für die Deutschen. Olympia 2024 ist das Ziel.

Peter Thomsen ist das, was man einen alten Haudegen nennt. Der 61-jährige ehemalige Postbeamte hat als Militaryreiter alle Höhen und Tiefen des Dreikampfes zu Pferd erlebt. Zweimal olympisches Teamgold, 2008 in Hongkong und 2012 in London. Als es 1998 in Pratoni del Vivaro nahe Rom um die Weltmeisterschaft ging, stürzte Thomsen mit seinem Pferd White Girl und schied aus – dem ganzen Team klebte das Pech an den Reitstiefeln. Deutschland wurde Letzter.

Mittlerweile hat Peter Thomsen die Turnierstiefel an den berühmten Nagel gehängt, ist seit Jahresbeginn neuer Bundestrainer der Vielseitigkeitsreiter. Seine erste große Bewährungsprobe beginnt heute – ausgerechnet in Pratoni del Vivaro vor Rom.

„Aus der Niederlage schöpfen wir die Kraft“

Um so gut wie möglich abzuschneiden, um mindestens Rang fünf zu schaffen und damit die Qualifikation für Olympia 2024 in Paris – um also auf Nummer sicher zu gehen, reiste Thomsen mit einigen Reitern im Mai zum Testevent nach Rom. Aber wieder ging alles schief: Ingrid Klimkes 18-jähriger Wallach Hale Bob verletzte sich auf dem tiefen Geläuf – das Ende seiner Sportkarriere. Nur die unbekannte Sophie Leube kam als einzige Deutsche ins Ziel.

Dass auch Spitzenreiter mitunter Lehrgeld bezahlen müssen, weiß der neue Bundestrainer aus leidvoller Erfahrung, das lässt den gebürtigen Holsteiner völlig kalt. Im Gegenteil. Seine Maxime lautet: „Aus der Niederlage schöpfen wir die Kraft!“ Diese Haltung gefällt vor allem Julia Krajewski. Die Olympiasiegerin von Tokio, Niederlagen gewohnt, steht mit ihrer französischen Stute Mandy im WM-Aufgebot und sagt: „Peter Thomsen hat ein tolles Team berufen, damit können wir etwas reißen. Natürlich ist eine Medaille unser Ziel.“

Der Topfavorit kommt aus Horb: Michael Jung

Allerdings weiß Julia Krajewski im Moment noch nicht so genau, wo sie und ihr zwölfjähriges Erfolgspferd sportlich stehen. Denn die 33-Jährige, im Hauptberuf Bundestrainerin der deutschen Nachwuchstalente, hat 2022 nur wenige Wettkämpfe bestritten: „In diesem Jahr hab’ ich es gemacht wie im olympischen Jahr: wenige Turniere, erst leichte Prüfungen, dann etwas schwerer.“ Am Weiherhof in Radolfzell gab’s einen leichten Aufgalopp, nach Marbach auf die Alb im Mai nahm sie ihr Toppferd nur zum Training mit, in der Aachener Soers schaffte sie lediglich Rang neun. Vor einem Jahr krönte sie ihre Karriere mit dem sensationellen Olympiasieg in Tokio. Aber ihr Leben, so sagt sie, habe sich nicht sonderlich geändert: „Auch als Olympiasiegerin reite ich täglich acht Pferde. Das ist nun mal mein Beruf.“

Apropos Beruf. Der Topfavorit für diese WM heißt Michael Jung auf dem Hannoveraner Chipmunk, den er vor drei Jahren aus dem Beritt von Julia Krajweski übernommen hat. Sie lobt ihren Kollegen ausdrücklich: „Michi ist ein Topreiter, er hat Chipmunk etwas umgestellt, beide haben tolle Erfolge.“ Im Mai siegte der 40-jährige Reitmeister aus Horb beim Fünf-Sterne-Event in Lexington/Kentucky – genau an dem Ort, wo er 2010 mit seinem legendären Sam zum ersten Mal Weltmeister wurde. Es war der Beginn seiner internationalen Karriere. Vor der Abreise nach Rom sagte Jung: „Ich möchte eine Medaille, am liebsten den Titel. Das ist doch klar. Wir alle müssen hoch konzentriert reiten. Das mindeste ist Platz fünf, damit wir die Qualifikation für Paris 2024 sichern.“

Der Bundestrainer verdrängt die schlechten Erfahrungen

Die erwähnte Ingrid Klimke, aus der deutschen Equipe eigentlich nicht wegzudenken, konnte sich nicht qualifizieren, dafür neben Krajewski und Jung auch Sandra Auffarth, die Weltmeisterin von 2014. Der 28-jährige Christoph Wahler aus Medingen bestreitet seine erste WM, Alina Dibowski aus Holstein, 22 Jahre jung, startet als Einzelreiterin – sie soll in Pratoni Erfahrungen sammeln.

Peter Thomsen ist zuversichtlich: „Wir haben ein tolles Team, alle Pferde sind fit und gesund. Mit uns ist zu rechen.“ Was einmal war in Pratoni del Vivaro, das hat der Bundestrainer verdrängt.