Als orangefarbene Jubeltraube feiern die Niederländer ihren Einzug ins Viertelfinale. Foto: dpa/Martin Meissner

Nicht immer schön, aber erfolgreich: Die Niederlande entwickeln sich zu einer Turniermannschaft. Die Elftal präsentiert sich als Einheit auf und neben dem Platz – und als Team, das auch für seinen Trainer spielt.

Die Traube in Orange, sie hüpfte fröhlich im Kreis. Arm in Arm tanzten die niederländischen Nationalspieler über den Platz, feierten den verdienten Einzug ins Viertelfinale, den 3:1-Erfolg gegen die USA. Louis van Gaal stand am Spielfeldrand und genoss, die Hände in den Hosentaschen versteckt, was er sah. Eine Mannschaft, die sich auch als Einheit präsentiert und seinen Plan zuvor beinahe perfekt umgesetzt hatte. Obwohl die Niederländer unter dem 71-Jährigen nicht mehr typisch niederländisch spielen. Van Gaal lässt im 3-5-2-System agieren, hat der traditionellen Viererabwehrkette und damit dem Heiligen Gral der niederländischen Fußballschule abgeschworen.

Hinten stehen sie sicher

Und siehe da, hinten steht die Elftal sicher. Torwart Andries Noppert wirkt sehr souverän, vor ihm räumt Kapitän Virgil van Dijk als zentraler Abwehrchef alles auf und weg, was ihm in die Quere kommt. Das sieht nicht immer schön aus, ist aber erfolgreich. Die Niederlande entwickeln sich langsam, aber sicher zu einer Turniermannschaft. Eine Zuschreibung, die früher gerne mal der deutschen Mannschaft verpasst wurde. Die DFB-Elf jedoch ist bei diesem Turnier raus, gescheitert schon in der Vorrunde. Wenn man so will, präsentieren sich die Niederländer diesmal als die besseren Deutschen.

Der Rest? „Zum Heulen“

Durch die Vorrunde haben sich die Van-Gaal-Schützlinge eher gequält als kombiniert. Was nicht weiter tragisch ist. Denn wenn es darauf ankommt – wie gegen die USA – können sie auf Knopfdruck das Tempo erhöhen, eiskalt zuschlagen. Die Effizienz ist beeindruckend. In der ersten Hälfte zogen sich die Niederländer zurück, kamen auf weniger als 40 Prozent Ballbesitz. Und das gegen einen Underdog wie die Amerikaner. Man ließ die US-Boys mal machen – und ging mit der ersten Chance in Führung. Ein zweites Tor in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit. 2:0, es war eine Art Vorentscheidung.

Die niederländische Mannschaft spielt defensiv, nicht dominant. Eine Ausrichtung, die bei den vielen Fußballästheten in der Heimat, und von denen soll es viele geben, gar nicht gut ankommt. „Zwei tolle Tore, der Rest ist zum Heulen“, ätzte Marco van Basten, Europameister von 1988 und einer der besten Stürmer seiner Zeit, im niederländischen Fernsehen.

Bondscoach Louis van Gaal ließ die Kritik an sich abperlen. In der Pressekonferenz nach dem Sieg gegen die Mannschaft aus den USA sagt er: „Ich bekomme genug Anerkennung von den Leuten, die um mich herum sind. Dass es bei den Medien nicht so ist, gehört zum Fußball.“

Kühler Ergebnisfußball

Der 71-Jährige verfolgt einen klaren Plan, er setzt auf einen kühlen Ergebnisfußball. In Schönheit sterben wie so viele niederländische Teams in der WM-Geschichte – darauf hat der kauzige Coach keine Lust. Seine Jungs haben die Vorgaben ihres Mentors verinnerlicht. „In erster Linie wollen wir gewinnen. Das ist das Wichtigste“, betete der frühere Bremer Davy Klaassen gehorsam nach. Außenverteidiger Denzel Dumfries, mit einem Treffer und zwei Torvorlagen gegen die USA der beste Spieler, zeigte Verständnis für die Kritiker, stellte jedoch klar: „Wenn man so schnelle Spieler vorne hat, ergibt es Sinn, auf Konter zu spielen.“

Wer das Spiel gegen die USA gesehen hatte, konnte da kaum widersprechen. Zumal die Elftal mit dem wiedergenesenen Memphis Depay über einen torgefährlichen Angreifer im Weltklasseformat verfügt, einen Konterstürmer par excellence. Das Spiel der Niederländer ist für den 28-Jährigen vom FC Barcelona wie gemacht.

Im Viertelfinale gegen Argentinien

Am Freitag (20 Uhr) steigt der Viertelfinalkracher gegen Argentinien um Superstar Lionel Messi. Auch den Südamerikanern will die Niederlande mit ihrer disziplinierten Herangehensweise den Zahn ziehen. Die Spieler werden dann erneut ihr Herz auf dem Platz lassen – für die Mannschaft, aber auch für ihren an Krebs erkrankten Trainer Louis van Gaal.

Die Verbindung zwischen Coach und Spielern ist innig, mit den Niederlanden zu rechnen. Van Gaal jedenfalls verließ das Khalifa-International-Stadion mit einem vielsagenden Statement: „Ich sage nicht, wir werden Weltmeister, aber wir können Weltmeister werden.“