Da nutzt es auch wenig, dass beide eifrig bemüht sind, Normalität vorzuspielen. Denn beide haben längst in den Kampfmodus geschaltet, was nur eine neue Geschichte hervorbringt – die einer Freundschaft, die nun einer Zerreißprobe ausgesetzt ist. Was so aber nicht stimmt. „Während der WM haben wir keinen Kontakt“, sagt Löw, „aber das ist normal, weil wir beide mit unseren Mannschaften beschäftigt sind.“ Auch Klinsmann sieht darin nichts Ungewöhnliches: „Es gibt keine Freundschaftsanrufe. Jetzt geht es ums Geschäft.“ Nach den 90 Minuten aber, davon sind beide überzeugt, sei alles wie immer. „Egal wie das Spiel endet – an unserer Freundschaft wird sich nichts ändern“, sagt Löw.
Dafür ist sie zu tief und zu gefestigt. Klinsmann hat Löw einst beim gemeinsamen Trainerlehrgang kennen- und schätzen gelernt, weil der Freiburger dem Kollegen aus Stuttgart „innerhalb von fünf Minuten die Vorzüge der Vierer-Abwehrkette erklären“ konnte. 2004 holte der neue Bundestrainer Klinsmann den vereinslosen Löw als Co-Trainer in sein Team für die WM 2006. Löw machte sich als Taktik-Fuchs verdient, Klinsmann gab den emotionalen Einpeitscher – so war zumindest das Bild in der Öffentlichkeit, was beide dementieren. Sie seien gleichberechtigt für alles zuständig gewesen.
Als Klinsmann nach der WM zurücktrat, schlug er Löw als Nachfolger vor. Seither verbindet sie die Zusammenarbeit mit dem Medienberater Roland Eitel (Ludwigsburg) und eine Freundschaft, die unverbrüchlich ist. Wenn Klinsmann in Stuttgart ist, treffen sie sich, ansonsten telefonieren oder mailen sie, und der gebürtige Göppinger und Wahl-Kalifornier bedauert nur eines: „Wenn Jogi mehr skypen oder twittern würde, wäre unser Kontakt noch enger.“
Nur in diesen Tagen herrscht Funkstille, was die Spekulationen eher anregt, die beiden könnten hinter den Kulissen einen Nichtangriffspakt aushecken, der auf ein Unentschieden hinausläuft, das beiden dient. Plötzlich lebt Gijon 1982 auf, die schändliche Absprache zwischen Deutschland und Österreich – der deutsche 1:0-Erfolg war damals maßgeschneidert für das Weiterkommen beider Teams.
Klinsmann und Löw weisen diese Möglichkeit entrüstet von sich. Zu viel steht für sie auf dem Spiel, zu ehrgeizig sind beide, und zu belastend wäre es für ihre Zukunft als Trainer, auf ewig mit einer derartigen Mauschelei in Verbindung gebracht zu werden. „Gijon ist Teil der deutschen Geschichte, nicht der amerikanischen“, sagt Klinsmann, „wir sind auch nicht gemacht für Unentschieden. Wir kämpfen immer um den Sieg, das ist unser Spirit. Wir fahren nach Recife, um Deutschland zu besiegen.“ Auch Löws Assistent Hansi Flick bekräftigt: „Für uns haben die Play-off-Spiele begonnen. Es wird keine Absprache mit Jürgen Klinsmann geben. Wir wollen gewinnen.“
Das wollen die US-Boys ebenfalls – auch auf die Gefahr hin, dass eine der beiden Mannschaften die andere aus dem Turnier schießt. Sollte es Joachim Löw treffen, ist er wohl seinen Job los, und Jürgen Klinsmann wäre der Auslöser. Das, und nur das, wäre dann wirklich die ultimative Zerreißprobe für ihre Freundschaft.
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