Der Ortenauer Klinikverbund – hier das Oberkircher Krankenhaus – läuft nur mit hohen Verlusten. Foto: Ortenau-Klinikum

Geschäftsführer Christian Keller erklärt Hintergründe Planung  für kommende zwei Jahre

Der Kreistag hat in seiner jüngsten Sitzung den Wirtschaftsplan das Ortenau-Klinikums für die kommenden zwei Jahre beschlossen. Das Klinikum plant auch 2021/22 mit massiven Verlusten. Klinikum-Chef Christian Keller erläutert die Ursachen.

Offenburg - Der Plan weist für 2021 einen Jahresfehlbetrag von 22,9 Millionen Euro, für 2022 von 21,1 Millionen Euro aus. Im laufenden Jahr rechnet das Klinikum aufgrund von Corona mit einem Jahresfehlbetrag in Höhe von 39,9 Millionen Euro. Abgemildert werden diese Fehlbeträge durch Entnahmen aus dem Eigenkapital und durch Zinszuschüsse des Ortenaukreises.

Als Ursache für die schwierige wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser nannte Ortenau-Klinikum-Geschäftsführer Christian Keller bereits in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Kliniken (GKA) unter anderem die seit Jahren nicht auskömmlichen Leistungsentgelte, steigende Qualitätsanforderungen und den Fachkräftemangel im patientennahen Bereich.

Zwölf Millionen Euro nicht geförderte Abschreibungen

Darüber hinaus deckten die Fördermittel des Landes nur teilweise die Investitionen in erforderliche Baumaßnahmen und Geräteanschaffungen. "Das Ortenau-Klinikum muss in der Konsequenz rund 50 Prozent der investiven Tätigkeit und die damit verbundenen Abschreibungen eigenständig tragen", betont Keller. Dies wirke sich deutlich auf das Betriebsergebnis aus. So belasten ab 2021 rund zwölf Millionen Euro nicht geförderter Abschreibungen das jährliche Betriebsergebnis des Klinikums.

Auch die Corona-Pandemie wird den Haushalt des Klinikums künftig noch belasten. "Wie lange dauert Corona und welche Ausgleichszahlungen bekommen wir dafür?", fasste Keller die erschwerten Bedingungen der Planerstellung zusammen. Große Unsicherheit bestehe über die Dauer und Höhe der sogenannten Freihaltepauschalen, mit denen der Bund die Einnahmenausfälle der Kliniken für freigehaltene Betten zur Behandlung von Corona-Patienten kompensiere.

Die von März bis Ende September dieses Jahres gezahlten Pauschalen würden den Kliniken in der außerordentlichen Situation zwar helfen. Allerdings deckten sie nicht vollständig die entgangenen Erträge – etwa für nicht erfolgte ambulante Behandlungen. Auch Mehrkosten für zusätzliche Hygienemaßnahmen, Reinigung oder Einlasskontrollen würden nicht vollumfänglich abgedeckt. "Wir wissen weder, wie hoch der Ausgleich bis Jahresende ausfällt, noch, ob wir im kommenden Jahr überhaupt Freihaltepauschalen bekommen" so der Geschäftsführer.

Jährlich mehr stationäre Aufenthalte erwartet

Stationäre Behandlungen sorgen für den größten Anteil der Einnahmen des Klinikverbunds. Mit jährlich rund 340 Millionen Euro machen sie rund drei Viertel davon aus. Das Klinikum rechnet hier mit einer Steigerung um jährlich rund 2,2 Prozent.

Auf der Ausgabenseite machen die Personalkosten mit jährlich rund 300 Millionen Euro mehr als zwei Drittel der Aufwendungen aus. An zweiter Stelle liegt mit jährlich rund 70 Millionen der medizinische Bedarf. Der Klinikverbund rechnet in diesem Bereich mit Preissteigerungen von bis zu drei Prozent. Hinzu kommen steigende Personalkosten gemäß den Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst und für die Ärzte des Klinikums. Im Vergleich zum Geschäftsjahr 2019 rechnet der Klinikverbund darüber hinaus mit Einnahmeverlusten durch einen auch bundesweiten Rückgang der Patientenzahlen um rund ein Prozent.

Mit Blick auf die erwarteten Jahresverluste betonte Keller: "Es besteht Handlungsbedarf zur wirtschaftlichen Verbesserung bereits vor Umsetzung der Agenda 2030." Dazu sei ein klarer Auftrag der Gremien erforderlich, der sich dann auf den Finanzplan für die Jahre 2023 und 2024 positiv auswirken könne.

Kreistag stimmt für Nachnutzung: Das Nachnutzungskonzept für das Krankenhaus Oberkirch war ebenfalls Thema in der jüngsten Sitzung des Kreistags. Dieses soll im Zuge der Klinikreform Agenda 2030 seinen stationären Klinikbetrieb aufgeben. Vergangene Woche gab bereits der Klinik-Ausschuss grünes Licht, nun stimmte auch der Kreistag für den Plan. Dieser sieht vor, das Krankenhaus in drei Jahren zum "Zentrum für Gesundheit Oberkirch" umzugestalten. Kosten der Transformation: etwa 9,2 Millionen Euro.

Genesungsbetten für "gesunde" Patienten

Pflegeheim soll entstehen: In dem Klinik-Gebäude soll nach dem Umbau als zentrale Einrichtung ein Pflegeheim mit 45 Plätzen entstehen. Auch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) sowie eine Notfallpraxis sind vorgesehen. Pionier-Geist beweist der Kreis mit der Einrichtung von sogenannte Genesungsbetten. Vor allem ältere Menschen, die nach Operationen für einen weiteren Aufenthalt im Krankenhaus eigentlich zu gesund sind, sollen hier bei Bedarf nach ihrer Entlassung versorgt werden. Das Gesundheitssystem sieht für dieses Modellprojekt bisher noch keine Finanzierung vor. Sozialminister Manfred Lucha hatte sich bezüglich der Kostenerstattung im Vorfeld jedoch optimistisch gezeigt. Bis die Finanzierung geklärt ist, sieht das Konzept vor, dass der Kreis die Kosten trägt.

Lange Diskussionen im Vorfeld: Landratsamt, Klinik-Verwaltung und Kreisräte hatten lange um das Konzept gerungen. Das Problem: Viele Renchtäler taten sich mit dem Verlust ihres Krankenhauses schwer – vor allem wenn es noch vor dem ursprünglich angepeilten Jahr 2030 passieren sollte. Ein erster Entwurf des Nachnutzungskonzept stieß auch prompt auf große Ablehnung. Den Durchbrach brachte erst ein gemeinsamer Änderungsantrag der Renchtäler Kreisräte Matthias Braun (CDU), Thomas Krechtler (CDU), Uwe Gaiser (Freie Wähler), Lothar Bächle (CDU) und Alfred Baum (Grüne).