Foto: dpa

Die stärksten Wirtschaftsnationen der Erde (G20) stützen in der schweren Wirtschaftskrise die ärmsten Länder und den Welthandel mit mehr als 1000 Milliarden Dollar.

London - Nach Jahren exzessiver Gewinne wird die internationale Finanzwirtschaft an die Kandarre genommen. Die 20 stärksten Industrienationen (G20) einigten sich am Donnerstag in London darauf, Steueroasen zu bekämpfen, die Spielregeln auf den Märkten und die Aufsicht zu verschärfen sowie üppigen Managergehälter zu stutzen. Die G20 stützen in der schweren Wirtschaftskrise die ärmsten Länder und den Welthandel mit 1,1 Billionen Dollar - das sind gut 817 Milliarden Euro. Dieses beispiellose Paket ist eine weitere wichtige Etappe für die Staatengemeinschaft, um aus der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu kommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich äußerst zufrieden mit dem Ergebnis. Es sei ein "sehr sehr guter, ja ich glaube historischer Kompromiss" erreicht worden, sagte sie zum Abschluss der zweitägigen Beratungen. Schon im Herbst wollen sich die Staats- und Regierungschefs möglicherweise in New York treffen, um zu überprüfen, ob die Beschlüsse in die Tat umgesetzt werden.

Merkel: "Sieg für die globale Zusammenarbeit"

Merkel sprach von einem "Sieg für die globale Zusammenarbeit". "Es ist auch ein Sieg der Vernunft, dass sich Dinge, die uns in die Krise gestürzt haben, so nicht wiederholen". Sie lobte die Kompromisbereitschaft der Teilnehmern. Auch US-Präsident Barack Obama, den sie am Freitag in Baden-Baden vor dem Nato-Gipfel zu einem ersten persönlichen Treffen nach seiner Amtsübernahme empfängt, sei sehr kooperativ gewesen.

Auch der Gastgeber, der britische Premier Gordon Brown, zeigte sich sehr zufrieden. "Heute ist der Tag, an dem die Welt zusammenkam, um gegen die globale Rezession zurückzuschlagen, nicht mit Worten sondern mit einem Plan für eine weltweite Erholung und Reform", sagte er.

Nach Browns Worten müssen sich beispielsweise Hedgefonds, die mit Risikokapital Geschäfte machen, künftig einer Aufsicht unterstellen. "Wir werden die Bankenlandschaft aufräumen und das Kreditgeschäft wieder ankurbeln", sagte Brown. Zudem werde es neue Regeln für Bonus-Zahlungen geben. "Es gibt künftig keine Belohnung mehr für Versagen", sagte Brown.

Kampf gegen Steuerhinterziehung

Die G20 sagt auch der Steuerhinterziehung den Kampf an. Steuerparadiese, die nicht mit Behörden anderer Länder zusammenarbeiten, sollen auf eine schwarze Liste. Diesen Steueroasen drohten zudem Sanktionen, sagte Brown.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück lobte die Beschlüsse gegen Steueroasen, die lange in der Konferenz umstritten waren. Wenn ihm jemand vor einem halben Jahr gesagt hätte, es könnte eine solche Liste geben, hätte er gesagt, dass dieser träume. Die Zeiten des des Bankgeheimnisse gehörten der Vergangenheit an.

Nach Steinbrücks Worten werden zudem die Banken verpflichtet sein, in guten Zeiten höhere Kapitalpolster anzuhäufen, um besser gegen Krisen gewappnet zu sein. Hedgefonds werden verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Sie müssen auch Informationen über ihre Geschäftsaktivitäten an Aufsichtsbehörden geben.

Die neuen Finanzhilfen fließen zumeist über den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Mittelfristig sollen dessen flüssigen Mittel in zwei Tranchen um zusammen 500 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Dazu soll auch noch das Grundkapital, die sogenannten Sonderziehungsrechte, des IWF um zusätzliche 250 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Die Weltbank bekommt nach den Angaben 100 Milliarden Dollar, um armen Ländern zu helfen. Sie sind von der schwersten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg besonders betroffen.

Die Staats- und Regierungschefs verständigten sich zudem darauf, mit 250 Milliarden Dollar den vielfach kollabierten Welthandel wieder anzukurbeln. Das Geld soll als Versicherungen und Bürgschaften für Exportgeschäfte genutzt werden. Marktabschottungen soll es künftig nicht mehr geben. Frisches Geld für neue Konjunkturprogramme wird aber zunächst nicht in die Wirtschaft gepumpt.

Während in London die G20-Politiker bis zuletzt um Formulierungen gefeilscht hatten, bereiteten sich die Sicherheitskräfte in Straßburg sowie Baden-Baden und Kehl auf den zweitägigen Nato-Gipfel vor, der an diesem Freitag beginnt. Viele der führenden Politiker werden sich dort wiedersehen. Vor dem Gipfel hatten Nato-Gegner Blockaden und Proteste angekündigt. Die Staats- und Regierungschefs waren noch am Morgen mit großen Meinungsverschiedenheiten in die abschließenden Beratungen gegangen.

US-Präsident Barack Obama hatte das G20-Treffen auch genutzt, um Staats- und Regierungschefs der anderen Staaten besser kennenzulernen. Obama war am Dienstagabend mit seiner Ehefrau Michelle zu seinem ersten Europa-Besuch seit Einzug in das Weiße Haus in London eingetroffen. Am Mittwoch hatte er mit Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew verabredet, die atomaren Abrüstungsgespräche wieder in Gang zu bringen.

Die Polizei in London hatte am zweiten Gipfeltag weniger zu tun. Zwar protestierten erneut G20-Gegner, allerdings kamen wesentlich weniger Demonstranten zusammen. Rund 700 Demonstranten versammelten sich vor dem Gipfel-Tagungszentrum. Zuvor hatten sich etwa 40 Gipfelgegner zur Londoner Börse in der Innenstadt begeben, wo sie von der Polizei zahlenmäßig weit übertroffen wurden. Aus Angst vor erneuter Randale waren 4700 Polizisten im Einsatz.