Im Nagolder „Zwickel“ bei Dirk Müller sind Krawattenträger ebenso häufig anzutreffen wie Handwerker oder Menschen aller Couleur, die das besondere Ambiente schätzen.
In der Kneipenszene von Nagold hat das „Zwickel“ in der Bahnhofstraße über die Jahrzehnte hinweg einen echten Kultstatus erreicht – ein Status, der seit 1993 eng mit dem Namen Dirk Müller verbunden ist, dem stets gut gelaunten Wirt des „Zwickel“.
Seit fast 40 Jahren fungiert das „Zwickel“ als ein rustikaler und zugleich gemütlicher Treffpunkt, der mit seinen gediegenen Holzvertäfelungen sowohl Jung als auch Alt anzieht. Bemerkenswert ist, dass das „Zwickel“ nach wie vor als Raucherkneipe gilt, obwohl Dirk Müller selbst seit 15 Jahren nicht mehr raucht.
Der Grundstein für das „Zwickel“ wurde im Oktober 1986 gelegt. Aus einer ehemaligen Buchhandlung in der Bahnhofstraße entwickelte sich eine der langlebigsten und beliebtesten Kneipen der Stadt. Im Jahr 1993 übernahm der gelernte Schreiner als vierter Pächter das „Zwickel“ und erfüllte sich damit den Traum von der Selbstständigkeit.
Zunächst Stammgast
Dirk Müller kam ursprünglich durch einen Arbeitskollegen in die Kneipe und wurde im Laufe der Zeit zum Stammgast. Erst 1993 trat er dann als Betreiber in das Geschäft ein. Eine der beiden Betreiberinnen hatte aufgehört, und als im selben Jahr auch die andere Betreiberin ihren Rückzug antrat, entschloss er sich, das Lokal alleine weiterzuführen. „Ich dachte, ich mache das mal drei oder fünf Jahre“, scherzt der Wirt rückblickend. Aus diesem Plan wurde bekanntlich nichts und mittlerweile sind es über 30 Jahre.
„Ich wollte mich damals einfach beruflich verändern und bereue den Schritt bis heute nicht, weil mir der Kontakt zu Menschen Freude bereitet“, erklärt Dirk Müller. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich unter seiner Leitung die rustikale Theke im „Zwickel“ zu einem Kommunikationszentrum für Stammtisch-Philosophen in Nagold entwickelt hat. Müller ist überzeugt, dass man über die vielen Geschichten aus der Kneipe „Bände füllen könnte“. Denn in den sogenannten „alten Zeiten“ geschahen nachts oft die verrücktesten Dinge, die heute fast unvorstellbar sind.
Live-Konzerte waren ein Highlight
Auch die Livekonzerte waren früher stets ein Highlight, allerdings waren sie aufgrund des begrenzten Platzangebots in der Kneipe auf Dauer leider nicht wirtschaftlich tragbar. Gerne erinnert sich der Zwickel-Chef an die rauschenden Bahnhofstraßenfeste vergangener Jahre, bei denen rund um das „Zwickel“ bis in die frühen Morgenstunden gefeiert wurde. Dort wurden aber ebenfalls Hochzeiten und Taufen gefeiert.
Und dann sind da noch die Nagolder Abiturienten: Zahlreiche Jahrgänge haben seit Mitte der 80er Jahre nicht nur ihre Hausaufgaben hier erledigt, sondern auch erste Erfahrungen mit dem Gerstensaft gesammelt. „Das war oft wie ein großes Wohnzimmer“, erinnert sich Müller an die leidenschaftlichen und endlosen Diskussionen.
In Zeiten des Nichtraucherschutzes ist es zwar schwieriger geworden, da die Besucher des „Zwickel“ volljährig sein müssen, jedoch bleibt die Tradition bestehen, dass sich die ehemaligen Nagolder Abiturienten-Jahrgänge am 23. Dezember zum „Tag der Ehre“ treffen.
Doch nicht alles ist positiv: Die Gastronomie hat sich zu einem schwierigen Geschäft entwickelt, was Dirk Müller angesichts der Vielzahl an bürokratischen Hürden deutlich macht. Er erinnert sich auch mit etwas Wehmut an den „Grünen Baum“, der früher eine weitere beliebte Kultkneipe in Nagold war. 2013 musste er sich vom „Baum“ verabschieden, als das Gebäude am Busbahnhof dem Neubau eine Wohn- und Geschäftsgebäudes weichen musste. Die Schließung traf ihn damals sehr, aber Dirk Müller hatte ja immer noch das „Zwickel“, das für viele Stammgäste nach wie vor einen gewissen Wohnzimmer-Charakter hat.
Immer wieder gibt es Veränderungen: So soll in der Osterzeit die neue und größere Terrasse eröffnet werden, um ein noch stimmigeres Biergartenfeeling zu schaffen. Immerhin hatte das bisherige Provisorium elf Jahre lang gehalten.