Deniz Balaban und Till Urban machen Punchline-Rap. Neues Album erscheint am Freitag.
Lahr - Deniz Balaban (28) aus Lahr und Till Urban (30) aus Meißenheim machen Musik – Punchline-Rap. Unter ihren Pseudonymen "Mc Urb & Sanders" haben der Audiodesigner und der Bürokaufmann kürzlich ihren Song "Chamäleon" online veröffentlicht. Am 10. September erscheint ihr erstes Album mit dem Titel "Selbst- und Fremdgefährdung".
Wie viel Humor muss man mitbringen, damit man eure Musik nicht in den falschen Trichter bekommt?
Deniz Balaban: Man muss extrem viel Humor mitbringen. Unsere Musik ist sehr düster. Von Witzen über Tote bis zu frauenfeindlichen Elementen ist alles vertreten – natürlich mit einem dicken Augenzwinkern. Wir versuchen unsere Texte so zu gestalten, dass die Leute merken, dass eine blödsinnige und provokante Aussage der nächsten folgt. Wir hoffen, dass die Leute verstehen, dass da viel schwarzer Humor mit im Spiel ist. Till Urban: Im Prinzip geht es uns um die Provokation.
Wen wollt ihr provozieren?
Till Urban: So viele Leute wie nur möglich. Natürlich darf man unsere Satire nicht für bare Münzen nehmen. Deniz Balaban: Wir wollen testen, wo die Grenzen liegen. Immer wenn wir einen neuen Song veröffentlichen, bekommen wir Feedback aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. Eine Bekannte sagte vor Kurzem, dass sie unsere Musik ziemlich gut finde, auch unterhaltsam. Aber bei der ein oder anderen Textpassage, da habe sie schon sehr tief durchatmen müssen. Irgendwo stößt jeder bei unseren Songs an seine ganz persönliche Grenze. Aber genau das ist unser Ziel.
In eurem neuen Song "Chamäleon" geht’s schon sehr sexistisch zu. Die Passage "Für mich bist du nur Fleisch, eine Hülle ohne Geist" fällt noch unter die milderen Aussagen. Findet ihr nicht, dass ihr da zu weit geht?
Deniz Balaban: Ja, das brennt im ersten Moment im Ohr. Wenn man die Kraft hat, sich den Song noch einmal anzuhören, kann man daraus aber noch eine tiefere Botschaft ziehen: Eine Kritik am Verhalten mancher Männer. Genau die wollen wir in die Mangel nehmen. Wir finden es nicht gut, dass Frauen diese Art von Stigmatisierung aushalten müssen.
Aber muss man dafür in der Wortwahl unbedingt so unter die Gürtellinie gehen? Braucht man das, um sich als Rapper hervorzuheben?
Deniz Balaban: Nein, brauchen tut man das natürlich nicht. Aber ich persönlich lasse mir als Mensch das Fluchen auch nicht verbieten. Ich finde, Kraftausdrücke gehören dazu, wenn man etwas Bestimmtes ausdrücken will (lacht).
Till Urban: Ich sehe persönlich keine Grenzen, weil ich unsere Musik unter dem Sammelbegriff zynischer Humor und Satire einordne. Für mich besteht also keine moralische Beschränkung. Mir ist es wichtig, dass Musik unterhält, provokativ ist. Und wenn sie noch den einen oder anderen zum Nachdenken bringt, dann ist das noch besser.
Was war die Ausgangsidee vom "Chamäleon"-Song?
Till Urban: Der Song fängt folgendermaßen an "Ich will mich ändern". Das bezieht sich auf Männer. Aber ein Chamäleon, das ändert sich nicht, sondern einfach nur die Hautfarbe. Es passt sich nur äußerlich an, innerlich verändert es sich niemals.
Deniz Balaban: Im Chamäleon-Song steht das Verhältnivon Frauen und Männern im Zentrum. Im Song versucht sich der Mann äußerlich als lieber Kerl darzustellen, aber eigentlich ist er innerlich unverändert und bleibt ein totaler Macho.
Inwiefern identifiziert ihr euch mit euren Texten?
Till Urban: Ich würde nicht sagen, dass ich frauenfeindlich bin. Im Gegenteil, ich bin eher sensibel und schüchtern. Ich finde unsere Texte eher sehr unterhaltsam, aber ich würde niemanden dazu aufrufen, dem, was wir da von uns geben, Folge zu leisten. Da muss man immer noch zwischen dem Kunstgedanken und der Realität differenzieren. Deniz Balaban: Gerade, weil wir die Songs alle aus der Ich-Perspektive singen und man die Musik als Rapper verkörpert, fragen sich die Leute natürlich schon, was meint er jetzt wirklich so, wie er es sagt und was nicht. Unsere Kunstfiguren "Mc Urb & Sanders" lassen da relativ viel Interpretationsspielraum.
Zeigt ihr eure Musik euren Schwestern?
Till Urban: (lacht) Meinen Schwestern würde ich es verbieten, solche Musik zu hören. Da kommen in mir "Großer-Bruder-Gefühle" auf. Meiner Mutter würde ich meine Texte erst recht nicht zeigen. Deniz ist da anders…
Deniz Balaban: ...meine Mutter kennt meine Texte und mag mich noch (lacht).
Im Privaten also "Großer-Bruder-Gefühle". Bei anderen Menschen, die eure Musik im Internet hören, greift der Beschützerinstinkt dann nicht mehr?
Till Urban: Nein, da gibt es dann kein "Großer-Bruder-Gefühl" mehr (lacht). Man merkt, da bin ich widersprüchlich.
Deniz Balaban: Ich finde es verwerflicher, wenn Rapper mit einer ernsten Haltung über Prostitution und dicke Autos rappen, als wenn wir einfach maßlos mit unseren Texten übertreiben. Klar, es ist natürlich ein riesiger Konflikt, weil nicht jeder unsere Haltung unbedingt sofort versteht. Bei Live-Auftritten wurde ich teilweise auch schon richtig schräg angeschaut, gerade von älteren Menschen. Im Endeffekt muss man aber zu dem stehen, was man macht.
Album
Ab dem 10. September ist das Album "Selbst- & Fremdgefährdung" bei den gängigen Online-Musik-Diensten abrufbar. Die Kosten belaufen sich je nach Anbieter auf etwa sechs Euro.