Lukas Dittus trainiert einmal die Woche in Ichenheim mehrere Gruppen, sich selbst verteidigen zu können. Dabei steht auch die Gewaltprävention im Mittelpunkt. Im Mai findet die Selbstverteidigungs-EM in Aalen statt – Schüler der Gruppe nehmen daran teil.
Die Gruppe ist durchgemischt, das Alter geht von elf bis 15 Jahren. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Sie möchten an ihrer Selbstverteidigung arbeiten. Lukas Dittus hilft ihnen dabei. Der 34-Jährige ist seit 2014 lizenzierter Trainer und hat seine eigene Sportschule in Ichenheim und Wössingen bei Karlsruhe. „Ich möchte Wissen vermitteln, um Gewalt zu verhindern“, so das Ziel des erfahrenen Trainers. Er trainiert im Rahmen des Grundsatzes „Protactics“ (Pro steht für das Gute, tactics für Methoden, um zu helfen).
Der Gründer von „Protactics“ , Michael Stahl, hat früher als Bodyguard gearbeitet und wollte aufgrund eigener Erfahrungen ausgegrenzten und gemobbten Menschen helfen. Deswegen hat er am 1. Januar 2000 „Protactics M.S.E.“ (moderne Selbstverteidigungslehre) gegründet.
„Einer der Pfeiler seiner Lehre ist die menschliche Nächstenliebe“, erklärt Dittus dessen Philosophie. Gewalt solle im besten Fall gar nicht angewendet werden. Die christlichen Werte haben ihn auch überzeugt, den Lehren von Stahl zu folgen. Sein Hauptantrieb als Lehrer bestehe darin, dass „junge Menschen kein Opfer von Gewalt werden oder in Zukunft die Wiederholung verhindern können“. Dabei sei es sehr wichtig, als Trainer einen hohen Selbstwert zu verinnerlichen, um den Schülern die Tugend glaubhaft zu vermitteln: „Die Kinder finden die Schwäche schnell“, ist sich der Trainer sicher.
Die Befreiung aus Gewaltsituationen wird trainiert
Es gilt: Das System passe sich den Schülern an, nicht andersrum. So umschreibt Dittus den Hauptunterschied zu anderen Kampfsportarten. Im Training gehe es darum, die Schüler herauszufordern. Die eingesetzten Techniken müssen „praktisch, nützlich und schnell“ sein, da das Überleben auf der Straße davon abhänge. Aus diesem Grund werde vor allem die Befreiung aus Gewaltsituationen trainiert, beispielsweise die Flucht aus dem Schwitzkasten. Dabei gebe Dittus die Technik vor, die Schüler sollen aber auch mitdenken und eigene Lösungen finden.
Auffällig ist das Ausstrecken der Arme nach einer Übung und das Rufen von „Stop!“ durch die Schüler. „Nur wer sich artikulieren und Grenzen setzen kann, wird wahrgenommen“, erklärt Dittus die Bedeutung der Geste. Es sei ein klares Signal an den Gegenüber, aufzuhören.
Die Gruppe stärkt den Zusammenhalt spielerisch
Neben dem Nachstellen von Gewaltsituationen sei der Zusammenhalt im Team ebenso zu stärken, daher spielen die Schüler oft „Protactics-Ball“. Dabei treten zwei Mannschaften gegeneinander an. Das Ziel, ist es, einen Fuß ins gegnerische Tor zu stellen und dabei den Ball von einem Mitspieler zu fangen. Die Gegner dürfen dabei alles tun, um das Tor zu verteidigen: Ball aus der Hand reißen oder schubsen. „Treten, schlagen oder beißen ist natürlich verboten“, ergänzt Dittus das Regelwerk. Das Spiel könne sehr körperlich werden, solle aber die Schüler an ihre Grenzen bringen. Das Schöne daran sei der gegenseitige Respekt während des Spiels, darauf lege er als Trainer viel Wert.
Ein Höhepunkt steht in zwei Wochen an: Die Europameisterschaft in Selbstverteidigung in Aalen. Sie findet am 10. Mai statt. Jugendliche der Gruppe in Ichenheim nehmen daran teil. Es sei eine tolle Veranstaltung, um gemeinsame Werte zu teilen, so der begeisterte Dittus. Sie möchten dort in zwei Disziplinen antreten: Selbstverteidigung und „Show“. Beim Showkampf gehe es um die Darstellung zentraler Themen aus der Lehre. Die Gruppe probe zurzeit an einem Stück über Gewaltprävention, verrät der Trainer. Die Choreographie haben die Schüler ausgearbeitet.
Das Training „hilft im Alltag und wirkt Konflikten entgegen“, sagt Teilnehmer Micha Roth auf Nachfrage unserer Redaktion. Es sei eine sportliche Aktivität mit einem nützlichen Nebeneffekt. Er habe den Film über die Europameisterschaft 2023 gesehen und freue sich darauf, auch selbst daran teilzunehmen. Er werde im Showkampf antreten. Dieser zeige „eine Situation, in der jemand hilflos ist“. Durch Training und steigendes Selbstvertrauen könne er sich seinen Gegnern stellen, berichtet Roth.
Selbstvertrauen ist durch Training gestiegen
„Ich bin seit acht Jahren dabei“, blickt Annika Oertel zurück. Sie sei damals über eine AG in der Schule ins Selbstverteidigungstraining gekommen. Die Eltern fanden es sinnvoll, fügt Oertel schmunzelnd hinzu. Sie fand jedoch immer mehr Spaß am Sport und stellt fest: „Mein Selbstbewusstsein ist deutlich gestiegen“. Sie merke Fortschritte im Training, vor allem über einen längeren Zeitraum. Das Ziel der Selbstverteidigung nach „Protactics“ formuliert sie so: „Wir lernen, den Kampf zu beenden.“ Die vermittelten christlichen Werte finde sie gut. Vor zwei Jahren sei sie bereits bei der Europameisterschaft dabei gewesen im Einzelkampf. Dieses Jahr trete sie genau wie Roth im Showkampf an und möchte, dass es gut aussehe.
„Sie können stolz auf ihre Leistung sein, egal wie es ausgeht“, betont der 34-jährige Trainer gegenüber der LZ. Die Hauptsache sei, dass es ihnen Spaß mache und die Teilnahme die Entwicklung der Jugendlichen fördern könne.
Die EM in Aalen
Die dritte Europameisterschaft des Verbands I.P.F. (International Protactics Federation) findet am 10. Mai in der Ulrich-Pfeifle-Halle in Aalen statt. Sie wird alle zwei Jahre veranstaltet. Die Veranstaltung geht von 7 bis 20 Uhr. Neben den Bereichen Selbstverteidigung und Show gibt es noch Kickboxen als Disziplin. Beim Showkampf gilt für alle ein Zeitlimit von fünf Minuten, das sie nicht überschreiten dürfen.