Steffi Böhler läuft mit ihren 36 Jahren noch einmal zu Hochform auf. Foto: Eibner/Schmidt

Nordische Ski-WM: Schwarzwälderin mit bestem Saisonergebnis. Langlauf-Herrenstaffel schlägt sich unerwartet gut.

Steffi Böhler hat Spaß in Lahti. Der zehnte Platz im 10-Kilometer-Rennen, ihrem besten Weltcup-Ergebnis dieser Saison, ist Ausdruck der Lockerheit, mit der die seit Montag 36-jährige Schwarzwälderin an ihre Aufgaben herangeht.

Fast wäre für die erfahrene Läuferin sogar noch mehr möglich gewesen, schließlich war sie in Schlagdistanz zum sechsten Platz, der die Teilnahme an der Siegerehrung in der City von Lahti bedeutet hätte. Und auch bei der Staffel am Mittwoch lieferte sie eine bärenstarke Leistung ab.

"Ich stehe morgens auf und höre auf mein Gefühl", meint sie, und wenn sie "logisch" antwortet, wenn man sie fragt, ob sie sich auf den heutigen "30er" (13.30 Uhr) freut, dann glaubt man ihr das sofort, obwohl es der Ibacherin nicht entgegenkommt, dass er nicht im klassischen Stil gelaufen wird. Über Ziele macht sie sich im Vorfeld keine Gedanken, denn: "Das merkst du erst auf der Strecke, manchmal nach einem Kilometer, was los ist, was der Körper hergibt."

Langlauf-Sportchef Andreas Schlütter hat deshalb die (kleine) Hoffnung auf ein Happy End noch nicht aufgegeben: "Man muss beim 30er sehen, was passiert." An den Start gehen werden neben Böhler auch Nicole Fessel (Oberstdorf), Victoria Carl (Zella-Mehlis) und Katharina Hennig (Oberwiesenthal). Und die können sich auf einiges gefasst machen, denn "auf jeder Distanz wird hier Tempo gemacht", weiß Böhler.

Unerwartet gut schlug sich gestern die deutsche Herren-Staffel. Beim Sieg des norwegischen Quartetts, das die Russen um Weltcup-Dominator Sergej Ustjugow in Schach hielt, liefen Thomas Bing (Dermbach), Jonas Dobler (Traunstein), Florian Notz (Römerstein) und Lucas Bögl (Gaissach) lange um den dritten Platz mit. Einerseits weil sie sich taktisch und läuferisch erstklassig hielten, zweitens weil die Schweden und die Finnen wieder einmal pokerten bis zum letzten Kilometer, auf dem sie dann ernst machten – bis der finnische Schlussläufer Matti Heikkinen im engen Gerangel um den dritten Platz durch die Streckenbegrenzung zu Fall kam.

Das deutsche Quartett war da allerdings schon abgehängt und kam – wie die Frauen am Tag zuvor – auf dem sechsten Platz ins Ziel. Trainer Janko Neuber war "richtig stolz auf die Jungs" und zog das richtige Fazit: "Wir haben gezeigt, dass wir noch da sind."

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Kommentar

von Peter Flaig

35 000 begeisterte Zuschauer singen "Iiiiiivo" und "Niskanen" nach der Rucki-Zucki-Melodie und feiern damit den neuen finnischen Volkshelden, der bei der Weltmeisterschaft in Lahti seine Landsleute mit der Goldmedaille über 15 Kilometer glücklich gemacht hat.

Daneben, weit im Abseits, stehen die deutschen Langläufer, und lecken ihre Wunden. "Ich hab’ mir schwergetan", heißt es da. Oder: "Ich bin nicht ganz zurechtgekommen." Oder: "Ich bin froh, dass es vorbei ist." Szenen eines beängstigenden Ist-Zustands: Der deutsche Langlauf am Boden. Selbst bescheidene Ziele, Plätze zwischen Rang 15 und 20, sind mittlerweile unerreichbar weit weg. Ein Highlight wie gestern die Männer-Staffel ist nicht mehr als ein kleiner, flüchtiger Glücksmoment.

Wie ganz anders war das vor 16 Jahren, als der nordische Ski-Zirkus das letzte Mal im finnischen Sprung- und Laufmekka Lahti zu Gast war. René Sommerfeldt holte sich hinter dem ein Jahr später des Dopings überführten "Spanier" Johann Mühlegg Silber über 50 Kilometer. Es war der Beginn einer Glanzzeit: Tobias Angerer, Axel Teichmann, Andreas Schlütter, Jens Filbrich, Claudia Künzel (später Nystad), Evi Sachenbacher – klangvolle Namen, viele Erfolge. Spätestens seit 2011 ist das vorbei. Jetzt bereitet das Hinterherlaufen nur noch Frust. Den Athleten und den Zuschauern.

Und wenn sich dann auch noch, wie Anfang 2016, eine deutsche Staffel im Wald verläuft, dann ist der Spott im Netz nicht weit: "Sie können ja die neue Sportart ›Orientierungslanglauf‹ einführen. Da wären sie weit vorne mit dabei!" Der nachfolgende Hinweis: "Als wäre man im Kindergarten" ist dann aber doch nicht so weit hergeholt – genau da will man beim Deutschen Ski-Verband ansetzen.

Denn im Kindergarten- oder Grundschulalter stören sich die bewegungsdurstigen Kleinen nicht daran, dass es eventuell "uncool" sein könnte, auf zwei schmalen Brettern durch die Welt zu gleiten, im Gegenteil. "Unser Problem ist die Austrittsquote", weiß DSV-Sportdirektorin Karin Orgeldinger, und für den ehemaligen Bundestrainer Jochen Behle ist es "ein Horror, was junge Leute heutzutage für eine Vorstellung davon haben, mit wie wenig Aufwand Leistungssport betrieben werden kann."

Im Langlauf steckt eben viel Arbeit und Fleiß für wenig Anerkennung – und derzeit vor allem im Herrenbereich viel Spott. "Die Meister im Hinterherlaufen", werden die Athleten schon einmal genannt, die den Kampf aufnehmen gegen Nationen, in denen Langlauf Volkssport ist und die aus einem Reservoir an Nachwuchskräften schöpfen können, wie man es hierzulande allenfalls aus dem Fußball kennt.

Ein Ende der Durststrecke ist so nicht in Sicht. Es bräuchte zur Motivation eine Art "Laura Dahlmeier" des Langlaufs – die Verantwortlichen hoffen auf Youngster Katharina Hennig. Bis sie vielleicht einmal die medaillenlosen WM-Zeiten beenden kann, müssen die deutschen Starter sich eben weiter "teuer verkaufen", "nach vorne schauen", "es nehmen, wie es kommt" – und im Hintergrund die "Iiiiiivo"-, "Mariiit"- oder "Heja Kalla"-Rufe ertragen.