Stolz auf ihren Deutschland-Rennanzug: Ski-Alpin-Nachwuchsass Leonie Keller aus Würzbach Foto: Oehler

Ski Alpin: Leonie Keller besucht seit September Sportinternat in Berchtesgaden. Start bei internationalen Rennen.

Leonie Keller aus Würzbach ist eines der größten Ski-Alpin-Talente die es in Deutschland in ihrer Altersklasse gibt. Seit diesem Schuljahr lebt und trainiert die 15-Jährige in einem Elite-Sportinternat in Berchtesgaden.

Über die Feiertage ist Leonie Keller mal wieder bei ihrer Familie in Würzbach. "Es war schön an Weihnachten zu Hause zu sein, aber der Schnee hat mir gefehlt. Der gehört zu Weihnachten ja eigentlich dazu", sagt die 15-Jährige.

Die Wochen und Monaten zuvor stand für das junge Skitalent eine große Umstellung an – inklusive einem Umzug nach Bayern. Seit September ist Leonie Keller eine der Nachwuchsleistungssportlerinnen, die auf das Internat der Christophorusschulen in Berchtesgaden – eine Eliteschule des Sports des Deutschen Olympischen Sportbunds – geht. Keller geht dort in die neunte Klasse des Gymnasiums und gehört auch dem dortigen Ski-Alpin-Förderkader der U16 an. Durch ihre hervorragenden Leistungen im vergangenen Jahr ist sie auch schon Mitglied im Zentralkader des deutschen Skiverbands (DSV). "Das ist quasi die Nationalmannschaft der Schüler", erklärt Leonie Keller. Das Ausnahmetalent durfte auch schon an internationalen Rennen teilnehmen. "Dafür habe ich Rennanzüge der Nationalmannschaft bekommen, da ich bei diesen Rennen für Deutschland starte", sagt die junge Rennfahrerin stolz.

Aufgrund ihrer Leistungen war auch der Wechsel nach Berchtesgaden möglich. "Normalerweise werden beim DSV die Kader-Athleten erst mit 16 in den Internaten ausgebildet", erklärt Mutter Heike.

Viele Fehltage in der Schule

"Leonie hat sich aber dafür entschieden, in diesem Schuljahr schon ins Internat zu gehen." Die Belastung für die 15-Jährige und die Familie sei in den vergangenen Jahren einfach zu groß geworden.

Die weiten Strecken zu den Trainingslehrgängen und Rennen waren nicht mehr leistbar und vor allem nicht mehr mit der Schule vereinbar. Leonie Keller ging zuvor auf das Enztal-Gymnasium in Wildbad. Oft kam die 15-Jährige wegen ihrer vielen Fehltage mit dem Stoff nicht mehr hinterher – trotz der Unterstützung der Schulleitung und der Lehrer. "Die haben wirklich versucht, alles möglich zu machen", sagt Heike Keller. Es sei aber immer schwieriger geworden, Leistungssport, das zugehörige Training und die Schule unter einen Hut zu bringen.

Dazu kommt: Familie Keller war oft auf sich allein gestellt. Denn alpine Skisportler aus Baden-Württemberg sind im Spitzensport eine Seltenheit – die meisten kommen aus Bayern. "Wir mussten das meiste selbst organisieren. Ich musste auch oft allein mein Konditionstraining durchziehen", erzählt die ehrgeizige 15-Jährige.

Optimale Bedingungen

Nach dem Schulwechsel ist alles anders. In Berchtesgaden seien die Bedingungen optimal, berichtet die inzwischen für den bayrischen Verband und den WSV Königssee startende Athletin. Ihr Alltag ist dabei streng durchorganisiert: Morgens um 7.10 Uhr klingelt der Wecker in ihrem kleinen Einzelzimmer im Internat. Um 7.32 Uhr holt sie eine Mitschülerin ab, gemeinsam gehen sie zum Frühstück ins Gebäude nebenan. Bis kurz vor acht Uhr haben sie Zeit zum Essen, dann geht es 100 Meter weiter in die Schule. Der Unterricht geht bis 12.55 Uhr, um 13 Uhr steht das Mittagessen auf dem Programm. Viel Zeit bleibt allerdings nicht.

Um 14 Uhr beginnt schon das Training. "Zur Zeit steht häufig Kraft, Schnelligkeit und Balance im Mittelpunkt", erzählt die 15-Jährige. Danach wird noch geturnt. "Das ist gut für die Körperspannung." Die Sporteinheiten gehen jeden Tag bis 17.30 Uhr. Dann geht es schnell zurück aufs Zimmer unter die Dusche, denn um 17.58 Uhr holt sie wieder ihre Kollegin ab. Um 18 Uhr gibt es Abendessen und um 18.45 Uhr gehen sie noch mal in die Schule. Bis 20 Uhr machen die Nachwuchssportler dort ihre Hausaufgaben, lernen auf Klassenarbeiten oder holen Versäumtes nach – alles unter Aufsicht und mit Unterstützung der Lehrer. Erst anschließend ist ein wenig Freizeit bis 21.30 Uhr eingeplant. "Da spielen wir dann oft noch ein wenig Volleyball." Um 21.30 Uhr ist dann Bettruhe angesagt, um 22.30 Uhr geht auch das WLAN aus.

Viele Tage verbringen die Nachwuchssportler aber auf den Skipisten bei Rennen oder Trainingslehrgängen. "Die vergangenen Wochen war ich im Schnitt vielleicht ein oder zwei Tage pro Woche in der Schule", sagt Leonie Keller.

"Zwar liegt der Fokus ganz klar auf dem Sport, die Schule darf aber darunter nicht leiden. Das ist die Bedingung", sagt Mutter Heike Keller. Wenn die Noten nicht stimmen, erhalten die Schüler keine Freigabe für die Wettkämpfe und das Training – bis die Noten wieder besser sind. Für die 15-Jährige ist das aber kein Thema: In der Schule laufe es viel besser als zuvor – dank der fest geregelten Lernzeiten und der vielen Unterstützung, sagt sie. "Ich bereue es nicht, gewechselt zu sein. Das war die richtige Entscheidung", ist sich die 15-Jährige trotz des straffen Programms sicher.

Denn die ersten Erfolge haben sich schon eingestellt: Zum ersten Mal hat Leonie Keller gleichgute Trainingsbedingungen wie ihre Kontrahentinnen.

Patzer im Riesenslalom

Das macht sich direkt bemerkbar. Beim bisherigen Saisonhöhepunkt, dem ersten Rennwochenende des DSV-Schülercup im österreichischen Fügen, fuhr sie direkt Siege ein.

Die Technikprüfung führt sie an und auch in ihrer Paradedisziplin Slalom ließ die 15-Jährige alle Kontrahentinnen hinter sich.

Nur im Riesenslalom erlaubte sie sich einen schweren Patzer. Im ersten Durchgang löste sie mit den Stöcken die Lichtschranke aus. Wichtige Sekunden vergingen, bevor sie dann tatsächlich losfuhr. Sie wurde Elfte. "Mein Trainer meinte, das sei eigentlich trotzdem ein guter Lauf gewesen". Im zweiten Durchgang, mit gehörig Wut im Bauch, zeigte Keller dann ihre Stärke. Sie fuhr mit einer überragenden Bestzeit noch auf den vierten Platz nach vorn. Damit führt sie die Zwischenwertung des Deutschlandcups an und darf die nächsten Rennen im gelben Trikot der Führenden starten. Vergangenes Jahr wurde sie insgesamt noch Siebte in der Gesamtwertung der Jahrgänge 2003 und 2004.

Knallhartes Auswahlverfahren

Dank ihrer Ergebnisse steht sie in der U16-Rangliste des DSV derzeit auf Rang drei. "Aber es kommen noch viele Rennen, da will ich mich noch verbessern". Ihr Ziel ist es, am Ende einen der ersten beiden Plätze zu belegen.

Nach der Saison steht eine wichtige Zäsur an. Nur die allerbesten Nachwuchsskifahrerinnen werden von den Trainern in die Kader des DSV berufen. Allen anderen wird nahegelegt, den Leistungssport sein zu lassen. "Das ist ein knallhartes Auswahlverfahren", weiß die 15-Jährige. Nicht nur die Ergebnisse seien dabei entscheidend. Die Trainer treffen ihre Wahl aufgrund einer umfassenden Potenzialanalyse, die auch die physische und psychische Leistungsfähigkeit mit einschließt.

Leonie Keller rechnet sich gute Chancen aus, in den C/D-Kader berufen zu werden. Dann stehen in der kommenden Saison FIS-Rennen auf dem Programm. Die Rennen des internationale Skiverbands sind sozusagen die dritte Liga der Skirennen. "Da starte ich dann ganz hinten und muss mich erst mal durchkämpfen. Dabei fahre ich dann auch gegen erwachsene Frauen", weiß Keller und hat trotzdem schon von weiteren Erfolge fest im Blick: "Wenn ich da dann gut fahre, bekomme ich vielleicht auch schon Einsätze im Euopacup".

Info: Eliteschulen des Sports

 Eliteschule des Sports ist ein Prädikat, das durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) an Bildungseinrichtungen vergeben wird, die sich der Förderung des Leistungssports widmen.

 Die Schulen haben jeweils ein Internat und sind an Olympiastützpunkte gebunden. Insgesamt gibt es derzeit 43 dieser Schulen in Deutschland: 22 in westdeutschen Ländern, 18 in ostdeutschen, 3 in Berlin. Auf Sommersportarten fokussieren 29 Eliteschulen, auf Wintersportarten 7, weitere 7 setzen übergreifende Schwerpunkte. Derzeit werden mehr als 11.500 Talente gefördert.

 An den Schulen arbeiten rund 660 Diplom- und A-Lizenztrainer, davon zu zwei Dritteln Hauptamtliche, 75 sind Bundes- und 95 OSP-Trainer. Pro Jahr werden mehr als 300.000 Stunden Spezialtraining gegeben.

 In den Sportinternaten leisten rund 200 Pädagogen über 450.000 Betreuungsstunden im Jahr.

 Bei den Olympischen Winterspielen in PyeongChang 2018 waren 80 der 154 nominierten Sportler aktuelle (5) oder ehemalige (75) Schüler der Schulen. Das sind 52 Prozent der Mannschaft. Die Eliteschüler des Sports waren an 26 von 31 Medaillengewinnen (also rund 84 Prozent) vom Olympia Team Deutschland beteiligt.