Seine Ski bereits lange vor dem Weltcupfinale in Schonach an den Nagel gehängt hat Tobias Haug. Foto: Haug Foto: Schwarzwälder Bote

Ski nordisch: Tobias Haug nach mehreren Stürzen während der Saison zurückgetreten / "Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt"

Mit dem Weltcup-Finale in Schonach beenden die Nordischen Kombinierer an diesem Wochenende ihre Saison. In den vergangenen Jahren öfter beim Schwarzwaldpokal am Start war auch Tobias Haug vom SV Baiersbronn, dessen Name in den Startlisten jetzt aber fehlt und der gestern zu einem Urlaub in den warmen Süden abgereist ist.

Der 24-Jährige hat mitten im Winter für viele überraschend seine Karriere beendet. Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten erklärt er die Hintergründe und zieht eine Bilanz seiner Laufbahn.

Kurz vor Weihnachten haben Sie a bekannt gegeben, dass Sie sich mit sofortiger Wirkung aus dem Spitzensport zurückziehen. Wie stehen Sie mit dem zeitlichen Abstand heute zu der Entscheidung?

Tobias Haug: Natürlich fällt einem eine solche Entscheidung nicht leicht. Aber ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass es auch von der Entstehungsgeschichte her der richtige Zeitpunkt gewesen ist. Ich werde aber auch in fünf bis zehn Jahren noch mit Interesse die Nordische Kombination verfolgen.

Wie ist es überhaupt zu dem Entschluss gekommen?

Der Weg dahin war ein langer Prozess und hat schon in der Saison davor begonnen. Schon vor dem ersten Weltcup Ende 2016 bin ich zweimal gestürzt und musste eine längere Pause einlegen. Das war schon eine sehr intensive Zeit, in der ich mein Sportlerleben hinterfragt habe. Nach einigen Wochen habe ich dann für mich entschieden, dass mir mein Sport weiter Spaß macht und ich hatte gegen Ende des Winters dann auch noch einen Start beim Continentalcup in Russland.

Wie lief die Vorbereitung auf den Olympia-Winter?

Eigentlich war zu diesem Zeitpunkt der Leistungssport schon nicht mehr die Priorität Nummer eins in meinem Leben, wie zuvor schon seit meiner Schulzeit. Dadurch bin ich wahrscheinlich auch etwas gelassener in das Training gegangen, das wir gegenüber den Vorjahren zudem etwas umgestellt hatten. Am Ende habe ich mich läuferisch und beim Springen in guter Form gefühlt. Deshalb bin ich auch guter Dinge in die Saison gestartet, denn meine physischen Werte waren top. Dann aber musste ich anfangs des Winters gleich vier Stürze hinnehmen, und in Lillehammer war dann der letzte wohl einer zu viel.

Worauf waren die Stürze zurückzuführen. Gab es einen konkret zu bennenden Fehler?

Das Problem war gerade, dass es keinen richtigen Anhaltspunkt dafür gab, warum mein Sprungsystem nach 20 bis 30 Metern einfach nicht mehr funktioniert hat. Die Fehler liefen unbewusst ab und ich konnte auch Korrekturen nicht umsetzen, da war wohl viel Kopfsache dabei. Das Skispringen hatte mir zuvor immer viel Spaß gemacht, jetzt war die Sicherheit verloren gegangen und ich hatte das Gefühl keine Kontrolle mehr über den Sprung zu haben. Das war für mich eine komplett neue Situation.

Wie war das Gefühl nach dem letzen Sprung?

Ich habe nach dem Sturz im Auslauf gelegen, hatte Schmerzen und meine innere Stimme hat gleich gesagt: das war es jetzt. Bei der routinemäßigen Kontrolle im Krankenhaus hat man dann festgestellt, dass keine ernsthaften Verletzungen vorlagen. Ich war aber mental stark angeschlagen, denn ich hatte an mir im Vorfeld auch schon eine Veränderung verspürt. Ich bin eigentlich ein lebensfroher und offener Mensch, hatte mich aber zunehmend zurückgezogen, viel geschlafen, und war nach Trainingseinheiten auf der Schanze ziemlich erschöpft. Ich wollte allerdings noch keine vorschnelle Entscheidung treffen und habe deshalb nach meiner Rückkehr nach Freiburg erst einmal die weiteren Starts im Dezember abgesagt.

Wie ist dann der endgültige Entscheidungsprozess verlaufen? Gab es dabei Hilfe von außen?

Ich habe schon seit einiger Zeit mit einem Mentalcoach zusammen gearbeitet. Auch mein erfahrener Heimtrainer Albert Wursthorn war ein guter Gesprächspartner. Ich habe in der Zeit aber vor allem vieles unternommen, was mir gut getan hat, etwa Skiwanderungen am Feldberg. Dabei hat sich immer mehr heraus kristallisiert, dass ich mich ohne den Spitzensport wohler fühlen werde. Letztlich war die Entscheidung zum Rücktritt eine Erleichterung für mich. Ich glaube, ich habe alles richtig gemacht, denn ich konnte meine Entscheidung im Gegensatz zu anderen Sportlern selbst treffen und habe letztlich auch das erreicht, was ich mir als Kind erträumt habe. Darauf bin ich sehr stolz.

Es bleibt also nicht das Gefühl, die Krönung der Karriere verpasst zu haben?

Es gibt viele, die das nicht erreicht haben, was mir gelungen ist. Ich durfte in der Nationalmannschaft im Weltcup antreten und hatte 2014 ja auch die Nominierungskriterien zur Teilnahme an den Olympischen Spielen erfüllt, bin dann aber nicht nach Sotschi mitgenommen worden. Ich hätte zwar vermutlich keinen Einsatz bekommen, aber dem Selbstvertrauen hätte das sehr gut getan. Denn manchmal fehlt halt auch nur das nötige Quäntchen Glück zum entscheidenden Zeitpunkt, und es geht der Knopf auf.

Gibt es dabei einen Knackpunkt in Ihrer Karriere, an dem es vermutlich in die eine oder andere Richtung hätte gehen können?

Das dürfte mein Sturz beim Weltcup in Val di Fiemme im Januar 2015 gewesen sein. Eigentlich war es ein fast perfekter und sehr weiter Sprung, der mir vermutlich den Sieg eingebracht hätte. Er endete dann aber mit einem Knöchelbruch und einen Riss des Syndesmosebandes. Mit der Unbeweglichkeit im Sprunggelenk hatte ich danach deutlich mehr als ein Jahr zu kämpfen, und das merke ich auch heute noch.

Welche Wettkämpfe sind Ihnen besonders positiv in Erinnerung geblieben?

Gerne erinnere ich mich an meinen ersten Weltcup in Klingenthal, bei dem ich gleich mit Platz 19 Punkte geholt habe. Dann an meinen zweiten Platz im Springen der Kombination von Ramsau, als ich in der Woche zuvor als eigentlich guter Springer bei der Qualifikation in Lillehammer gescheitert war. Dieses Wechselbad der Gefühle war schon sehr verrückt. Und dann an den zweiten Platz im Team zusammen mit Tino Edelmann ausgerechnet auf der Schanze in Val die Fiemme, auf der ich ein Jahr zuvor so schwer gestürzt war und nicht wusste, wie ich damit zurechtkommen würde.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Trainern und Kollegen in der Nationalmannschaft?

Vor allem in den Trainingslagern war das manchmal mit den geforderten Umfängen ein hartes Brot. Es weht schon ein anderer Wind und wird sehr viel von einem gefordert. Aber es hat auch immer Spaß gemacht und ich habe davon profitiert, mich mit den weltbesten Kombinierern vergleichen zu können. Dass die Trainer mit Hermann Weinbuch an der Spitze auch ein gutes Gefühl bei der Trainingssteuerung haben, hat man gerade bei den Olympischen Spielen nochmals gesehen.

Trainertätigkeit wird nicht ausgeschlossen

Wie geht es mit Tobias Haug weiter? Wird man ihn nach dem Vorbild anderer zurückgetretener Kombinierer als Trainer sehen?

Ich habe in Freiburg im Wintersemester ein Studium der Sportwissenschaften begonnen. Im Nordic Center am Notschrei zudem zwischenzeitlich auch Skilanglaufkurse für Anfänger gegeben, denn den A-Trainer-Schein Breitensport besitze ich schon. Ich schließe auch nicht aus, irgendwann als Trainer zu arbeiten, denn ich würde schon gerne andere an meiner Erfahrung teilhaben lassen. Das kann aber auch über Workshops geschehen, an denen ich gerade zusammen mit Rainer Kiefer für Daimler-Manager teilgenommen habe. Es ist interessant zu sehen, wie sich die Abläufe, die man als Spitzensportler über Jahre verinnerlicht hat, auf diesen Bereich übertragen lassen und von den Teilnehmern auch gut angenommen werden. Vor allem werde ich mir jetzt aber erst einmal die Zeit nehmen meinen Freundeskreis zu pflegen.   Die Fragen stellte Arno Schade.