Verstehen sich prächtig: Jonathan Siegel (links) und sein Mentor Klaus Faißt. Foto: Schwark

Ski nordisch: Dürrenmettstetter steht am Anfang von viereinhalbjährigem Studium zum Berufstrainer.

Sein Fokus hat sich ein wenig verlagert. Die Leidenschaft zum Skispringen aber wird den Dürrenmettstetter Jonathan Siegel auch nach seiner aktiven Karriere nicht verlassen. Vielmehr wird sie ein neues Stück Zukunft.

Es war ein Sommer der etwas anderen Art, den Jonathan Siegel in diesem Jahr erlebt hat. Ungewohnt? So weit möchte er nicht gehen – "anders" träfe es schon ganz gut, "und entspannter". Für den 21-Jährigen war es der erste Sommer ohne den klassischen Trainingsalltag, den er als Skispringer zuvor kannte.

Am Ende der Wettkämpfe im Herbst 2018 hat der Dürrenmettstetter einen Schlusspunkt hinter seine aktive Laufbahn gesetzt, im November ging er das letzte Mal vom Bakken. Die Entscheidung aber war schon früher gefallen. "Eigentlich schon im Sommer", sagt Jonathan Siegel nun rückblickend, und er habe diesen Schritt bis heute an keinem Tag bereut. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es keine Erleichterung gewesen wäre", erklärt er. "Dieser Belastungsdruck ist einfach stark abgefallen."

Neue Wege

Die Brücken abgebrochen hat Jonathan Siegel mit seiner Entscheidung aber keinesfalls. Er trainierte noch eine Weile ganz ohne Druck mit, begann zudem mit dem Fußballspielen beim VfR Sulz, wo er zu einem festen Bestandteil der Bezirksliga-Mannschaft geworden ist. "Ich habe da am Anfang viel investiert", sagt er, "auch weil ich einiges aufzuholen hatte. Dass es dann so schnell so gut funktionierte, kam, glaube ich, für alle überraschend." Neun Tore gehen in dieser Saison bereits auf sein Konto, nur acht Spieler der Liga haben bislang mehr erzielt.

Dass er auch in einem anderen sportlichen Bereich Fuß fassen konnte, scheint seinen früheren Trainer und stetigen Mentor Klaus Faißt vom SV Baiersbronn kaum zu wundern. "Jonathan gehört zu denjenigen, die koordinativ sofort alles können", sagt er, "sei es turnerisch, athletisch oder spielerisch". Er könne gerade den Kindern im Training vieles vormachen, "im Handstand durch die Halle, Salto vorwärts und rückwärts, das stellt ihn nicht vor Herausforderungen. Er hat ein Riesentalent", erklärt Faißt.

"Wie ein Deja-Vu"

"Ein bisschen wie ein Deja-Vu aus Kindheitstagen" erlebt Jonathan Siegel deshalb die Zeit in den vergangenen Wochen und Monaten, seitdem er Klaus Faißt bei der Trainingsarbeit des SV Baiersbronn unterstützt. Und daraus ist mittlerweile wesentlich mehr geworden: Am 1. Oktober hat Siegel die Berufstrainerausbildung des Deutschen Skiverbandes (DSV), das "DSV-Verbundstudium zum Trainer im Skisport" aufgenommen. Die C-Trainerlizenz hat er bereits, die B- und A-Lizenzen werden folgen. Im Rahmen des viereinhalbjährigen Studiums wird Siegel zum Diplomtrainer ausgebildet, macht seinen Bachelor in der Sportwissenschaft in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig sowie den IHK-Sportfachwirt.

Bereits im Juli war im Baiersbronner Gemeinderat offiziell beschlossen worden, dass sich die Gemeinde – neben Siegels Arbeitgeber, der SWB-Leistungssport-GmbH und dem DSV – an der Finanzierung der Trainerausbildung beteiligen würde. Als "Ehre" empfindet Siegel diese Möglichkeit. Derzeit arbeitet er dienstags und mittwochs bei der Baiersbronn Touristik, leitet zudem eine Sport-AG an der Wilhelm-Münster-Schule, unterstützt und leitet Trainingseinheiten beim SV Baiersbronn.

"Im Frühjahr, wenn die Wettkampfsaison vorbei ist", sagt Klaus Faißt, "wird es weitere Planungen geben, wer welche der drei Trainingsgruppen übernehmen wird". Noch bis September 2020 ist Faißt in gewohnter Form tätig, im Anschluss gelte es zu sehen, wie die Lage bei Jonathan Siegel ist, wie häufig er für Lehrgänge und Schulungen weg muss. "Hängen lassen werde ich den Verein nicht", hebt Faißt hervor. Wohl aber wird er sich sukzessive etwas zurückziehen.

Viele Gespräche

Diese Tatsache hatte auch Jonathan Siegel im vergangenen Winter aufgerüttelt: "Ich habe die Situation beim SV Baiersbronn mitbekommen und hatte viel Kontakt zu Christoph Klumpp (Cheftrainer Nachwuchs beim DSV, Anm. d. Red.). Ihn habe ich mit dem B-Kader nach Zakopane begleiten dürfen." Das habe ihm gezeigt, dass er sich durchaus in der Trainerrolle sehen könne.

Die Entscheidung, diesen Weg tatsächlich einzuschlagen, hat sich Jonathan Siegel dennoch gut durch den Kopf gehen lassen. Sein Bruder David hat ihn in der Entscheidungsfindung unterstützt, berichtet Siegel: "Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir mit vielen Gesprächen so geholfen hat. Er ist einfach bodenständig geblieben, das schätze ich sehr." Auch die Gemeinde habe ihm viel Kraft gegeben.

Ungebrochener Ehrgeiz

Was er von seinem Mentor Klaus Faißt in all den Jahren gelernt hat und weitergeben will? "Es gibt ein Zitat von ihm, das mich von Anfang an begleitet hat", sagt Siegel und lacht: "Der Mensch ist von Natur aus wasserdicht, sagt Klaus immer. Das mag einfach klingen, aber es steckt viel dahinter. Man kann bei jedem Wetter trainieren, das schult Durchhaltevermögen und Ehrgeiz. Dazu strahlt Klaus eine natürliche Autorität aus, zieht seine Vorstellungen konsequent durch und hat eine wahnsinnige Präsenz, mit der er Menschen mitreißen kann", sagt Siegel.

Ein Vorbild, an dem sich der junge Dürrenmettstetter aufrichten kann und will. Sein Ehrgeiz jedenfalls scheint ungebrochen – ob nun als Sportler oder künftig als Trainer.