Mit einer Steigerung gegenüber dem Training und den vorherigen Rennen eroberte Andrea Rothfuss gleich im einleitenden Abfahrtslauf von Pyeongchang die erste Medaille. Foto: Oliver Kremer/DBS

Para Ski alpin: Loßburgerin Andrea Rothfuss holt bei Speedrennen zwei auch für sie überraschende Silbermedaillen.

Da war Andrea Rothfuss selbst von sich überrascht. Nach den ersten beiden Wettkampftagen der 12. Winter-Paralympics in Pyeongchang stehen bereits zwei Silbermedaillen auf dem immer weiter wachsenden Erfolgskonto der alpinen Para-Skiläuferin aus Loßburg.Und fast hätte es im Super-G sogar das angestrebte Gold gegeben.

"Im ersten Moment ist es schon ärgerlich, wenn man sieht, dass es so knapp ist. Doch ich hätte nicht gedacht, dass ich nach den Speed-Disziplinen zwei Silbermedaillen habe. Das ist mehr, als ich erwartet hatte", sagte die 28-Jährige vom SV Mitteltal-Obertal. Schließlich sei das Niveau in den vergangenen Jahren weiter angestiegen. "Es gibt immer mehr, die aufs Podium fahren können. Das ist kein Selbstläufer, wir rücken immer enger zusammen."

Kleiner Rückstand sorgt für Selbstvertrauen

Mit ihrer persönlichen Bilanz nach dem ersten Wettkampfwochenende kann sie sehr zufrieden sein. Vor vier Jahren erreichte sie in Sotschi in beiden Speeddisziplinen das Ziel nicht, ehe sie in den technischen Wettbewerben zuschlagen konnte und den Slalom gewann. Das ist auch jetzt ihr Plan: "Ich bin Marie schon sehr nahe gekommen. Jetzt will ich sie auch noch einmal schlagen und wieder Gold gewinnen."

Wie eng die Rennen auch bei den Para-Skifahrerinnnen mittlerweile ausgefahren werden, demonstrierte l mehr der Super-G in den stehenden Frauenklassen.Die klare Favoritin Marie Bochet aus Frankreich hatte eine frühe Startnummer und wirkte bei ihrer Fahrt nicht ganz so souverän wie von ihr unter anderem bei ihrem Sieg in Sotschi vor vier Jahren gewohnt. Kurz vor Schluss leistete sie sich noch einen weiteren gravierenderen Fahrfehler und nahm kopfschüttelnd und sichtlich unzufrieden in der Box der Spitzenreiter ihren Platz ein.

Die große Favoritin muss um Sieg zittern

Nur kurz zittern musste sie jedoch bei den Fahrten der nachfolgenden Konkurrentinnen, ehe die Startnummer 20 aufgerufen wurde. Andrea Rothfuss, sichtlich von ihrem Erfolg des Vortags mit dem bereits unerwarteten zweiten Platz in der Abfahrt beflügelt, katapultierte sich bereits auf die ersten Meter der vom amerikanischen Trainer Kevin Jardine gesteckten strecke, die einige Tücken und "blinde" Tore hinter Kuppen aufwies.

Gut besichtigt hatte offensichtlich die 28_jährige Auszubildende zur Sport- und Fitnesskauffrau, die sich bereits bei der zweiten Zwischenzeit einen Vorsprung von 16 Hundertstelsekunden auf ihre Dauerrivalen herausgefahren hatte. Als die Uhr erneut stehen blieb, war die Führung sogar auf 0,23 Sekunden angewachsen. Kurz vor und im Zielhang aber unterliefen Andrea Rothfuss noch leichtere Fehler, die sich letztlich in einem Rückstand von 0,27 Sekunden nieder schlugen. In 1:32,83 min holte die sichtlich erleichterte Marie Bochet ihre sechste Goldmedaille bei Paralympics vor der Loßburgerin, die i mit ihrer Zeit von 1:33,10 min deutlich vor der Bronzemedaillengewinnerin Alana Ramsay aus Kanada (1:35,20) lag.

Am Tag zuvor war ihr schon kurz nach der Zieldurchfahrt klar gewesen, dass sie beim ersten Wettbewerb der Winter-Paralympics in Pyeongchang einen sehr guten Lauf hingelegt hatte. Ihr Jubel war trotz noch einiger ausstehender Konkurrentinnen auch nicht verfrüht, denn am Ende feierte sie mit dem Gewinn der Silbermedaille im Abfahrtslauf einen beinahe perfekten Einstand auf den Pisten von Jeongseon.

Eine Medaille, die nach gerade in dieser Disziplin nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Während des gesamten Winters waren die geplanten Speedrennen zunächst den jeweils schlechten Wetterbedingungen an den geplanten Weltcup-Austragungsorten zum Opfer gefallen. Einzig beim Weltcup-Finale in Kimberley konnte ein Abfahrtsrennen ausgetragen werden, bei dem die für den SV Mitteltal-Obertal startenden Para-Alpinskiläuferin einen Podestplatz verpasste.

Große Verbesserung nach schwachem Training

Und auch der erste, und nach folgenden starken Schneefällen auch einzige Trainingslauf war nicht nach den Vorstellungen von Andrea Rothfuss verlaufen. Mehr als sechseinhalb Sekunden betrug als Fünfte ihr Rückstand auf die Französin Marie Bochet, die Unsicherheit vor dem dann bei optimalen äußeren Bedingungen ausgetragenen Rennen war groß. „Ich war vor dem Start ziemlich nervös“, gestand die Loßburgerin nach dem Rennen, in das sie dann auf einer anspruchsvollen Piste mit vielen trickreichen Geländeübergängen aber gut startete. Unbeeindruckt auch vom Sturz der unmittelbar vor ihr gestarteten Mitfavoritin und Trainings-Zweitschnellsten Anna Jochemsen (Niederlande) ging Andrea Rothfuss auf die mit 2,4 Kilometern ungewöhnlich lange Strecke, spielte bei den gegenüber den Vortagen veränderten Bedingungen ihre große Erfahrung bei der vierten Teilnahme an Paralympics aus und legte gleich gute Zwischenzeiten hin. 0,34 Sekunden betrug ihr Rückstand auf die zuvor gestartete Paralympicsiegerin von 2014, Marie Bochet, bei der ersten Zeitmessung, als die Uhr ein zweites Mal stehen blieb, lag sie 1,16 Sekunden zurück. Auch in der Folge war sie schnell auf Zug in den Kurven unterwegs und verhinderte bis zur dritten Zwischenzeit den Rückstand sogar auf viel versprechende 0,95 Sekunden.

Dann aber geriet sie in einer Passage in Richtung Ziel kurz ins Straucheln, musste ihre Position verlassen und in den folgenden Kurven im Kampf um die beste Linie einige Meter zusätzlich zurücklegen. Im Ziel leuchtet auf der Anzeigetafel neben ihrer Zeit von 1:32,53 min die "2" hinter Marie Bochet (1:30,30) auf, und auf diesem Platz sollte sie auch in der Folge bleiben.