Peter Flaig ist Sportredakteur unserer Zeitung und schreibt täglich eine Kolumne von der nordischen Ski-WM in Lahti.
"Let’s make FINLAND greater than ever", strahlt mich ein massiger Finne am Morgen von der Titelseite der größten hiesigen Tageszeitung "Helsingin Sanomat" in Donald-Trump-Manier an.
Jussi Paaso ist der Chef einer Finanz-Dienstleistungsfirma – und die ganze Seite 1 des Blatts immer eine Anzeige. Was sind schon die Nachrichten der Welt, wenn Jussi verspricht, dich, dein Unternehmen und dein Land groß, größer, am größten zu machen? Weiter hinten berichtet die Zeitung von schlauen Schamanen, die angeblich in Lappland Achsel- und andere Haare an doofe Esoterik-Touristen verkauft haben.
Solche Geschichten liest man hier gern – wo Unverheiratete zum Mittsommerfest dreimal nackt um ein dreieckiges Feld laufen, um ihrem zukünftigen Ehepartner zu begegnen – oder nackt in einen Brunnen schauen, um dessen Antlitz zu erblicken. Wo der Hirsch "deutscher Elch" heißt und wo die Apotheken im Winter Rekordumsätze mit Anti-Depressiva machen, weil es einfach nicht richtig hell werden will. Wo der bei uns angeblich "goldene" Oktober übersetzt "Drecksmonat" heißt.
Und wo 543210 eine besondere Bedeutung hat, die jeder kennt, weil am 5. 4. 32 um 10 Uhr der erste staatliche "Alko"-Laden die gesundheitsgefährliche Schwarzbrennerei (und ein 13-jähriges Verkaufs-Verbot) beendet und harte Alkoholika zugänglich gemacht hat. Unter dem Einfluss dort verkaufter Wirkstoffe sind wohl auch die über die Landesgrenzen bekannten, skurrilen Meisterschaften entstanden: im Handy- oder Gummistiefelweitwurf, im Schlammfußball, im Lügen, im Sommer-Eisfischen und Luftgitarrespielen, im Frauentragen oder im Eisenstangen-Nordic-Walking. Die Liste wird ständig ergänzt und immer länger.
Doch ich muss jetzt der Heimat der Monsterrocker Lordi, der Humppa-Band Eläkeläiset und des Opernfestivals in Savonlinna, der vielen Äs und Ös und Üs den Rücken kehren. "Moi moi" – tschüss, oder: "Näkemiin Suomi", auf Wiedersehen, Finnland. Vielleicht sollte ich im Sommer wiederkommen, wenn auch Jussi seine Finanzfirma abgeschlossen hat, um sich in sein Mökki, sein Sommerhaus, in einem hauptsächlich von Stechmücken besiedelten Gebiet zurückzuziehen, wo er seine Stunden dann mit Saunagängen, Saufen und Angeln zubringt.
"Finnland ist im Sommer geschlossen", sagt ein Sprichwort. Und ein weiteres: "Der finnische Sommer ist schneearm." Wenn das keine guten Aussichten sind.
Zur Person:
Peter Flaig ist Sportredakteur unserer Zeitung und berichtet von der WM in Lahti.
