Unser Mann bei der nordischen Ski-WM in Lahti: Peter Flaig. Foto: sb

Peter Flaig ist Sportredakteur unserer Zeitung und schreibt täglich eine Kolumne von der nordischen Ski-WM in Lahti.

"Ei Liipola", schnauzt mich der Busfahrer an, "nicht Liipola". Liipola ist der Ortsteil von Lahti, in dem ich wohne, und offensichtlich fährt der Bus, in den ich eben eingestiegen bin und dessen Fahrer ich gefragt habe, ob er nach Liipola fährt, eben dort nicht hin. "Sorry?" frage ich nach, und der Fahrer wird im Ton noch ungemütlicher: "Ei Liipola", raunzt er, öffnet die Tür und schmeißt mich raus.

Er ist sauer, weil ich ihn ohne Grund gezwungen habe anzuhalten. Denn in Finnland reicht es nicht aus, nur an der Bushaltestelle zu stehen. Das ist doch kein Grund für einen Busfahrer, um anzuhalten! Gott bewahre! Da muss der Möchtegern-Fahrgast schon aktiv werden und wie ein Tramper den Stopp des Busses erzwingen.

Das habe ich getan. Aber wegen nichts! Ein bisschen verwirrt bin ich schon wegen der unwirschen Art, aber ein finnischer Kollege klärt mich auf: "Das ist doch höflich! Der Busfahrer hat dich mit wenigen Worten darauf aufmerksam gemacht, dass du nicht mitfahren kannst, weil du einem Irrtum erlegen bist." Ach so! Das war höflich! Klar! Jetzt weiß ich auch, warum es im Finnischen kein Wort für "bitte" gibt, sondern nur eine umständliche Umschreibung, die keiner verwendet: weil viele Worte unhöflich sind! Einleuchtend.

Aber dass ich als Stoffel gelte und abschätzige Blicke der anderen Buspassagiere ernte, wenn ich mich nicht mit einem "Kiitos" ("Danke") beim Busfahrer bedanke, wenn er mir die Tür zum Aussteigen öffnet, das steht offenbar auf einem anderen Blatt. Finnen haben eine ganz eigene Definition von "Höflichkeit". Ich versuche schon, seit ich hier bin, meine Nachbarn zu grüßen, doch die schauen nur zur Seite. "Das ist unhöflich", sagt mein finnischer Kollege. Sag ich doch! "Ja, von dir! Du bist aufdringlich!" Ach so.

Deshalb hat mir auch keiner geholfen, als ich auf der glatten Straße voll in den Schnee gerauscht bin. "Nein, die haben nur deshalb höflich weggeschaut, weil das doch peinlich für dich ist", klärt mich der Kollege auf. Man muss im Bus an den anderen vorbeischauen, im Fahrstuhl den Atemstrom an den Mitmenschen vorbeileiten, keinen unnützen Smalltalk halten und Busse nicht unnütz anhalten. Es ist schwer, finnische Höflichkeit zu lernen. "Wieso?", fragt mein finnischer Kollege plötzlich in einem ganz scharfen Ton, wendet sich ab und geht weg.

Wahrscheinlich hat er meine Äußerung als Kritik aufgefasst und mich auf äußerst finnisch-höfliche Weise auf mein Fehlverhalten aufmerksam gemacht.

Zur Person:

Peter Flaig ist Sportredakteur unserer Zeitung und berichtet täglich aktuell von der nordischen Ski-WM in Lahti.