Foto: Schilli Foto: Schwarzwälder-Bote

Skisprung-Landestrainer bereitet elf Talente aus Baden-Württemberg in Lillehammer auf den Winter vor. Schwarzwälder haben etwas den Anschluss an die deutsche Spitze verpasst. Nachwuchscoaches werden dringend gesucht

Andreas Wellinger, Richard Freitag oder Markus Eisenbichler. Die deutschen Skispringer sind furios in den Winter gestartet, wecken Erinnerungen an die glorreichen DSV-Zeiten von Martin Schmitt oder Sven Hannawald. Selbst Rolf Schilli, Landestrainer der baden-württembergischen Skispringer und Bundesstützpunktleiter in Hinterzarten, ist vom Aufwind der deutschen Sprung-Asse etwas überrascht. Doch ein Schwarzwälder mischt derzeit nicht ganz vorne in der nationalen Elite mit. Auch um den hiesigen "Adlern" wieder Flügel zu verleihen, war der 51-jährige Schönwälder mit elf baden-württembergischen Talenten im norwegischen Lillehammer, um diese mit rund 60 Schneesprüngen auf die ersten Deutschland-Cup-Wettbewerbe einzustimmen. Dort bereitete sich zeitgleich auch Team-Olympiasieger Gregor Schlierenzauer auf seinen Weltcup-Einstieg am Wochenende in Neustadt vor.

Herr Schilli, wie haben sich Ihre Schützlinge im Vergleich mit Gregor Schlierenzauer auf den Schanzen in Lillehammer geschlagen?

Mit "GS" sollen sie sich noch nicht vergleichen, aber sie haben ihre Sache wirklich gut gemacht. Es ist natürlich für die Springer immer toll, wenn sie so eine Vergleichsmöglichkeit haben. Dazu waren noch viele Talente aus Österreich am testen. Ich kann sagen, dass ich mit unseren Springern sehr zufrieden war. Die ersten Wettbewerbe können kommen.

Welche Sportler waren in Lillehammer dabei?

Dies waren Dominik Mayländer (Degenfeld, unser großes Bild), Justin Nietzel, Quirin Modricker, Jannik Idesheim (alle Hinterzarten), Daniel Rehm (Meßstetten), Benjamin Prestel (Degenfeld), Claudio Haas, Tim Hettich, Lorenz Effinger (alle ST Schonach-Rohrhardsberg), Finn Braun (Baiersbronn) und Kevin Kern (Meßstetten).

Und wer von diesen Talenten ist am nächsten dran, in die großen Fußstapfen von Wellinger und Co. zu treten?

Alle haben großes Potenzial. Dominik Mayländer hat sich für den ersten Continental-Cup am Wochenende im kanadischen Whistler qualifiziert. Für die anderen Springer geht es darum, sich über den Deutschland-Cup, der am Wochenende in Seefeld beginnt, für höhere Aufgaben zu empfehlen. Da geht es dann um Alpencup- und Fis-Cup- Einsätze.

Was ist mit der Junioren-WM Ende Januar in der Schweiz?

Da wollen wir natürlich auch mit einigen Baden-Württembergern vertreten sein. Jonathan Siegel (Baiersbronn) und Luca Roth (Meßstetten) haben da ganz gute Chancen.

Allerdings kommen diese beiden Top-Talente für einen Weltcup-Einsatz am Wochenende in Neustadt nicht in Frage.

So ist es. Es gibt in Neustadt keine zusätzliche nationale Gruppe. Diese wird bei den Springen der Vierschanzentournee in Oberstdorf und Garmisch genutzt. Mal schauen, wie es dann aussieht. In Neustadt ist es mit größer Wahrscheinlichkeit so, dass das derzeit so erfolgreiche DSV-Team nicht verändert wird.

Also wird kein Schwarzwälder beim Heim-Weltcup über den Bakken gehen. Hätten Sie damit gerechnet, dass die DSV-Adler so stark in den Winter starten?

Das kommt für mich schon etwas überraschend. Seit der DM Anfang Oktober gab es im deutschen Team große Fortschritte. Es freut uns alle sehr, dass die DSV-Springer bisher so gute Leistungen abgerufen haben. Eine solche Dominanz in der Breite gab es ja nicht einmal zu Zeiten von Martin Schmitt. Das ist auch sehr positiv für den Weltcup in Neustadt. Ich hoffe, dass sehr viele Fans unsere Springer anfeuern.

Apropos Dominanz. Weshalb bestimmen denn derzeit Springer aus anderen Landesverbänden in Deutschland das Geschehen?

Im Juniorenbereich sind wir in Baden-Württemberg sehr gut aufgestellt. Doch danach haben viele Talente Probleme, auch bei den Aktiven ganz vorne mitzumischen. Es geht also um die Anschlussleistung im Aktivenbereich. Dort müssen wir definitiv besser werden.

Wie könnte dies funktionieren?

Wir brauchen eine Person, die am Bundesstützpunkt in Hinterzarten sowohl im Winter als auch im Sommer für die Sportler da ist, sich permanent um die Skispringer kümmert, wenn die Kadertrainer unterwegs sind. Zudem geht es darum, das Schanzenprofil in Hinterzarten der heutigen Zeit anzupassen. Die modernen Schanzen haben andere Radien. Aber da sind wir in Hinterzarten dran, dies in naher Zukunft zu verändern. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich, dass bald wieder Baden-Württemberger am Weltcup anklopfen werden. Und dann haben wir noch die Skispringerinnen. Da sind Olympiasiegerin Carina Vogt (Degenfeld), Svenja Würth (Baiersbronn) oder Anna Rupprecht (Degenfeld) ja stark in den Weltcup-Winter gekommen. Dazu hat auch Ramona Straub (Langenordnach), die auch in Lillehammer dabei war, natürlich die Fähigkeiten, im Weltcup für Furore zu sorgen.

Wie steht es eigentlich um die ganz jungen Talente in der Region?

Da ist es besser geworden. Wir haben jetzt mehr Zulauf, da sich die Nachwuchsgewinnung verbessert hat, was sicher auch an den PistenBully-Grundschulcups liegt. Über diesen kommen Kids zum Schneesport und finden den Weg in die Vereine. Ganz wichtig ist da auch Philipp Rießle, der die Nachwuchsarbeit sehr belebt.

Wobei es in Sachen Nachwuchstrainer besser aussehen könnte.

Dies ist richtig. Es wird immer schwieriger, Nachwuchstrainer zu finden.

Wie könnte sich dies ändern?

Wir müssen dafür sorgen, dass Ehrenämtler weniger Zeitaufwand haben. Da wäre/ist die Zusammenlegung von Veranstaltungen eine Möglichkeit. Alles sollte kompakter werden. So müssten Trainer und Betreuer weniger Zeit investieren. Zudem sollte der Austausch zwischen Ehrenämtlern und Hauptämtlern verbessert werden. Das Miteinander sollte aus meiner Sicht wieder mehr gepflegt werden. Zusammen können wir für den Schneesport in Baden-Württemberg noch sehr viel bewegen.  Die Fragen stellte Gunter Wiedemann