IAbgestimmtes Duo in seinem Element: die Skilangläuferin Vivian Hösch (rechts) mit ihrem Begleitläufer Florian Schilling vergangenen Januar beim Para Weltcup in Oberried. Foto: Schwarzwälder Bote

Paralympics: Vivian Hösch und ihr Baiersbronner Begleitläufer nehmen Medaillen ins Visier. Mit Interview

Er galt als eines der größten deutschen Talente in der Nordischen Kombination, war für den SV Baiersbronn Mannschafts-Juniorenweltmeister und Zweiter im Einzelrennen. Den Sprung nach ganz oben aber schaffte der Glattener Florian Schillinger nicht, der sich nach seiner ersten Karriere als Begleitläufer der blinden Skilangläuferin und Biathletin Vivian Hösch in ein zweites sportliches Abenteuer stürzte. Mit großen Erwartungen ist das Duo zu den noch bis Sonntag laufenden Winter-Paralympics gereist, musste bisher aber einige Rückschläge einstecken. Über die Situation in Pyeongchang und seine Pläne für die Zukunft hat der Schwarzwälder Bote mit dem 33-Jährigen gesprochen.

Herr Schillinger, die Paralympics sind fast schon wieder vorbei. Wie sind sie bisher für das Duo Hösch/ Schillinger verlaufen?

Florian Schillinger: Eigentlich konnte es für uns tragischer nicht laufen. Schon auf den Biathlonsprint am ersten Tag hatten wir viele Hoffnungen gesetzt. Die Form nach den Trainingslagern in Livigno und Ridnaun war gut und alles war gerichtet. Auch in den ersten zwei Tagen nach unserer Ankunft in Pyeongchang war Vivian gut drauf und hat sich auf den Trainingsstrecken sehr wohlgefühlt. Doch dann kam der Rückschlag.

Was ist vor dem ersten Wettkampf geschehen?

Ich selbst war etwas angeschlagen wegen einer Erkältung mit Schnupfen und Husten angereist, der Flug hat dann auch nicht gut getan. Die letzte Woche in Ridnaun war sehr kalt, vielleicht habe ich mich auch bei einem meiner beiden Kinder angesteckt. Schlimmer war aber, dass auch Vivian, wie andere in der Mannschaft, plötzlich mit ähnlichen Symptomen kränkelte und wir deshalb zwei Tage mit dem Training aussetzen mussten. Wir sind dann aber dennoch am ersten Wettkampftag an den Start gegangen.

Wie ist das Rennen dann verlaufen?

Eigentlich war es noch in Ordnung. Dass wir nach diesen Voraussetzungen läuferisch nicht top sein würden, war zu erwarten gewesen. Eventuell kam der Einsatz aber doch zu früh, denn danach hat sich der Gesundheitszustand von Vivian Tag für Tag verschlechtert. Aus der Erkältung wurde eine Angina mit Mandelentzündung, einige Tage ging überhaupt nichts mehr. Mitte der Woche waren die Symptome dann langsam am Abklingen.

Sind daher weitere Starts bei den Paralympics noch möglich?

Fünf Tage ganz ohne Training machen sich zwar bemerkbar, aber vielleicht klappt es noch mit einem Einsatz über die Biathlon-Langstrecke. Wenn nicht, gehen wir vielleicht heute über die Langlauf-Mittelstrecke an den Start, auch wenn wir im klassischen Stil praktisch überhaupt nicht trainiert und uns auf den Biathlon und die freie Technik konzentriert hatten. Eine Restchance besteht auch noch für einen Einsatz am Sonntag in einer Staffel, aber das müssen die Trainer entscheiden.

Mit wie viel Wehmut habt Ihr den Lauf Eurer Kollegin Clara Klug zur Bronzemedaille im Biathlon-Mittelstreckenrennen verfolgt, denn das hätte wohl auch Euer Rennen werden sollen?

Das ist richtig, darauf hatten wir schon unseren Fokus gelegt. Wie sich im Lauf der Saison gezeigt hat, läuft Vivian auf einem sportlichen Niveau mit Clara; da entscheidet immer die Tagesform, wer die Skispitze vorne hat. Klar freuen wir uns für sie und ihren Begleitläufer, aber diese Leistung hätten wir uns auch zugetraut. Umso mehr, da andere Athletinnen mit ihren Schießfehlern die Tür zu der erhofften Bronzemedaille weit offengelassen haben. Auf diesen dritten Platz hatten wir auch geschielt, das gebe ich gerne zu.

Wie beurteilen Sie die Bedingungen bei den Paralympics in Südkorea?

Wir kennen das hier ja schon von den Wettkämpfen im Vorjahr, und anfangs war alles deutlich besser als erwartet. Nach dem Ende der Olympischen Spiele hatten sie hier einen unerwarteten Wintereinbruch, und die 20 Zentimeter Neuschnee haben den Strecken sehr gut getan. Mittlerweile sind allerdings die Temperaturen wieder deutlich nach oben gegangen und es ist bei bis zu 17 Grad sehr schwer, den tiefen und sulzigen Schnee richtig zu präparieren. Vor allem die Blinden haben es in der Loipe dann doppelt schwer. Auch optisch sieht es jetzt im Skistadion mit dem mittlerweile dreckigen Schnee nicht mehr so gut aus wie zu Beginn der Spiele.

Können die Verantwortlichen etwas dagegen unternehmen?

Ich finde generell, man sollte bei der Vergabe der Olympischen Winterspiele und Winter-Paralympics wieder mehr traditionelle Skiorte berücksichtigen. Die derzeitige Entwicklung ist für den Wintersport eher tragisch.

Wie ist die Stimmung im Lager der deutschen nordischen Para-Skiläufer?

Natürlich war nach dem nicht so erfolgreichen Abschneiden am ersten Wettkampftag eine leichte Enttäuschung zu spüren, weil eigentlich alle unter den Erwartungen geblieben waren. Mittlerweile hat sich das aber deutlich gebessert. Andrea Eskau bringt ihre Leistung und hat schon für einige Medaillen gesorgt. Der Freiburger Schlittenfahrer Martin Fleig hadert noch etwas mit sich und seinen Leistungen. Es ist im Team ein Auf und Ab.

Wie sind die äußeren Bedingungen bei den Paralympics?

Ich wohne zum ersten mal im Paralympischen Dorf und muss schon sagen, dass dort durch das Treffen mit den anderen Sportlern aus vielen Nationen ein ganz besonderes Flair herrscht. Das Essen ist vielfältig und super, und es gibt auch etliche Freizeitmöglichkeiten. Etwas ungewohnt ist es, dass unsere Quartiere bereits verlauft wurden und daher die Küchen und andere Wohnbereiche mit einer Schutzfolie abgedeckt und für uns nicht nutzbar sind. Generell läuft hier alles aber viel entspannter ab als noch vor vier Jahren in Sotschi, vor allem hinsichtlich der damals aus meiner Sicht übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen.

Konnten Sie neben den Langlauf- und Biathlon-Wettbewerben schon andere Sportarten vor Ort verfolgen?

Nein, denn meine Tage waren bisher voll ausgefüllt. Nach dem Ausfall meiner Läuferin habe ich wie bei den letzten Paralympics das Technikteam verstärkt und war hauptsächlich im Wachsraum zu Gange. Man bekommt natürlich die anderen Ergebnisse mit und vor allem die Rollstuhlcurler haben am Anfang mit ihren Siegen einen kleinen Hype im Team ausgelöst.

Gab es schon Besuche im Deutschen Haus?

Es ist hier ja eigentlich kein Deutsches Haus wie bei den Olympischen Spielen, sondern ein Alpenhaus, da auch die Österreicher und Schweizer es als Begegnungsstätte nutzen. Das ist auch gut so, denn das Gebäude ist sehr weitläufig. Vor allem, wenn dort Medaillengewinner aus den drei Ländern empfangen werden, herrscht schon eine tolle Stimmung.

Zu einem etwas negativen Thema. Wie bewerten Sie die kurzfristige Startfreigabe für die unter Dopingverdacht stehende russische Läuferin und direkte Konkurrentin Lysova?

Das ist eine ganz schwierige Angelegenheit. Zum einen muss ich sagen, dass sie immer ihre Leistung bringt und auch kein positiver Dopingtest von ihr vorliegt. Ich möchte auch nicht ausschließen, dass Sportler in Russland ohne ihr Wissen manipuliert worden sind. Deshalb hätte ich auch persönlich kein Problem damit, ihr die Hand zu geben.

Aber?

Andererseits gibt es Indizien einer Manipulation der Dopingproben und sie steht auf einer Mc Laren-Liste, die wir einsehen konnten. Die kurzfristige Entscheidung und die Art und Weise, wie sie nachträglich noch die Startberechtigung bekommen hat, ist allerdings sehr fragwürdig und hat uns als Mannschaft überrascht. Eigentlich hat unser Pressesprecher Benjamin Schieler davon mehr aus Zufall Wind bekommen, ohne dass die Trainer und Offiziellen informiert worden sind. Ich finde daher vor allem, dass das IPC in dieser Sache versagt und versäumt hat, ein klares Zeichen zugunsten der sauberen Athleten zu senden. Ich befürchte, dass sportpolitische Machtspiele auf dem Rücken der Sportler ausgetragen werden.

Wie geht es nach Pyeongchang für Sie weiter? Lockt noch Peking 2022?

Nein, ich werde nach den Paralympics als Begleitläufer aufhören und im Laufe des Sommers auch aus der Bundeswehr ausscheiden. Ab dem 1. September werde ich als Sportwissenschaftler für die deutschen Nordischen Kombinierer tätig sein. Ich bin von Hermann Weinbuch schon vor zwei Jahren darauf angesprochen worden, und der Deutsche Skiverband wollte mich eigentlich schon damals verpflichten, aber ich hatte Vivian schon meine Zusage gegeben, sie bis zu den Paralympics 2018 zu begleiten. Jetzt freue ich mich aber auf die neue Aufgabe, nachdem ich bereits im letzten Sommer bei einigen Lehrgangsmaßnahmen der Kombinierer dabei war. Ich kenne viele Sportler noch persönlich und kehre sozusagen zu meinen sportlichen Wurzeln zurück. Dass ich dazu am Olympiastützpunkt Freiburg angestellt werde, passt auch zu meinen privaten Plänen, da ein Hausbau in Hinterzarten, dem Heimatort meiner Frau, auf dem Programm steht.  

Die Fragen stellte Arno Schade.

Anm. d. Red.: Das Langlauf-Duo Hösch/Schillinger ist am Freitag nicht an den Start über die Langlauf-Mittelstrecke gegangen. Das Interview hatten wir bereits im Vorfeld geführt.