David Siegel hat großes Talent. Foto: Eibner

Skispringen: Talent vom SV Baiersbronn richtet nach Kreuzbandriss Blick nach vorne.

"Abgehakt". Mit nur einem Wort tut David Siegel die vergangene Saison ab. Der talentierte Skispringer des SV Baiersbronn richtet den Blick nach vorne. Unter den Besten möchte er wieder mitmischen – aber ganz so einfach ist das nicht.

Auch wenn sich der Dürrenmetstetter auf einem guten Weg wähnt, "es steht viel an, vor allem in der Athletik. Kräftemäßig gilt es viel aufzuarbeiten", sagt das 23-jährige Ausnahmetalent am Dienstagmittag. Da sitzt er gerade in seiner Wohnung in Titisee- Neustadt, ist seit Wochen, ja Monaten, zum Zuschauen verdammt. Zuschauen dabei, wie sich seine Mannschaftskollegen auf die bevorstehende Wintersaison vorbereiten. Er gönnt es ihnen, wäre aber so gerne selber dabei.

Aus in Form seines Lebens

Rückblende: Es ist der 19. Januar dieses Jahres. Siegel nimmt auf der Schanze im polnischen Zakopane Anlauf, ist in der Form seines Lebens. Im Teamwettbewerb sollte er seinen ersten Weltcupsieg holen. In seinem zweiten Durchgang stürzt er nach der Landung jedoch schwer und zieht sich dabei einen Kreuzbandriss zu. Es ist das Saison-Aus für ihn nach einem Sprung auf 142,5 Meter. Ein Sprung, mit dem er einen Meter weiter als der bis zum Wettkampfbeginn gültige Schanzenrekord von Kamil Stoch geflogen worden war. Siegel aber kann den Sprung bei der Landung nicht abfangen.

Siegel hat all das nicht vergessen, "es war ja meine bisher beste Saison", sagt er. Aber einfach hinschmeißen? Kommt für ihn nicht in Frage. Die OP direkt zwei Tage danach sei mehr als gut verlaufen, ein Spezialist aus München nimmt sich ihm an und kümmert sich um ihn. "Er sollte das Knie wieder so herstellen, dass ich künftig weitere Topleistungen abrufen kann", sagt Siegel. Ob der gelungenen Operation könne er sich "nicht beklagen. Seitdem geht es ohne Rückschläge immer weiter aufwärts".

Und doch blickt Siegel nochmal zurück, angekommen im Aufbautraining in der Halle, "das ist etwas ganz anderes ohne die äußeren Einflüsse an der frischen Luft". Sein bislang bestes Einzelergebnis hat er doch erzielt bis vor dem Sturz. Die Vierschanzentournee als vermeintlicher "No-Name" in der Gesamtwertung auf Platz 22 abgeschlossen. "Ich hatte eine richtig gute Phase, und die hätte ruhig ein bisschen länger andauern können. Es ist eben so".

Dass es so ist, davon kann Siegel wahrlich ein Lied singen. Bereits 2016 musste er seinen Comeback-Versuch beim Continental-Cup in Engelberg in der Schweiz abbrechen, Schmerzen im Sprunggelenk, Pause von unbestimmter Dauer.

Wie also den erneuten Rückschlag wegstecken, wie zu alter Form zurückkommen? Siegel hat dafür zwei Antworten parat. Die Erste: "Zugegeben ist es mühsam sich wieder heranzukämpfen. Aber man muss sich sagen, dass man das alles nicht macht, weil man unbedingt muss, sondern weil man Spaß daran hat". In der Zeit abseits des Schanzen-, Zuschauer- und Medienrampenlichts, habe er – zweitens – "Zeit für andere Sachen. Der bittere Schlag ins Schlamassel hatte auch etwas Gutes. Ich verbringe seitdem viel Zeit mit der Gemeinde, die mich im Glauben weit nach vorne gebracht hat. Daraus ziehe ich viel Kraft", sagt Siegel.

Und damit kamen auch Fragen auf, "der nach dem Weg", wie es Siegel formuliert. Erst das Sprunggelenk, dann das Kreuzband. "Da fragt man sich schon: Ist das von Gott gewollt oder habe ich etwas Besseres für dich? Man kommt sich vor wie ein kleines Kind, das sich am Ende aber sagt, es sind nur Stolpersteine".

"Ein langer Weg"

Eine andere Sicht und Zuversicht hat Siegel aus diesem Jahr gezogen, hat Zuspruch von Außenstehenden erhalten, die ihn ermuntert haben, den sportlichen Weg weiter zu gehen, "ein langer Weg", sagt Siegel.

Der verläuft indes zumindest nach seinem Terminkalender nach einem festen Plan. Zuvorderst gelte es natürlich, nichts zu überstürzen, "auch wenn ich so schnell wie möglich wieder auf die Schanze möchte". Da wird erstmal klein angefangen, Schritt für Schritt über die "kleine", 70, 80 Meter-Schanze herantasten lautet die Devise. Nebenbei darf das Krafttraining nicht zu kurz kommen. "Es juckt ungemein und ich werde es nie lerne, damit richtig umzugehen", nimmt Siegel Fahrt auf.

Er hofft einfach nur, dass es so schnell wie möglich wieder los geht für ihn, er beiße sich durch und "irgendwann ist man auch über die Kuppe drüber", ergänzt er. Für seine Nationalmannschaftskollegen hat die heiße Phase gerade begonnen, Siegel will diesen einen ersten großen Sprung nach seiner Rekonvaleszenz unbedingt, und der ist nicht ohne. "Das hatte ich nach meiner Sprunggelenksverletzung damals schon. Man nimmt Anlauf in ein riesiges Loch. Direkt während des Anlaufs kam es mir in den Kopf: Was mus ich eigentlich machen? Die Automatismen waren komplett weg, als wäre man zehn oder 20 Jahre kein Auto mehr gefahren. Da helfen keine Trockenübungen in der Halle. Nach drei Sprüngen geht es dann aber wieder", sagt Siegel.

Auf diesen einen Sprung arbeitet Siegel in diesem Winter hin, wenn möglich in Hinterzarten. "Und dann", so Siegel, "bin ich wenn alles gut geht bereit für die Wintersaison 2020/2021 – und alles darüber hinaus".