Die Sonne steht am Anfang des Winterlinger Planetenwegs – und noch am Himmel, als Alb-Guide Sabine Froemel (rechts) mit ihrer Gruppe zur Sternschnuppentour startet. Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder Bote

Sternschnuppentour: Auf dem Winterlinger Planetenweg auf der Jagd nach dem kostbaren Kometenstaub

Winterlingen. Wirkliche Weitwanderer sind Schreibtischtäter, und dazu zählen Zeitungsjournalisten, nicht. Dennoch gelingt es mir an diesem besonderen Sonntagabend, von der Sonne über den Jupiter hinaus zu wandern, und zwar in Lichtgeschwindigkeit, zumindest relativ gesehen. Sportliche Ambitionen, angestachelt durch die Erfolge der deutschen Leichtathleten in Berlin, stecken nicht dahinter – sondern der Wunsch nach Wunscherfüllung per Sternschnuppe.

Davon gibt es am 12. August, dem Laurentiustag, besonders viele zu sehen, weiß Alb-Guide Sabine Froemel, die eine große Schar Gleichgesinnter über den Winterlinger Planetenweg führt. Sie weiß auch, dass die Sternschnuppen deshalb "Laurentiustränen" genannt werden und vom Kometen kommen, den Lewis A. Swift am 16. und Horace Parnell Tuttle am 19. Juli 1862 unabhängig voneinander entdeckt haben. Swift-Tuttle verstreut seine Teilchen, auf der Erde bekannt als Meteorstrom der Perseiden: Alljährlich Mitte August regnen sie, wie es scheint, vom Himmel herab, und wer sie sieht, darf sich etwas wünschen. "Aber nur, wer die Sternschnuppe als einziger sieht und seinen Wunsch, der ihm gut tun muss, nicht ausspricht."

Bis die gut 20 Teilnehmer das erfahren, müssen sie allerdings eine Tour durch unser Sonnensystem bis zum Jupiter unternehmen – nicht die ganzen 820 Millionen Kilometer ab der Sonne, denn der Winterlinger Planetenweg ist zwar maßstabsgetreu, aber eben nur im Verhältnis eins zu einer Milliarde.

In fünf Milliarden Jahren ist’s vorbei mit dem Wünschen

Seinen Anfang markiert das markante Sonnenmodell mit den Feuerzungen auf der Oberfläche – sie sollen die Sonneneruptionen symbolisieren – und dem roten Kern, in dem Wasserstoffatome zu Helium verschmelzen, wobei so viel Energie frei wird wie durch eine Milliarde Wasserstoffbomben in einer Sekunde, weiß Froemel. "Wenn alle Atome verschmolzen sind, ist der Prozess vorbei und die Sonne wird sterben." In fünf Milliarden Jahren ist’s also vorbei mit Sternschnuppen und Wünschen.

Erwin Seßler, der ehemalige Harthauser Ortsvorsteher, hatte 2006 die Idee zum Planetenweg und hatte die informativen Tafeln zusammen mit einem Naturwissenschaftler aus Harthausen, Dietmar Abt, erarbeitet, die entlang der alten Römerstraße Wissenswertes zu jedem Planeten preisgeben. 2016 waren sie restauriert worden – und um Eris, einen Zwergplaneten, ergänzt, der in Sigmaringen steht.

Für die Reihenfolge kennt Sabine Froemel eine Eselsbrücke: "Mein Vater erklärt mit jeden Sonntag unseren Nachhimmel" – die Anfangsbuchstaben der Worte decken sich mit denen der Planeten, die größtenteils nach römischen Göttern benannt sind: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Und zu jedem kennt Sabine Froemel kuriose Fakten und Geschichten. So erfahren wir, dass die Sonne sich um ein Schwarzes Loch dreht, dass Planeten annähernd rund sein und ihre Umgebung von anderen kosmischen Objekten freigeräumt haben müssen, um Planeten zu sein – diese Kriterien erfülle Pluto nicht und gelte daher nicht mehr als solcher.

Venus, benannt nach der römischen Liebesgöttin, sei der hellste Planet und mal Morgen-, mal Abendstern. Weil schwefelsäurehaltige Wolken sie umgeben, sei es unmöglich, dort zu landen, so Froemel – anders als auf dem Mars, den zu besiedeln sich schon Freiwillige gemeldet hätten, zumal dort kürzlich Wasser gefunden worden sei. Warum die Menschheit so viel Geld investiere in die Bemühung, andere Planeten zu besiedeln, anstatt diese Mittel für die Rettung der Erde locker zu machen – das kann sich Sabine Froemel auch nicht erklären. Dafür weiß sie, wie die Monde des Mars heißen: Phobos und Deimos – Angst und Schrecken.

Der nächste Asteroid schlägt vielleicht schon bald ein

An der Tafel der Asteroiden wird es spannend: Dass ein Meteorit, der bei Yucatan in Mexiko vor 65 Millionen Jahren eingeschlagen war und viel Staub aufgewirbelt hatte, die Dinos ausrottete, wissen die meisten. Dass zwischen 2048 und 2057 ein Asteroid mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 3000 die Erde treffen wird, kaum jemand. Panik bricht deswegen nicht aus – auch nicht unter den Kindern der Tour. Dafür ist der Abend viel zu schön, und darauf stoßen alle erst einmal mit selbst gemachtem Apfelsaft und einem Schnäpschen an, das die Alb-Guide in einem Apfelhain gebunkert hat. "Wohl bekomm’s!" Ihre selbst gebackenen Käsefüßchen schmecken köstlich dazu.

Wie Giotto unser Bild des Sterns von Bethlehem geprägt hat

Langsam zieht die Dämmerung herein – und es geht in medias res: Sternschnuppen sind das Thema, jene verglühenden Teilchen aus dem Material eines Kometen, denen der Stern von Bethlehem so ähnlich sieht, obwohl er kein Komet war, sondern eine Jupiter-Saturn-Konjunktion, wie die Tafel zum "Gasriesen" Jupiter verrät. Der Maler Giotto di Bondone hatte den Halleyschen Kometen 1301 bei dessen Sonnenannäherung selbst beobachtet und den Stern von Bethlehem deshalb als Kometen über Krippe und Stall gemalt, als er 1304 sein Fresko in der Scrovegni-Kapelle in Padua beendete.

Kometen sind auch am Nachthimmel über Winterlingen nicht zu sehen, als wir – fast schon im Dunkeln – den "Urknall" erreichen und ein Teilnehmer Fernrohr und Teleskop auspackt, durch die alle mal durchschauen dürfen. Ein Stern nach dem anderen taucht auf am Firmament – und jede Menge blinkender Flugzeuge. Endlich rieselt hie und da auch mal eine Sternschnuppe vom Himmel herab, begleitet vom "Oh" und "Ah" der Teilnehmer. Ob ihre Wünsche in Erfüllung gehen?

Die erlebnisreiche Tour mit der kenntnisreichen Alb-Guide Sabine Froemel freilich hat keine Wünsche offen gelassen, auch wenn ich selbst zielsicher an allen Sternschnuppen vorbeigeschaut und nur eine Genickstarre davongetragen habe. Macht aber fast gar nichts. Wie sagte doch Dietrich Bonhoeffer? "Es gibt ein erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche."