Die Schwimminseln bleiben in diesem Sommer auf dem Trockenen: Das Naturfreibad Winterlingen öffnet nicht. Foto: Eyrich

Gemeinderat entscheidet sich angesichts hoher Hürden und Verluste gegen eine Öffnung.

Winterlingen - Dass der Sommer bisher keiner war, hat den Winterlinger Gemeinderäten die Entscheidung wohl kaum leichter gemacht. Mit Bedauern – aber einstimmig – haben sie dagegen gestimmt, das Naturfreibad 2020 zu öffnen.

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Dauerkartenbesitzer Michael Maier hatte in seiner Funktion als Bürgermeister Zahlen mit in die jüngste Sitzung des Gemeinderats gebracht, die unbestechlich waren – er und sein Team sowie Juan Garcia, der Chef der Winterlinger Badebetriebe, hatten zuvor gerechnet, was die Umsetzung der frisch veröffentlichten "Coronaverordnung Sportstätten" des Landes für das Naturfreibad Winterlingen bedeuten würde. Mindestens zehn Quadratmeter Liegefläche pro Badegast – das ließe bei 2700 Quadratmetern Wiese maximal 270 Badegäste zu.

Siehe auch: Welche Bäder öffnen, welche bleiben zu?

Die Gemeinde müsste ein Ticketsystem zur Reservierung installieren, auch um die Daten der Badegäste zu erheben, und weil der Mindestabstand von 1,5 Metern auch im Freibad gilt, wären Toiletten, Duschen und Umkleideräume nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Einnahmen von 2019 lassen sich nicht erreichen

Rund um die 10.000 Quadratmeter Wasserfläche müsste eine "Einbahnstraßenregelung" für Laufwege geschaffen werden, so Maier – auch für die Brücke. Eine ständige Reinigungskraft müsste Räume, Rutschen und Spielgeräte desinfizieren, Aufsichtspersonal an Rutsche und Wasserspielgeräten, den Schwimminseln, das Einhalten der Abstände kontrollieren. Und das alles für 70, maximal 90 Tage Badebetrieb. Dass die Spitzentage 2019 mit rund 1000 Besuchern – der Rekord lag bei 1300 Besuchern – im Juni und Juli lagen, nicht im August, und der bisher verregnete Juni schon zur Hälfte vorbei ist, ließen sich die Einnahmen von 2019 nicht annähernd erzielen, rechnete Maier vor. Erst recht nicht mit maximal 270 Badegästen pro Tag.

Nicht zuletzt kämen laut einer Befragung rund 80 Prozent der Gäste von außerhalb. Und zudem habe die Betreiberin des Kiosk signalisiert, dass dessen Betrieb unter diesen Umständen ein Drauflegegeschäft für sie wäre – ohne Kiosk sei das Bad aber weniger attraktiv, sagte Maier und fügte hinzu: "Wenn ich komme, dann auch eher zum Currywurstessen als zum Baden."

Gemeinde spart mehr als 70.000 Euro

Einnahmen und Ausgaben hatte Kämmerer Bodo Erath für 90 und für 70 Tage Badbetrieb gegengerechnet – und für den Fall, dass das Bad geschlossen bleibt. Fazit: Bleibt es zu, spart die Gemeinde 71.650 Euro. Knapp 100.000 Euro müsste sie bei 70 Tagen Badebetrieb drauflegen. "Egal, wie wir heute entscheiden: Prügel bekommen wir immer", kommentierte der Bürgermeister. "Betriebswirtschaftlich gesehen brauchen wir gar nicht diskutieren."

Dennoch forderte er die Räte dazu auf – und die zeigten sich einig, wenn auch durchweg mit Wehmut angesichts der Prognose, dass wohl viele heuer nicht in Urlaub fahren und sich über ein offenes Bad gefreut hätten. "Wenn wir Badegäste abweisen müssen, bekommen wir auch Ärger", meinte Roland Heck und wies auf die "finanziellen Engpässe auf breiter Ebene" hin, die der Gemeinde coronabedingt ohnehin bevorstünden, wie Kämmerer Erath schon in der Mai-Sitzung dargelegt hatte. "Wenn alles so abgespeckt ist, wäre nur noch das Wasser interessant", sagte Rainer Pfersich, "und das müsste jetzt erst noch zwei Wochen laufen, damit das Becken voll und das Wasser warm würde." Emil Oswald sah zwar auch die "coronageplagte Bevölkerung", stieß jedoch ins gleiche Horn: "Wenn wir berücksichtigen, dass wir uns noch ganz andere Dinge nicht leisten können, können wir momentan gar nicht anders entscheiden."

Im Hallenbad wäre alles noch schwerer umzusetzen

Isabelle Grüner-Blatt gab zwar zu bedenken, dass wohl diesmal im August mehr Badegäste kommen wollten als 2019, "aber dann das ganze Trara am Eingang – und wir wissen nicht, was noch an notwendigen Aufgaben kommt. Das Bad ist schließlich eine freiwillige Aufgabe."

Martin Kromer fragte nach dem Hallenbad, und erfuhr von Juan Garcia, dass es dort mit der Umsetzung der Corona-Verordnung noch schlechter aussähe. "Der Wunsch, es zu öffnen, wäre schon da", sagte Garcia, und Maier gab zu bedenken, dass derzeit dort noch die Chlorierungsanlage saniert werde. Für ihn persönlich sei es besonders hart, räumte Garcia ein. "Ich habe nicht mehr lange bis zur Rente und verliere ein Jahr in einem tollen Freibad. Aber finanziell gesehen muss ich sagen: Das ist viel Geld, das man auch an anderer Stelle nötig brauchen kann."

Außerdem dürfe das Wasser im Naturfreibad nicht gechlort werden – ein weiterer Grund gegen eine Öffnung. Schließlich gaben er und Maier noch zu bedenken, dass andere Bäder nach der coronabedingten langen Schließung derzeit mit Legionellen in den Leitungen zu kämpfen hätten – das sei ein weiteres Risiko.

Dass die Entscheidung gegen die Schließung einstimmig und nicht knapp ausfiel – dafür war Michael Maier dem Gremium richtig dankbar. Er hofft, dass der Saison 2020 im Naturfreibad Winterlingen, dem größten der Region, dann nichts im Wege steht – und will wieder eine Dauerkarte für seine Familie kaufen.