Die Braut schneidet die Hochzeitstorte an, die sich dann die Gäste munden lassen. Foto: Göttling Foto: Schwarzwälder Bote

Integration: Bei der Hochzeit gibt’s den ersten Kuss – und sechs Stunden Tanz / Mit der Familie verheiratet / Henna fürs Glück

International war die Gästeschar bei der Hochzeit eines jungen syrischen Paares in Winterlingen. Sie waren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und haben sich auf der Alb hervorragend eingelebt.

Winterlingen/Bitz. Um 17.30 Uhr geht’s los: Das Brautpaar Marwa und Aziz ist vom gemeinsamen Fotoshooting zurück und wird mit lautem Applaus und Gesängen auf offener Straße von Familienangehörigen und Freunden vor dem Haus der Familie in Winterlingen empfangen. Neben syrischen, türkischen, osteuropäischen und afghanischen Freunden sowie einem Somalier warten auch dutzende deutsche Freunde, Begleiter und Bekannte, darunter der evangelische Pfarrer Ernst Nestele, der mit Familie und Freunden aus der Kirchengemeinde erschienen ist. "Für uns war es eine große Freude, dass wir eingeladen wurden", sagt er: "Zu gelebter Integration gehört auch dazu, gemeinsam Feste zu feiern."

Im langen Autokorso und einem eigens für Familienangehörige gemieteten großen Fahrzeug geht es nach Bitz, wo ein türkischer Bekannter das Fest für das Paar organisiert: in der Festhalle, wo bereits ein Sänger singt und das zur Pianobegleitung das Hochzeitspaar musikalisch begrüßt.

Der 22-jährige Mohamad gehört als Bruder der Braut zum engsten Kreis und erzählt, dass es bei Hochzeiten in Syrien völlig normal sei, dass 400 bis 600 Gäste mitfeiern. Ein Verwandter von Bräutigam Aziz hat gar mit tausenden Gästen gefeiert: dem gesamten Dorf. So viele sind es in Bitz nicht: Viele Freunde, Verwandte und selbst engste Familienangehörige – von der Großfamilie des Bräutigams hat der Kriegs nur einen Teil übrig gelassen – können Videos der Feier nur über "WhatsApp" und "Instagram" mitverfolgen. Dafür hat das Paar alle Bekannten und Freunde in Deutschland eingeladen. Herkunft, Religion und Hautfarbe spielten keine Rolle: "Es gefällt mir, dass so viele Deutsche und Menschen anderer Nationen mit uns tanzen und Spaß haben", freut sich Mohamad.

Für Essen sorgt der Organisator aus Winterlingen zusammen mit seiner Familie. Die Gäste werden direkt am Platz bedient und essen in den Musikpausen des sechsstündigen Tanzabends. Zur Erholung zwischen den Tänzen darf das Brautpaar auf einem edlen weißen Hochzeitsthron Platz nehmen und auch mal zuschauen. Später folgt die Torte, die ebenfalls – wie fast alles bei der Feier – weiß funkelt. "Lady First": Nachdem sie die Torte angeschnitten hat, darf Braut Marwa das erste Stück naschen, das Bräutigam Aziz ihr überreicht.

Auf diesen Moment mussten die beiden ehemaligen Flüchtlinge lange warten: Seit einiger Zeit arbeitet Aziz in einer Pizzeria, musste für die Feier und den Unterhalt für seine Frau und sich fleißig sparen und – wie die gesamte Familie – gründlich Deutsch lernen. Gemeinsam zeigen darf sich das Paar erst seit der Verlobung. Allerdings nur in der Gruppe mit anderen. Küssen und Zusammenziehen sind sogar erst ab der Hochzeit erlaubt. Der erste Kuss ist für das Brautpaar von entsprechend besonderer Bedeutung.

Geheiratet wird – nach syrischem Verständnis – nicht nur eine Person, sondern die ganze Familie. Aziz hatte sich bereits 2015 auf die Flucht entschieden, mit der Familie seiner späteren Frau nach Deutschland zu gehen und seine eigene zu verlassen – eine schwere Entscheidung für den damaligen Teenager, der gleich vier Geschwister im Krieg verloren hat. Obwohl er seine restliche Familie vermisst, sagt Aziz: "Ich bin glücklich, weil meine Freunde zu meiner Hochzeit gekommen sind." Getanzt, so berichtet er, werde auf dieser Hochzeit arabisch, kurdisch und türkisch mit ganz unterschiedlichen Takten.

Das gemeinsame Tanzen mag die Braut besonders, wie sie verrät. Neben ihrem glamourösen Brautkleid fallen die Henna-Muster an ihrer Hand auf. Am Henna-Abend, dem Vorabend der Hochzeit, den sie gemeinsam mit dem Bräutigam und der Familie verbracht hat, werden Hände und Füße der Braut professionell mit filigranen Henna-Mustern verziert. Dieser Körperschmuck steht für Fruchtbarkeit und Glück und soll die Braut noch schöner machen.

Gutes, üppiges Essen, beste Stimmung und viele Attraktionen

Der 18-jährige Mohamed aus Somalia ist einer der Gäste und betont: "Mir gefällt die Hochzeit sehr gut. Das Essen ist super", und auf der Feier werde viel geboten. In Winterlingen kenne man sich. So sei es für ihn selbstverständlich, gerne mitzufeiern. Auch der 25-jährige Afghane Mustafa, der sich ehrenamtlich für die Kleinkunstbühne K3 in Winterlingen engagiert, tut das. Die Flüchtlinge kennen sich nicht nur untereinander, sondern sind auch mit vielen, schon lange im Ort lebenden Bewohnern gut vernetzt. Dass solche Netzwerke und gemeinsame soziale Aktivitäten enorm wichtig seien, betont Katharina Schwalb, regionale Projektleiterin der Berufsvorbereitung und Ausbildung des Beruflichen Bildungswerks, die privat mitfeiert.

Sie beobachtet bei ihren Bemühungen, den Flüchtlingen Praktika und Ausbildungsstellen zu vermitteln, dass es nicht immer einfach sei für die Familie der Braut: "Die Familie ist sehr integrationswillig."

Mehrfach sei sie selbst von ihr eingeladen worden. Doch Schwalb weiß auch: "Zur Integration gehören immer zwei Seiten. Wenn man Integration einfordert, muss man auch etwas zurückgeben und Gemeinschaft leben."