So voll wie auf diesem Archivbild ist es oft beim Elterntreff Kunterbunt – bis die Pandemie begann. Jetzt sind die Angebote online nutzbar.Archiv-Foto: Kopp Foto: Schwarzwälder Bote

Gemeinderat: Reduzierter Leistungsumfang und Kosten von nur noch 1200 Euro überzeugen die Räte

Am Ende war die Mehrheit eindeutig auf der Seite der Eltern: Der "Elterntreff Kunterbunt" läuft ab April – vorerst für den Rest des Jahres – weiter. Seinen Mehrwert hatten die Winterlinger Gemeinderäte zuvor ausführlich diskutiert.

Winterlingen. "Dass für Außenstehende nicht immer ganz ersichtlich ist", um welches Format es sich beim "Elterntreff Kunterbunt", ein Angebot des Hauses Nazareth in der Winterlinger Begegnungsstätte, handelt, hatte die Diskussion im November 2020 gezeigt, als der Gemeinderat in einer Patt-Abstimmung den Vertrag mit dem Erzbischöflichen Kinderheim nicht mehr verlängert und den Elterntreff damit de facto beerdigt hatte. Tenor der Diskussion damals: In Pandemie-Zeiten, da keine Treffen möglich sind und alles online oder telefonisch ablaufe, sei das Angebot zu teuer. Ein Teil der Räte hatte befürchtet, dass das Kinderheim keine Maßnahmen zur Kosteneinsparung treffen werde, und betont, die Gemeinde müsse sich in Zeiten knapper Kassen stärker auf ihre originären Aufgaben konzentrieren.

Inzwischen ist viel passiert: 17 Eltern haben einen Brief unterzeichnet, in dem sie über drei Seiten erklären, was beim Elterntreff – vor und während der Corona-Zeit – passiert, worin der Mehrwert für sie und ihre Kinder liege, und warum "Kunterbunt" eben mehr sei als eine Krabbelgruppe mit Spielen und Kaffeekränzchen. "Der wichtigste Punkt" sei, dass Susanne Kopp als pädagogische Fachkraft jederzeit für Fragen zur Verfügung stehe. Sie biete "zahlreichen Input in Form von Bastelideen, Geschichten und Denkanstößen in Erziehungsfragen", durch E-Mails, telefonisch und im Videochat.

Andere Veranstaltungen und Krabbelgruppen in Eigenregie der Eltern "waren immer wieder rückläufig", während "Kunterbunt" zuweilen "regelrecht überfüllt" gewesen sei – vor Corona. Gerade in dieser Zeit aber sei diese Hilfe wichtig, die Familien ohnehin stark belastet – und die Lücke, die der Elterntreff hinterließe, groß.

Um der Gemeinde entgegen zu kommen, hat Susanne Kopp mit Rückendeckung des stellvertretenden Direktors des Hauses Nazareth, Daniel Hahn, ein neues Leistungskonzept ausgearbeitet und Ende Februar vorgelegt. Es umfasst nur noch 7,5 Stunden pro Monat, womit 14-tägige Treffen inklusive Vor- und Nachbereitung sowie die notwendigen Kontakte gedeckt wären, und zielt darauf ab, "diesen Hort der Familienbildung zu erhalten", wie es in der Sitzungsvorlage heißt.

Eine feste Größe in instabilen Zeiten

In "dermaßen instabilen Zeiten" sei der Elterntreff "eine feste Größe" gewesen, erklärte Daniel Hahn, für den das "nicht mein Lieblingsthema, aber zu meinem Herzensthema" geworden sei. Würde der Elterntreff auch für den Rest des Jahres ausgesetzt, könne das Haus Nazareth nicht gewährleisten, "personell und planerisch" den Faden nach der Pandemie einfach wieder aufnehmen zu können.

Stattdessen habe es seine Hausaufgaben gemacht, was auch notwendig gewesen sei, und so legte Hahn einen Vertragsentwurf vor, nach dem die Gemeinde sich 2021 mit gerade mal noch 3826 Euro beteiligen müsste, von denen der Landkreis 2625 Euro übernähme.

Das Angebot nicht wegen 1200 Euro sterben zu lassen, lautete Hahns Appell an das Gremium, ehe Susanne Kopp das Wort ergriff und erklärte, was der Elterntreff im Detail biete, darunter inzwischen auch Online-Treffen. Gerade in Corona-Zeiten sei "jede Abwechslung und jede Struktur eine Hilfe", hätten die Eltern ihr zurückgemeldet, und der Bedarf, auch an Einzelberatung in offenen Sprechstunden, sei da, gerade in der Krise. Für gleichbleibende Qualität sei kontinuierliche Weiterentwicklung notwendig, betonte sie, und das bedeute eben auch, digitale Möglichkeiten zu nutzen.

Bürgermeister Michael Maier unterstützte die Argumente: "Wir wissen, was wir an Ihnen haben, und arbeiten schon über zehn Jahre zusammen." Emil Oswald sprach die Themenschwerpunkte der Angebote zur Bildung der Eltern an. Man solle "auf keinen Fall darauf verzichten", auch wenn es derzeit wichtig sei, Kosten zu reduzieren. "Momentan wäre der schlechteste Zeitpunkt, darauf zu verzichten."

Ohne Zweifel an Kopps Engagement und wohl wissend, "dass es dem Haus Nazareth nicht um diese 10 000 Euro geht" – der vorherige Preis –, sah Roland Heck, Fraktionschef der Bürgerliste, derzeit "keine Basis" für das Angebot. "Präsenztreffen können wir uns bis zum Sommer abschminken und das Online-Angebot ist kein Ersatz." Er glaubte nicht, dass ein Jahr Pause alles kaputt mache, und deshalb werde seine Fraktion dafür stimmen, 2021 auszusetzen.

Rainer Pfersich, Fraktionschef von Zukunft Winterlingen, berichtete von eigenen Erfahrungen seiner Familie mit dem Elterntreff, hielt dagegen und betonte: "Ich gebe als Fraktionschef keine Richtung vor." Allerdings bat er das Haus Nazareth um verlässliche Zahlen im November, um über eine Fortsetzung 2022 zu entscheiden.

"Online ist besser als gar nichts"

Daniel Hahn appellierte noch einmal engagiert an die Räte: Online-Angebote seien allemal besser als gar keine, als die Eltern "in dieser Zeit nochmal alleine zu lassen". "Wir reden hier nicht von einem ›Nice to have‹-Angebot", so Hahn, "sondern von sozialer Infrastruktur." Wenn Eltern erst zur Elternberatungsstelle müssten, sei "das Kind vielleicht schon in den Brunnen gefallen". Er bat die Räte, nach eigener Meinung zu entscheiden.

Das taten sie schließlich auch: 13 stimmten für den Vertrag, der vom 1. April bis 31. Dezember 2021 gilt, nur vier dagegen. Auf Basis des Jahresberichts 2021 soll dann über eine Fortsetzung des Angebots und eine Erhöhung des Stundenumfangs zum 1. Januar 2022 entschieden werden.

Da hat Roland Heck, der Fraktionschef der Bürgerliste, nun wirklich Äpfel mit Birnen – nein: mit Sternanis – verglichen. Dass ihm die Online-Treffen mit seinen Freunden vom Rotary-Club nicht annähernd so viel Freude machen wie jene vor Ort, ist bedauerlich. Daraus auf den Wert der Online-Treffen und -Beratung des Elterntreffs "Kunterbunt" zu schließen, greift freilich zu kurz. Hätte sich die Mehrheit der Räte Hecks Argumentation angeschlossen und das Angebot des Hauses Nazareth für 2021 ausgesetzt, hätten Eltern in der Pandemie und damit in der wohl stressigsten Zeit ihres Elterndaseins keine Chance mehr, den Rat der Fachfrau Susanne Kopp einzuholen, wenn die Kinder partout nicht mehr zu bändigen sind. Für sie fiele mehr weg als ein nettes Treffen mit Freunden. Gerade jetzt brauchen Eltern Hilfe – besser online und am Telefon als gar nicht.