Rainer Gaiser ganz oben: Auf dem Thorong-La-Pass stemmt er triumphierend sein Bike. Foto: Schwarzwälder Bote

"Annapurna Circuit": Rainer Gaiser aus Benzingen war zwei Wochen lang auf dem Bike im Himalaya unterwegs

Seit seiner Kindheit hatte Rainer Gaiser aus Benzingen davon geträumt, einmal in den Himalaya zu reisen und die höchsten Berge der Welt zu sehen. Jetzt, mit bald 57 Jahren, hat er sich diesen Traum erfüllt. Zwei Wochen lang war er in Nepal unterwegs – auf dem Mountainbike.

Albstadt/Winterlingen-Benzingen. Manchmal muss man warten können – viele Jahre lang hatten Lebensplanung, Beruf und Familie Vorfahrt vor den Jugendträumen, doch inzwischen sind die beiden Söhne erwachsen, das Haus gebaut, die berufliche Existenz in Albstadt sicher – da kann man schon einmal über Kürläufe nachdenken.

So setzte sich Rainer Gaiser an den Rechner, sah sich im Internet an, was der "DAV Summit Club" zu bieten hatte, und wurde fündig: Umrundung des Annapurna-Massivs in 16 Tagen, Ausblicke auf gleich drei Achttausender, nämlich Annapurna, Dhaulagiri und Manaslu, Einblicke in die tibetische und nepalesische Kultur – das war es, was er sich vorgestellt hatte. Vom Jugendtraum unterschied sich das Konzept nur in einem Punkt: Der junge Rainer Gaiser war auf seiner imaginären Himalaya-Reise zu Fuß unterwegs gewesen. Mountainbikes waren damals noch kein Thema.

Das hat sich geändert, auch in Nepal. Der Annapurna-Circuit hat sich mittlerweile etabliert; anders als die Pioniere, die ihre Bikes noch auf einem Großteil der Wege schieben und tragen mussten, können die Radtouristen von heute tatsächlich die meiste Zeit fahren – die Strecken sind besser ausgebaut als früher. Gewiss, die körperlichen Anforderungen haben es in sich, und nach seiner Ankunft in Nepal fand sich Rainer Gaiser prompt in einer zwölfköpfigen Biker-Gruppe wieder, der unter anderem ein mehrfacher deutscher Ü-50-Meister und ein mehrfacher Ironman-Teilnehmer angehörten.

Völlig untrainiert war er selbst freilich auch nicht – 14 Mal hat er bereits am Albstadt-Bike-Marathon teilgenommen und ist jedes Mal mit einer Viereinhalb-Stunden-Zeit ins Ziel gekommen. Wie sich zeigte, war er konditionell hinlänglich für den Circuit gerüstet – dass er nie als Erster, sondern im Zweifelsfall eher als Vorletzter das jeweilige Etappenziel erreichte, machte ihm nichts aus. Er musste niemandem etwas beweisen – nicht mal sich selbst.

Und die Höhe? Besisahar, der Ausgangspunkt der Annapurna-Umrundung, liegt auf 760 Metern Höhe, so hoch wie Ebingen, und was die erste Etappe strapaziös machte, war nicht dünne, sondern ausnehmend feuchte Luft – auch die Trikots der Ironmänner wurden im Nu klatschnass. Das sollte sich bald ändern; der Weg durchs Tal des Maryangdi stieg sukzessive an, und jeder Tag endete im Schnitt 800 bis 1000 Meter höher, als er begonnen hatte. Wobei am Etappenziel stets noch eine kleine Bergwanderung auf die Biker wartete: noch einmal 300 Höhenmeter hinauf, wegen der Gewöhnung – "Climb high, sleep deep" lautet die Faustregel.

Tee statt Bier – aber bitte ohne Yakbutter!

Außerdem war Trinken angesagt – je höher man sich befindet, desto mehr Flüssigkeit braucht der Körper, und so ließ die Gruppe unterwegs keine Gast- und Raststätte aus. Bier? Von wegen! Tee stand auf der Getränkekarte, mit und ohne Yakbutter – Rainer Gaiser gab der Variante ohne den Vorzug, um keine Verdauungsprobleme zu riskieren.

Stichwort Essen: Einfach war es, aber gut. Viel Reis, viele Linsen, Gemüse und ganz gelegentlich Fleisch. Gegessen wurde in der Lodge; danach stand noch das Briefing für die nächste Etappe auf dem Programm, und dann ging es ins Bett – Sleep deep!

Das Gepäck der Teilnehmer transportierte ein Jeep bis ins 3540 Meter hoch gelegene Manang; dort endete die Schotterstraße, und der Pfad begann – jetzt übernahmen Pferd oder Yak die Last, und auch der nepalesische Cicerone mit dem Spitznamen "Snow Monkey", der bisher Jeep gefahren war, musste umsteigen.

Der "Snow Monkey" war unter anderem für die versprochenen "Einblicke in die Kultur" zuständig; er organisierte Tempelbesichtigungen und sogar einen Besuch in einer nepalesischen Familie, der Rainer Gaiser stark beeindruckte: "Die Leute haben so wenig und leben so einfach. Und dabei sind sie immer freundlich – und immer bereit zu teilen."

Die Hängebrücken erinnern bedenklich an Indiana Jones

Nach der ersten Tourenwoche waren die hochalpinen Regionen erreicht. Die Biker hatten das Annapurna-Massiv jetzt unmittelbar vor sich, den Thorong-Fluss überquerten sie auf Hängebrücken, die bedenklich an "Indiana Jones" erinnerten, und die letzte Etappe auf dem Weg zum 5416 Meter hohen Thorong-La-Pass wurde vor allem schiebender Weise bewältigt – an Fahren war auf dem steilen und verblockten Weg nicht mehr zu denken. Auf der Passhöhe wartete das Teehaus –und nach dem Tee eine nicht enden wollende Abfahrt ins Lubra-Tal mit 1700 Metern Höhendifferenz – ein Biker-Traum.

Zehn Tage hatten die Biker für den Aufstieg zum Thorong La gebraucht; lediglich drei benötigten sie, um – die Annapurna zur Linken, das Dhaulagiri-Massiv zur Rechten – wieder ins Himalaya-Vorland zurückzukehren. 930 Meter hoch liegt Pokhara, das letzte Etappenziel – da kann Benzingen fast schon mithalten.

Wie sieht Rainer Gaisers Fazit nach dem Abenteuer aus? Ist der Kindheitstraum ausgeträumt? Aber nein. "Irgendwann mache ich wieder so etwas – mein Sohn hat mir schon gesagt, dass er das nächste Mal mit will."