Heiko Bräunling erzählte beim Männervesper von seinen Erfahrungen mit einem fiktiven Sterbedatum. Foto: Gauggel Foto: Schwarzwälder Bote

Männervesper: Radio- und Fernseh-Pfarrer Heiko Bräunling hat sich ein fiktives Sterbedatum gesetzt

Winterlingen. Dem Tabu-Thema Tod haben sich Männer aller Altersgruppen im evangelischen Gemeindehaus gewidmet. Wenn mehr als 75 Personen gekommen wären, hätte der Organisator des Winterlinger Männervespers, Wolfgang Hube, getreu dem Ratschlag des Landratsamts zum Umgang mit dem neuartigen Coronavirus jeden weiteren Gast nach Hause geschickt. Doch er hatte Glück: so viele waren es nicht, obwohl trotz Corona-Virus-Angst mehr Männer als sonst an der Veranstaltung teilnahmen.

Letzteres lag vermutlich an dem Thema des Vortrags des Radio- und Fernseh-Pfarrers Heiko Bräuning: "Mein Deadline-Experiment. Vom fiktiven Sterben zum glücklicheren Leben."

Der Pfarrer, Journalist und Musiker aus dem Raum Ravensburg hatte zur Verwunderung seines privaten Umfelds ein besonderes Experiment gewagt: "Ich hatte mir einen fiktiven Todestag gesetzt: den 16. April 2016." Dafür habe er viel Kritik und Unverständnis geerntet: "Mit dem Tod spielt man nicht", sagten einige im Raum der Kirche. Auch seine Frau habe ihn für verrückt gehalten, erzählte Bräuning.

Heute kann der vierfache Familienvater sagen: "Dieses Experiment hat mein Leben verändert und mir viele neue lebenswerte Erfahrungen und Einsichten geschenkt. Ich hatte keine Vorstellung davon, welche weitreichenden Konsequenzen ein solcher Termin mit sich bringt. Die Zeit war zu kurz, um sie mit Nebensächlichkeiten und lästigen Angelegenheiten zu verbringen. Ich wollte gut, glücklich und zufrieden leben!"

Aus Bräunings Sicht ist es biblisch, sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen. "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden", steht in Psalm 90. Klug zu werden, heißt laut Bräuning, seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und zu tun, was wirklich zählt.

Die Tabuisierung des Todes und die Angst davor in der Gesellschaft kritisierte der Pfarrer: "Der Tod wird gemieden und verdrängt. Deshalb auch diese Corona-Angst." Christus jedoch habe den Tod besiegt und wolle den Menschen dazu befähigen, sein Leben mitsamt vielfältiger Gaben und Talente zu nutzen, gute Entscheidungen zu treffen sowie Lebensqualität und inneren Frieden zu erleben.

"Wie viele Menschen verträumen ihr Leben? Doch du hast nicht alle Zeit der Welt", mahnte der Referent seine männlichen Zuhörer, die den Worten gespannt lauschten. Er selbst habe motiviert durch das fiktive Sterbedatum die Entscheidung getroffen, dankbarer zu sein, seinen eigenen Stolz zu überwinden und öfter um Vergebung zu bitten, sich mehr Zeit für seine Familie zu nehmen, Streit durch Versöhnung zu überwinden und zufriedener, motivierter sowie lustvoller zu leben. "Genieße das Leben. Es ist nichts selbstverständlich." Nur wer sich selbst liebe, könne auch anderen Menschen gegenüber Liebe weitergeben. Früher habe er viele Vorhaben zu oft nach hinten verschoben und Dinge gemacht, die ihm nicht liegen. Befreit durch das, was ihm durch das Selbst-Experiment bewusstwurde, sei er nun mutiger geworden, Entscheidungen zu treffen und seine Ziele zu verwirklichen: "Konzentriere dich auf das, was dir wirklich wichtig ist." Wichtig ist es Bräuning aber auch, nicht zu vergessen: "Unser Leben hat jemand anderes in der Hand."