Bauwerke, höher als 240 Meter, müssen in der Region kein Alleinstellungsmerkmal von Rottweil bleiben. Bei Herrenzimmern bahnt sich etwas Großes an.
Bösingen-Herrenzimmern - Geht es nach den Vorstellungen und Plänen des Unternehmens Alterric (Aurich), entsteht im Dreieck zwischen Villingendorf, Hochwald und Herrenzimmern ein kleiner Windpark, drei Windenergieanlagen mächtig. Vorgesehen ist das relativ neue Modell E 160. Falk Burkhardt, Alterric-Mitarbeiter Standort Holzgerlingen, spricht von 166 Meter Nabenhöhe, die Höhe des Turms. Zusammen mit dem Rotor werden maximal 246 Meter erreicht.
Wer nun beim Namen Alterric stutzt, wird darauf hingewiesen, dass bisher die Planungen unter Enercon Ipp Deutschland GmbH gelaufen sind. Und eben jene Gesellschaft gehört seit kurzer Zeit zur Alterric-Gruppe. Die sich wiederum als deutscher Marktführer im Grünstrom beschreibt. Deutschlandweit, so Burkhardt, habe das Unternehmen mehr als 1000 Windkraftanlagen mit etwa 2,3 Gigawatt auf die Beine gestellt.
Bereits vor etwa drei Jahren zeigte sich Enercon interessiert, bei Herrenzimmern eventuell im Bereich Kaltenberg aktiv zu werden. Doch gewisse Vorarbeiten waren noch nicht so weit gediehen, um einen Genehmigungsantrag stellen zu können. Ein Thema war damals der Rotmilan und sein Revier.
Rotmilan im Blick
Bei einer Kollision mit einer Windkraftanlage zieht diese Species den Kürzeren. Deshalb werden Bestände und Fluglinien erforscht. Neben anderen Dingen eine Aufgabe für die artenschutzrechtliche Prüfung bei einem solchen Bauvorhaben. Nebenbei: In Baden Württemberg wird der Rotmilan seit 2007 in der roten Liste der Brutvogelarten als ungefährdet geführt. Im Gegensatz zu Bundesländern wie Niedersachsen.
Für etwa 9000 Haushalte
Wieder auf den Tisch der Firma Enercon kam das Vorhaben im März 2020, als gerade die Corona-Pandemie Fahrt aufnahm. Die notwendigen Gutachten für das Genehmigungsverfahren im Rahmen des Bundesimmissionsschutzgesetzes befinden sich in Bearbeitung, teilte schließlich der Bauherr etwa ein gutes Jahr später, im April 2021, mit. Insgesamt sollen die drei Windenergieanlagen eine Leistung von je 5,5 Megawatt erreichen und erneuerbaren Strom für etwa 9000 Haushalte im Jahr produzieren.
Bei der Standortsuche ist das Unternehmen ebenfalls fleißig gewesen. Denn neben dem Rotmilan hat im Außenbereich von Herrenzimmern der Modellsportclub sein Revier. Auch hier gilt es, Abstände einzuhalten. Dies scheint gelungen, wie Vorsitzender Andreas Kochendörfer auf Nachfrage mitteilt. Die ihm bekannten Standorte seien alle drei mehr als einen Kilometer vom Fluggelände entfernt.
Beim Modellsportclub
Falk Burkhardt nennt den Bereich Kleinheide/Hochwald, ein Waldstandort auf Gemeindegrund, sowie zwei auf Privatgrund, auf offenem Land, nordwestlich der Bundesstraße, auf Gemarkung Herrenzimmern. Da alle drei vom Vereinsheim des Modellsportclubs zu sehen sind, ist eben dort der Gang an die Öffentlichkeit vorgesehen: am Mittwoch, 28. Juli. Darauf sind alle Spielmacher gespannt – und die interessierte Öffentlichkeit ebenso. Das ursprünglich geplante Vorhaben im Sommer 2020 wurde wegen der Corona-Pandemie nicht in die Tat umgesetzt.
Weil die Gemeinde bisher keine Positivstandorte für Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan ausgewiesen hat – ein Vorhaben vor vielen Jahren –, gilt für den Bauherrn Paragraph 35, Absatz 1, Baugesetzbuch, Bauen im Außenbereich, Zulässigkeit von Windenergieanlagen. Wenn alles seinen Gang geht, so schätzt Falk Burkhardt, werde Alterric im Spätsommer so weit sein, den Genehmigungsantrag beim Landratsamt Rottweil stellen zu können.
Windhöffigkeit okay
Die ins Auge gefassten Standorte hätten zwar nicht die Windhöffigkeit wie welche im Hochschwarzwald, doch für einen süddeutschen Standort seien sie in Ordnung, gibt Burkhardt die Einschätzung der Fachleute weiter. Eine Anlage habe eine Lebensdauer von 20 bis 25 Jahre, dann sei es nicht unüblich, sie zurückzubauen.
Doch aktuell steht ja erst einmal der Bau von drei Anlagen zur Diskussion. Ein Vorhaben, beziehungsweise deren Forcierung, treibt ja außerdem die neue Landesregierung vermehrt um. Auf welche Resonanz die drei Anlagen am Ort des Geschehens jedoch stoßen, wird sich Ende Juli herausstellen.
Bürgermeister angetan
Während sich Bürgermeister Johannes Blepp durchaus als ein Befürworter dieser Energiegewinnungsform zu erkennen gibt – jenseits der grundsätzlichen Erwägungen, die für grünen Strom sprechen, gibt es für die Gemeinde eine jährliche Pacht –, lässt sich der Vorsitzende des Modellsportclubs, eben ein unmittelbarer Nachbar, nur schwer in sein Herz schauen. Seine Anmerkung zum Bauvorhaben ("Es tangiert uns nicht, da wir außerhalb des Radius liegen. Aber optisch sprechen wir von einer anderen Liga") klingt jedoch spontan nicht nach purer Begeisterung.