Bürger aus der Gesamtgemeinde Bösingen und aus der Nachbarschaft nutzen die Möglichkeit, im Gemeinderat Fragen zu stellen und Ansichten zu den geplanten Windkraftanlagen auf Herrenzimmerner Gemarkung kundzutun. Foto: Pfannes

Die Premiere verläuft bilderbuchhaft ab – bei der ersten Bürgerfragestunde im Gemeinderat in Bösingen unter der Ägide von Bürgermeister Johannes Blepp. Das Anliegen der zahlreichen Anwesenden ist aber auch eins, das die Menschen bewegt: Windkraft bei Herrenzimmern.

Bösingen - Die Hallehälfte in Bösingen, die für die Besucher reserviert ist, füllt sich schnell. All den Anwesenden ist es ein Anliegen, das im Oktober versprochene Angebot – mehr Bürgerbeteiligung – anzunehmen.

Genau genommen, ist es keine Fragestunde, sondern eine Frageviertelstunde, bei der jeder, der ein Anliegen hat, maximal zwei Minuten reden darf. So erklärt es der Schultes. Daran halten sich die sieben Bürger, die sich zu Wort melden: vier aus Herrenzimmern und drei vom Hochwald.

Mündlich und schriftlich

Sie sprechen laut, deutlich und ohne Zorn in der Stimme. Gut abgestimmt, tragen sie ihr spezielles Anliegen vor und ermöglichen es außerdem Bürgermeister und Gemeinderäten, all das Gesagte in schriftlicher Form entgegennehmen zu können. Schließlich ist der gesamte Themenkomplex sehr umfangreich.

Sie formulieren Befürchtungen und Sorgen, geben Hinweise und stellen Fragen. Dies alles zu den drei geplanten Windkraftanlagen, die in "Kleinheide" (eine, Gemeindegrund) und "Saugrube" (zwei, Privatgrund) geplant sind und gebaut werden sollen. Windkraftanlagen der Firma Alterric (Aurich), die mit einer beeindruckenden Dimension aufwarten, 166 Meter Nabenhöhe, 246 Meter mit den Rotorblättern.

Antworten im neuen Jahr

Antworten gibt es an diesem Abend keine. Dies wäre auf die Schnelle auch nicht angemessen. Bürgermeister Blepp verspricht auf jeden Fall, sich sorgfältig um das Anliegen zu kümmern. Dann soll es im Gemeinderat – erst einmal – nichtöffentlich besprochen werden. Anschließend kommt die Öffentlichkeit ins Spiel. Er schätzt, dass dies schon Februar werden könnte.

Auf jeden Fall erhalten die Bürger – gegen Ende der Gemeinderatsitzung (als allerdings keiner mehr anwesend ist) – von Gudrun Müller, stellvertretende Bürgermeister-Stellvertreterin, ein "dickes Lob". Ihr ist es – wie auch vor ihr Kämmerer Matthias Jetter – ein Anliegen, dass in diesen tristen Tagen, Wochen und Monaten der Pandemie das Positive nicht zu kurz kommt. Und neben anderen Schwerpunkten erwähnt sie eben auch das Verhalten der Bürger während der Bürgerfragestunde, die sich an die "Statuten" gehalten haben. "Es freut mich, dass wir so im Austausch bleiben können. Ein gutes Miteinander ist wertvoll."

Was haben nun die Bürger konkret gesagt? Beziehungsweise, welche Schwerpunkte haben sie gesetzt, um ihre Kritik an den Windkraftanlagen zu verdeutlichen?

Der Modellsportclub

Joachim Noder, im Ausschuss des Modellsportclubs tätig, geht auf befürchtete nachteilige Auswirkungen des Windparks auf die Vereinstätigkeit ein. Das Vereinsheim und das MSC-Gelände liegen ja sehr nahe an den drei Standorten. Vor allem die Wirbelschleppen bereiten dem Verein Sorgen.

"Sollte der geplante Windpark in Betrieb gehen, werden die Wirbelschleppen den Modellflug in unserem genehmigten Flugsektor nahezu unmöglich machen." Dies könnte dazu führen, dass regelmäßiger Flugbetrieb, Flugtage und Meisterschaften nicht mehr möglich würden.

Mensch und Gesundheit

Armin Hattler spricht über die biologischen Auswirkungen auf Mensch und Gesundheit. Er thematisiert Infraschall, Geräuschemissionen und Schlagschatten und die möglichen Auswirkungen.

Er plädiert vielmehr für andere erneuerbare Energien in der Gemeinde. Und er stellt neben anderen Fragen die Frage: "Warum ist auf keinem der zahlreichen Gebäuden der Gemeinde eine nicht gesundheitsschädliche Photovoltaikanlage installiert?"

Wirtschaftliche Folgen

Andreas Schuhmacher bringt neben anderen die wirtschaftlichen Nachteile für einen Hausbesitzer ins Spiel. Die Wertminderung einer Immobilie. Je nach Abstand und Alter gäbe es laut Studien Wertverluste von bis zu 30 Prozent. Er spricht aber auch die Schönheit und die Idylle der Landschaft an, den Blick auf die Schwäbische Alb, der dann so nicht mehr gegeben sei. Und: Dies betreffe ja nicht nur Teile von Herrenzimmern, sondern auch Villingendorf mit Stephanswäldle und Fronwiesen und den Hochwald, Gemarkung Rottweil.

Genau hingeschaut

Günther Hattler thematisiert "Ungereimtheiten" bei der Gemeinderatssitzung am 23. September, speziell das Abstimmungsverhalten, unter anderem mit Blick auf die ablehnende Einstellung der Gemeinde Villingendorf zu diesen Windkraftanlagen, die somit keine mögliche Konkurrenz für einen Alternativstandort der dritten Windkraftanlage sei.

Er stellt aber ebenso die von Alterric veröffentlichte Grafik zur Schallbelastung für Herrenzimmern und Villingendorf in Frage. Als Mittelpunkt sei nicht die Anlage in "Kleinheide", sondern ein Gebiet weiter westlich in Richtung der Windräder Kaltenberg/Saugrube angenommen worden. Sein Fazit: "Von den angeblich 35 Dezibel ist also nicht nur der Ortsrand Herrenzimmern mit Wiesenstraße und Vor Eichen betroffen, sondern fast das gesamte Ortsgebiet und ein größerer Teil von Villingendorf."

Günther Hattler spricht außerdem das Thema Pacht und unterschiedliche Äußerungen des Bürgermeisters an. Und ihn interessiert es, wie der Rückbau der Windkraftanlagen geregelt sei.

Eine Informationsfahrt

Martin Hauer berichtet, dass er als Anwohner vom Hochwald lediglich 850 Meter von den Anlagen im Bereich Saugrube entfernt wohnen werde (dies ist näher an der Wohnbebauung als jenes in Kleinheide mit 1090 Metern vom Ortsrand Herrenzimmern entfernt). Er hat sich ein persönliches Bild von Windparks mit diesen Dimensionen gemacht, er habe Falkenhöhe und Hohenlochen besichtigt. Sein Eindruck lautet: "Das monströse Ausmaß der Anlagen wird entsprechende Auswirkungen auf ein weites Umfeld in der Region in einem bisher noch nicht gekannten Maß verursachen."

Ihn interessiert es, ob schon private Fahrten zu Anschauungsobjekten gemacht worden seien. Auch, wie der Stand der versprochenen Informationsfahrt sei. "In welcher Form und in welchem Zeitfenster soll eine Bürgerbeteiligung und Aufarbeitung stattfinden?"

Tiere und Vögel

Claudia Hauer hat ein Herz für die Tierwelt. Deshalb interessiert sie sich für das sogenannte faunistische Gutachten des Büros "ö:konzept" (Freiburg). Ob es dem Gemeinderat vor der Beschlussfassung am 23. September vorgelegen habe und ob dieses zuvor angemessen betrachtet worden sei?

Sie berichtet von einer großen Artenvielfalt an Vögeln und Wildtieren. "Der Lebensraum dieser Tiere sind genau der Wald und die Wiesen der angedachten Standorte, mit dem es verantwortungsvoll umzugehen gilt."

Das Landratsamt

Peter Schuster zieht die großen Linien und spricht speziell den Genehmigungsantrag der Firma Alterric und die erforderlichen Gutachten an, die für die Genehmigung dieser Anlagen erforderlich seien. Gutachten, die die Auswirkungen des Vorhabens auf Mensch, Natur und Umwelt detailliert und nachvollziehbar beschreiben. Diese seien, so Schuster, relevant für die Bewertung und den Beschluss des gemeindlichen Einvernehmens und stellen eine wesentliche Grundlage für das Landratsamt Rottweil als Genehmigungsbehörde dar.

Die Gutachten

Da eben all dies als öffentlichkeitsrelevant zu sehen sei, "wäre es unter dem Aspekt von Transparenz und Bürgerbeteiligung mehr als wünschenswert, wenn der Genehmigungsantrag und die kompletten Gutachten zur Einsicht und Stellungnahme für einen Monat unter anderem bei der Gemeinde Bösingen öffentlich ausgelegt werden".

Ebenso betont er die Bedeutung eines Erörterungstermins unter Beteiligung der Bürger. Auch vor dem Hintergrund einer "abgebrochenen Unterschriftenaktion mit über 200 geleisteten Unterschriften". Kurz: Er freue sich, wenn die Beteiligten im Gespräch bleiben.

Es gibt einiges zu tun

Mit diesem Paket haben die Angesprochenen keine leichten "Hausaufgaben" – dies ist jetzt nicht despektierlich gemeint – bekommen. Die Bürger, so der Eindruck, würden eine seriöse und inhaltsreiche Kommunikation zu schätzen wissen.