Etwa 40 Teilnehmer, überwiegend aus Herrenzimmern, nutzen die Gelegenheit, sich im Windpark Hohenlochen die aktuell gängige Größe von Windenergieanlagen anzuschauen. Foto: Hauer

Die Informationsfahrt der Gemeinde Bösingen zum Windpark Hohenlochen, um die Mega-Windräder bei der Arbeit zu beobachten, traf nicht auf ideale Umstände vor Ort. Bleibende Eindrücke waren dennoch garantiert.

Bösingen-Herrenzimmern - Im Rahmen der Bürgerbeteiligung für den Windpark Herrenzimmern hatte die Gemeinde Bösingen einen Bustransfer zum Windpark Hohenlochen organisiert. Etwa 40 Bürger wollten sich einen persönlichen Eindruck zu den Auswirkungen von Windkraftanlagen machen.

Aufgrund von fehlendem Wind war ein persönliches Urteil über die akustische Wirkung von Windkraftanlagen nicht möglich. Dafür wurde die Gelegenheit zu einer ausführlichen Diskussion genutzt. Hierfür standen Bürgermeister Johannes Blepp und Falk Burkhardt von der Alterric IPP GmbH für Fragen zur Verfügung.

Angesichts des Klimawandels und aktueller Herausforderungen zur Versorgungssicherheit habe es eine weitgehende Befürwortung für den Ausbau von erneuerbaren Energien gegeben, so der Schultes. Anwesende Bürger stellten jedoch den Nutzen beziehungsweise die Sinnhaftigkeit der vorgesehenen Standorte in Frage.

"Für unsere Freiheit"

Als Gründe hierfür führten sie Befürchtungen wegen Landschaftsverbrauch, Naturschutz, Lärmbelästigung und Schlagschatten an. Zwischen Kritikern und Befürwortern entstand daraufhin ein lebhafter Austausch zum Für und Wider von erneuerbaren Energien, der fast zwei Stunden gedauert hat.

"Angesichts des Ukrainekrieges betrachte ich den Ausbau von erneuerbaren Energien als einen großen und wichtigen Beitrag für unsere Freiheit. Durch erneuerbare Energien machen wir uns unabhängig von unzuverlässigen Energielieferanten aus undemokratischen Ländern", argumentierte Bürgermeister Johannes Blepp.

Am 14. Juli im Rat

Im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für den Windpark wird der Gemeinderat Bösingen voraussichtlich in der Sitzung am 14. Juli zum gemeindlichen Einvernehmen beraten und entscheiden.

Um ein umfassenderes Bild dieses Vormittags zu ermöglichen, sollen Eindrücke von sieben Kritikern erwähnt werden. Claudia und Martin Hauer, Armin Hattler, Joachim Noder, Peter Schuster, Andreas Schuhmacher und Günther Hattler stellten fest, dass sechs von 14 Gemeinderäten anwesend waren.

70 Meter lange Ersatzteile

Angekommen, gab es heftige Unmutsbekundungen, als bekannt wurde, dass eine abgeschaltete Anlage das Ziel war. Ursächlich benannt dafür wurden Sicherheitsaspekte. Der Weg führte vorbei an 70 Meter langen Ersatzrotorblättern für eine momentan zu reparierende, bis zu 230 Meter hohe, rund 4500 Tonnen schwere Windkraftanlage, die zur Besichtigung vorgesehen war.

Allein die Dimension und Mächtigkeit der Anlage rief trotz Stillstand viel Erstaunen hervor. Schade sei auch gewesen, dass ein kurzer steiler Fahrweg benutzt worden sei anstatt der eigens für die Anlagen im Wald gebauten breiten Zufahrtswege.

Von den Anwesenden gab es viele kritische Fragen zu vielfältigen Themen. Diese waren überwiegend jene, die während der Gemeinderatsitzung vom 16. Dezember angesprochen wurden: Schlagschatten, Geräuschimmissionen, Gesundheitsaspekte für Anwohner, Wertverlust der Immobilien und Auswirkungen auf den Modellsportclub sowie die Vereins- und Sportstätten Herrenzimmern.

Viele Fragen gestellt

Zudem wurde intensiv diskutiert. Und es wurden Fragen gestellt: hinsichtlich nicht vorgesehene Eintragungen von Windrädern in der Regionalplanung und im Flächennutzungsplan der Gemeinde, mangelnde Wirtschaftlichkeit der Windkraft in Baden-Württemberg ohne staatliche Förderung, Abschaltung der Anlagen während landwirtschaftlicher Bewirtschaftung von Anliegerflächen, Speicherfähigkeit von Überproduktionen (unzulässig per Gesetz laut Antwort von Burkhardt), Produktivität und Flächenverbrauch vergleichend Windkraft und Photovoltaik, ausgelöst durch die momentan geplanten Photovoltaikanlagen in den Umlandgemeinden Hausen, Lackendorf und Rottweil, Klimabeeinflussung durch große Windparks und Windräder sowie Austrocknungseffekte, Rückbauverpflichtungen und -maßnahmen, wenn die Windräder aus der Nutzung kommen, derzeitiger Stand bezüglich Recyclingmöglichkeiten, welche Baustoffe und Materialien in einem Windrad stecken und woher diese bezogen werden, Naturschutzaspekte wie Schäden durch Bau und Versorgungstrassen im Wald und in der Natur, Auswirkungen auf Waldböden, Renaturierungsmaßnahmen und deren Nachkontrolle, Artenschutzmaßnahmen am Hohenlochen, Entschädigungszahlungen der Windkraftbetreiber an betroffene Anwohner beziehungsweise an angrenzende Gemeinden, mögliche Abweichungen von der geplanten Dimension, Prüfung Alternativenergien sowie weiteres Vorgehen der Gemeinde zur Herstellung des gemeindlichen Einvernehmens.

Zum Ende der Diskussionsrunde wurde an Johannes Blepp die Frage gestellt, ob weitere Windräder folgen werden. Momentan seien ihm keine weiteren konkreten Planungen bekannt, so Blepp.

Folgen für Wald und Natur

Zum Schluss der Veranstaltung wurden Burkhardt und Blepp die aktuelle Pressemitteilung des bundesweit tätigen Verbandes Naturschutzinitiative überreicht mit der Stellungnahme von Wissenschaftlern, Juristen und Naturschützern zu den Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Wälder und Natur.

Fazit der Veranstaltung für die sieben Bürger: Die Fahrt vermittelte eine Vorstellung, was in der Region mit dem Windpark Herrenzimmern entstehen soll. Ziel der Teilnehmer war allerdings, sich neben Höhe und Umfang der geplanten Anlagen vor allem einen akustischen Eindruck zu verschaffen – das Ziel der Veranstaltung wurde somit nur zur Hälfte erreicht.

Wünschenswertes

Wünschenswert wäre es gewesen, so fahren sie fort, eine frühzeitige und transparentere Bürgerbeteiligung und vor allem einen differenzierten Austausch zu dieser Thematik einschließlich einer Infofahrt vor einer Abstimmung durch den Gemeinderat zu ermöglichen. Auch angesichts der Komplexität des Themas wäre die Präsenz von deutlich mehr Gemeinderäten schön gewesen.