Kommt Windkraftwerken häufig in die Quere: Rotmilan auf Beutesuche. Foto: Hansueli Krapf

Der Ausbau der Windkraft hakt. Vor allem der Vogelschutz bremst bau- willige Gemeinden aus, denn die wissen nicht, wo geschützte Arten wie der Milan brüten. Die versprochene Kartierung lässt weiter auf sich warten.

Horb - Baden-Württembergs Städte vermissen beim Bau neuer Windkraftwerke die Unterstützung des Landes. Vor allem für die schwierige Abwägung zwischen Klima- und Artenschutz fehlten wichtige Unterlagen, beklagt jetzt der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Stefan Gläser, in einem Brief an Infrastrukturminister Winfried Hermann (Grüne).

„Ein Aspekt dabei ist vor allem, dass das schon seit langem angekündigte Artenschutzkataster der LUBW noch nicht vorliegt“, heißt es darin. Solange solche Kartierungen von geschützten Tierarten fehlten, sei es den Städten „kaum möglich, die Energiewende zu unterstützen“.

Hintergrund der Klage ist die jüngste Ablehnung eines geplanten Windparks bei Horb durch das Regierungspräsidium Karlsruhe. Die Behörde hatte den Antrag der Stadt vor allem deshalb zurückgewiesen, weil Gutachter am fraglichen Standort das Leben von Rotmilanen in Gefahr sehen. Diese europaweit geschützte Greifvogelart wird Fachleuten zufolge aufgrund ihres Jagdverhaltens überdurchschnittlich häufig Opfer von Rotorblättern.

Während Naturschützer das Karlsruher Nein begrüßen, da am Horber Standort nachweislich viele Rotmilane jagten, beklagt die Stadt, dass die Behörden etwaige Hemmnisse für eine Genehmigung nicht früher signalisiert hätten. „Es wäre aus unserer Sicht auch für andere Kommunen, die noch mit der Aufstellung von Flächennutzungsplänen befasst sind, unbedingt erforderlich, die neuen, aber unveröffentlichten Erkenntnisse der LUBW zu erfahren“, schreibt OB Peter Rosenberger an Minister Hermann.

Hohe Gutachterkosten

Die Hoffnung der Städte, dadurch eine schnelle ökologische Bewertung eines Standorts zu erhalten, ist durchaus begründet: „Ein Kataster erleichtert ihnen die Arbeit, denn man kann sehen, wo wenige oder besonders viele Milane vorkommen“, sagt Jörg Rathgeber von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW).

Auch bei den formalen Genehmigungsverfahren von Flächen oder Windkraftanlagen wären die LUBW-Daten hilfreich: „Wenn wir die Milan-Kartierung haben, könnten die Gemeinden unsere Daten verwenden und müssten sie nicht selbst erheben“, sagt Rathgeber. Das spare ihnen auch Geld. Gläser spricht in seinem Brief von „Gutachterkosten im sechsstelligen Bereich“ für artenschutzrechtliche Expertisen, die selbst für kleinere Städte anfielen.

Doch rechtsverbindlich sind solche Daten keineswegs, wie Umweltminister Franz Untersteller den Kommunen bereits mitteilte. Um das aufwendige artenschutzrechtliche Verfahren kommen sie also nicht herum. Der Milan ist außerdem nicht die einzige Art, die einer Windkraftnutzung entgegensteht. Auch diverse Fledermausarten sind empfindlich gegen Rotorblätter, und auch für sie fehlt noch eine flächendeckende Kartierung.

Zu wenige Bewerber

Vor Jahresende ist mit einem Milan-Kataster ohnehin nicht zu rechnen. Bis Mitte September sollen die Rohdaten vorliegen. Als Grund für die Verzögerung verweist man im Umweltministerium auf das Fehlen jeglicher Vorarbeiten zu diesem Thema. Eine solche Kartierung benötige Zeit. Der Versuch, sie von ehrenamtlichen Kräften machen zu lassen, sei fehlgeschlagen, heißt es bei der LUBW. So habe der Auftrag europaweit ausgeschrieben werden müssen. Ergebnis: Es fanden sich nicht genügend Bewerber. So wird am Ende keine flächendeckende Kartierung herauskommen, sondern lediglich eine für die windreichen Gebiete.

Zunehmend schwieriger wird es nach Erkenntnis der Städtevertreter, bei den Bürgern Verständnis für Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten zu finden. „Aus diesem Grund ist die Empfehlung des Landes, man möge diese Gebiete zonieren oder gar aufheben, im Regelfall kommunalpolitisch nicht durchsetzbar“, schreibt Gläser an Minister Hermann und verweist auf die Beispiele Albstadt und Malsch.

Der Konflikt in Geislingen zeige außerdem, dass auch die Belange der zivilen und militärischen Luftfahrt den gewünschten Ausbau der Windkraft oft verhinderten. Insbesondere das Militär lasse es an Transparenz fehlen, wo Anlagen möglich seien und wo nicht.

Fast 3500 Megawatt geplante Projekte „in der Warteschleife“

Auch der Bundesverband Windenergie beklagte dieser Tage, Flugsicherung und Radar behinderten den Ausbau der Windenergie massiv. Deutschlandweit steckten fast 3500 Megawatt geplanter Projekte „in der Warteschleife“, weil die zivilen oder militärischen Luftfahrtbehörden Widerspruch eingelegt hätten.

Nabu-Chef Andre Baumann kann die Klage nur bedingt verstehen. Bürgermeister ließen sich zu oft von der Aussicht auf schnelle wirtschaftliche Vorteile blenden, sparten sich aber die sorgfältige Suche nach den besten Standorten, so sein Vorwurf. „Vor lauter Dollar-Zeichen in den Augen übersieht so mancher Bürgermeister, dass es für eine naturverträgliche Energiewende bessere Standorte gibt als den Gemeindewald, in dem der Milan brütet.“

Der Nabu, das betont Baumann ein ums andere Mal, sei keinesfalls gegen Windkraftnutzung. In Horb handle es sich um eine Einzelfallentscheidung: Schon wenige Kilometer weiter könne die Situation schon wieder völlig anders sein. Wie genau, das wüssten die Gemeinden allerdings gern.