Wilde Künstler am Marktplatzbrunnen: Tuomo Vuoteenoma, Josef Nadj und Pasi Mäkelä starten mit Fackeln die Performance "Stone Hinge" Foto: Maria Hopp

Wikinger, Space-Hexen, Blut-Kunst, Phallus-Ab-Show und Lecker-Snack-Skulpturen. Zwei Tage lang haben die Tandems aus finnischen und deutschen Künstlern (FINDE) für intensive Kunst-Momente gesorgt.

Horb - Die Dämmerung ist hereingebrochen. Scherben liegen überall auf der Erde, Tomasz Szamara drückt seinen Kopf gegen den grauen Beton an der Stiftskirche. Die Mauer, der Kopf – rot. Sieht aus, als ob er sich blutig quält. Doch es sind nur tiefgefrorene Beeren, die der finnische Künstler in den Beton mit der Stirn drücken will.

Rund um den Marktplatzbrunnen haben sich derweil düstere "Gestalten" mit Fackeln in der Hand versammelt. Josef Nadj leuchtet seinem Tandems-Partner Tuomo Vuoteenoma. Der wird plötzlich zum Wikinger. Stürzt sich – nur mit Lederschurz bekleidet – in die Fluten des Marktplatzbrunnens. Taucht auf, das Wasser läuft ihm den Vollbart runter – hätte er ein Kampfmesser unter den blitzenden Augen statt der Melodica in der Hand – dann könne man mit Fug und Recht "Wikinger-Attacke aus dem Marktbrunnen" schreiben.

Kaum ist das vorbei, empfängt den Zuschauern in der untersten Etage des Bürgerkulturhauses mystische Hexen-Musik. Helena Hartmann, Stephanie Müller und Klaus E. Dietl rühren den Hexenkessel – alle drei wie Space-Hexen gekleidet. Grell-Pink, gelb, grün – Helena sprießen zwei Fühler aus der silbernen Maske. Der magische Singsang: "Oh Christina, glaub an die Gerechtigkeit. Du wirst Dich von der Justiz nicht zum Schweigen bringen lassen."

Der stimmungsvolle zweite Teil der Performance der drei. Sie hatten schon auf dem Marktplatz verzaubert: Helena spielt dort, wo viele den Folterkeller von Christina Rauscher vermuten, die Hexe. Reckt erst die schmutzverschmierte Hand aus dem Gully, greift in die Pflastersteine. Ruft: "Ich habe nicht gestanden, dass ich eine Hexe bin."

Klaus packt inzwischen den Schoko-Scheiterhaufen aus, läutet die Glöckchen. Sagt: "Dinner for one" und fängt an, das Teil genüsslich zu verspeisen. Helena ist inzwischen raus aus dem Untergrund, liegt auf dem Asphalt und ruft in die Tiefe: "Du kannst aus diesem Gefängnis nicht entkommen." Die Inszenierung, der Gesang, die Stimmen – sie verkörpern wohl perfekt den Mix aus Hoffnung und Verzweiflung, den Christina Rauscher im 17. Jahrhundert in Horb durchgemacht hat.

Danach hatten "komische Vögel" das Neckarufer bespielt. Erst denkt man, es kommt Tarzan. Die Zweige bewegen sich, Geschrei – bis Pasi Mäkela als Vogel auf den Kies rollt. Dazu gesellt sich Monika Golla. Erst das übliche Spiel: Der Mann-Vogel plustert sich auf. Gebiert dann eine Riesen-Pyramide, die er mit deftigen Jon-Lord-Sounds von der Orgel feiert. Währenddessen macht sich die Pyramide selbstständig, auch das Halteseil wird überfahren – und erst unter dem vereinten Einsatz von Kalle Turakka, Justyna Koeke und Walerija Peter kann das Teil unter dem Flößersteg gehalten werden. Agnes Maier fixiert den Karabinerhaken im Gitter, was die Steine hält.

Da drehen sich die Augen wieder nach rechts: Päsi hat sich ins Wasser gestürzt. Treibt mit schrillen Schreien durch den Neckar, bis er kurz vor der Pyramide an Land geht. Mit irrem Blick bewirft er sich mit Erde, wirkt wie ein Brunnengeist.

Die Pfadfinder aus Biberach freuen sich über die Bananen und Karotten, die Justyna Koeke und Kalle in die Büsche auf der Inselspitze gesteckt hatten. Die Jungs pflücken die Früchte aus den Büschen, genießen sie. Justina lacht: "Das ist unsere Kunst, die ihr da gegessen habt." Die Pfadfinder schauen schuldbewusst: "Das sieht so schön aus." Ein anderer: "Das ist so lecker." Justyna: "Das können wir verstehen. Genial."

Am Sonntag ist Rottenburgs OB Stephan Neher da und schaut sich die Exponate an. Aber nur draußen. Ist vielleicht auch besser so. Denn im Kloster fährt Maire Karuvuori ihre "Phallus-ab-Show" ab. Erst geht die Performance "I steer, you pedal" harmlos los: Mit Künstlerinterviews vom "FinDe". Dann geht es in den gewaltsamen und schwerhaften Teil der Performance über: Maire schält eine Banane, beißt eine "Eichel" herein und jagt Nadel um Nadel in den Phallus. Voodoo! Dann die High Heels. Bockwurst auf die Erde, rein mit den spitzen Absätzen. Und zum Schluss wird der Phallus noch mit den Schlittschuh-Kufen zerkleinert! Nichts für schwache Nerven und prüde Geister. Und wer sich davon nicht hat schocken lassen, für den gibts noch Liebesbriefe von Maire: Lippenstift-Kuss auf das gelbe Post-It, in ein aufgeblasenes Kondom rein. Und das per Federballschläger ins Publikum gefeuert!

Ein bunter Mix. Intensiv. Wild. Lebensfroh. Schockierend. Da capo, "FinDe"!

Übrigens: Das SWR-Fernsehen war auch am Wochenende dabei. Geplant ist laut SWR-Team, dass der Beitrag am Montag in der Abendschau zu sehen ist.