Das Archäologenteam zog mit Unterstützung eines Baggerfahrers vom Schotterwerk Mast zwei Grabungsschnitte. Foto: Schwarzwälder Bote

Archäologie: Mittelalterliche Funde im Sulzer Gewann "Zimmler" wurden offenbar mit Bauabraum von außerhalb "eingeschleppt"

Seit Jahren häuften sich in Sulz am Eck Hinweise auf eine mittelalterliche Siedlung. Als Anfang März ein Expertenteam der Sache endlich auf den Grund gehen wollte, machte sich indes schnell Ernüchterung breit – die Funde sind offenbar mit Bauabraum aus dem Kreis Böblingen "eingeschleppt" worden.

Wildberg-Sulz (tr). Außerhalb von Sulz am Eck, dort, wo gegenwärtig die Erweiterung des Steinbruchs voranschreitet, kam es für ein archäologisches Projekt zur Stunde der Wahrheit: Ein Bagger vom Schotterwerk Mast, ein Team des Landesamts für Denkmalpflege und der Sulzer Timo Roller als Initiator nahmen einen schmalen Ackerstreifen außerhalb des Zauns um das Steinbruchgelände unter die Lupe. Massenweise mittelalterliche Scherben und weitere vielversprechende Stücke waren dort in den vergangenen Jahren gefunden worden. Nun endlich wollte man einer möglicherweise 1000 Jahre alten Siedlung auf die Pelle rücken.

Es begann vor fünf Jahren, Mitte 2015, als die Betreiberfirma des Steinbruchs am Rande der Sulzer Gemarkung, die Klöpfer GmbH, ihre Pläne zur Erweiterung des Muschelkalkabbaus vorstellte. Roller erinnerte sich, von Hinweisen römischer Besiedlungen in diesem Gebiet gelesen zu haben, beispielsweise in der "Beschreibung des Oberamts Nagold" von 1862: "Auch östlich von Sulz auf den nahe bei einander liegenden Fluren ›Weiler und Kalkofen‹, an denen die Römerstraße vorüber führt, scheint irgend ein römischer Wohnplatz bestanden zu haben."

Denkmalamt entsendet "Sondengänger"

Roller hatte schon einige Zeit zuvor alte, unglasierte Keramikstücke auf einem der Äcker in diesem Bereich gefunden. Also machte er sich auf die Suche nach Auffälligkeiten auf den infrage kommenden Flächen. Als am vielversprechendsten erwies sich das Flurstück "Zimmler", direkt an der Gemarkungsgrenze zu Kuppingen. Dort kamen tatsächlich zahlreiche Scherbenreste mittelalterlicher Keramik aus dem Ackerboden zum Vorschein, immer wieder nach dem Umpflügen, auch größere Stücke. Bald identifizierten Fachleute diese Funde als "Gelbtonige Drehscheibenware", und die Fläche geriet ins Visier weiterer Untersuchungen.

Von Anfang an stand allerdings die Frage im Raum, ob dort nicht fremde Erde auf den ursprünglichen Boden aufgebracht wurde. In den vergangenen Jahren hat sich dies fast zum alternativen Geschäftsmodell unter Landwirten entwickelt, da die Entsorgung von Erde aus größeren Baustellen ziemlich teuer werden kann.

Doch gerade am Fundort sprachen einige Argumente gegen den Ursprung von anderswo: Der schmale Streifen wurde von einem Nebenerwerbslandwirt separat bewirtschaftet, und in den vergangenen Jahren wurden hauptsächlich auf den benachbarten Stücken mächtige Erdschichten aufgebracht. Auch geologische Dokumente ließen die vorgefundene Einfärbung in diesem Teilstück möglich erscheinen. Rollers Verdacht war also, dass genau dieser Streifen eine Lücke darstellte und sozusagen ein Fenster in die originale Bodenstruktur war – mit ihren vermeintlichen Überresten einer tausend Jahre alten Siedlung.

Mit einem Geologen erstellte Roller 2016 drei Schnitte in den Boden und fand unter dem Pflughorizont immer noch ein einzelnes Keramikstück. Nun war die Sache so vielversprechend, dass das Landesamt für Denkmalpflege zertifizierte "Sondengänger" schickte (ohne Beauftragung sind Untersuchungen mit Metallsonden verboten), um die Keramik- und Knochenfunde um weitere Funde zu ergänzen. Tatsächlich kamen einige wenige Metallstücke zutage, die ebenfalls in mittelalterliche Zeit deuteten, darunter Knöpfe und sogar eine filigrane Tierabbildung.

Schotterwerk Mast stellt Bagger zur Verfügung

Inzwischen war also das Fundbild so klar, dass man im Untergrund nach weiteren Bestätigungen für Siedlungsstrukturen suchen musste, die sich im Boden abzeichnen würden, zum Beispiel nach so genannten Grubenhäusern. Zwar fand man inzwischen heraus, dass vor längerer Zeit Erde auf das Feld aufgetragen wurde, sogar ein Herkunftsort wurde lokalisiert – trotzdem sprachen noch gewichtige Argumente für den originalen Ursprung auf dem "Zimmler": Die schriftlichen Quellen und Flurnamen, die geologische Untersuchung sowie auch die Größe der Scherben, die nach Jahren oder Jahrzehnten des Umpflügens eigentlich nicht zu erwarten wäre.

Folke Damminger vom Landesamt für Denkmalpflege beraumte schließlich eine Prospektionsgrabung für die Woche ab dem 2. März an. Die Grabungstechnikerin Marianne Lehmann mit ihrem Team rückte an, durch die hilfreiche Kooperation konnte direkt ein Bagger mit Fahrer vom Schotterwerk Mast zum Einsatz kommen. Geschäftsführer Harald Mast überzeugte sich zwischendurch selbst von den Fortschritten der Aktion.

Schnell war klar, dass die Grabung nicht mehrere Tage dauern würde, sondern nur einen Vormittag: Unter der Humusschicht wurden keine Siedlungsspuren gefunden, die reichhaltigen Funde waren tatsächlich nur in den oberen Schichten enthalten. Die Funde waren von woanders nach Sulz gebracht worden, die "Zimmlersiedlung" stellte sich als Phantom heraus.

Trotz der enttäuschenden Ausgrabung in Sulz bleiben für Timo Roller zwei wichtige Erkenntnisse. Irgendwo – wahrscheinlich im Böblinger Raum – wurde bei Bauarbeiten eine hochmittelalterliche Siedlung zerstört, und ihre Überreste sind achtlos entsorgt worden. Archäologe Damminger will die Unterlagen dazu noch genauer untersuchen, um herauszufinden, ob eventuell noch Überreste zurückgeblieben sind und doch noch am Ursprungsort eine Siedlung lokalisiert werden kann.

Timo Roller betrachtet es als "merkwürdigen Zufall" dass Erde mit Mittelalterkeramik in dieser hohen Konzentration ausgerechnet auf eine Fläche aufgetragen wurde, in deren unmittelbaren Umgebung Flurnamen und alte Überlieferungen Siedlungsspuren vermuten ließen. Das kleine Sulzer Fabeltier und die vielen Keramikscherben haben ihre ursprüngliche Heimat woanders, die Siedlung am Rande von Sulz gab es nicht, und die Erweiterung des Steinbruchs kann voranschreiten mit der Sicherheit, dass nicht etwas zerstört wird, was dort hätte gewesen sein können.

Und für Roller war es ein kleines archäologisches Abenteuer direkt vor der Haustür.

Wildberg-Sulz. Die "Phantomsiedlung" am Sulzer Steinbruch soll auch am Tag des offenen Denkmals, Sonntag, 13. September, eine Rolle spielen. Die Stadt Wildberg, der Schwarzwaldverein, die Kirchengemeinde und der CVJM Sulz am Eck sowie Timo Rollers MORIJA gGmbH haben sich ein besonderes Angebot ausgedacht: In kleinen, individuellen Wandergruppen können Interessierte verschiedene Stationen besuchen, an denen interessante geschichtliche Informationen auf sie warten. Alternativ kann man einzelne oder auch alle Stationen "virtuell" besuchen, sogar exklusive Stationen, die nur digital angeboten werden: Die Baustelle Michaelskirche samt Glockenturm.

Stationen sind die "Phantomsiedlung" beim Steinbruch von 14 bis 15.30 Uhr, mit Timo Roller; die Grenzsteine und Grubstock am Friedhof von 14.30 bis 16 Uhr, mit Rolf Dittus; der Kirchgarten mit Blick in die Michaelskirche von 14.30 bis 16 Uhr, mit Heide Dittus und Albert Röhm; das Café am Bach am Denkmaltag im Gemeinschaftshaus von 15 bis 18 Uhr, mit Christina Roller, Stefan Buchali und Team. Zusätzliche virtuelle Stationen im Gemeinschaftshaus und auf Youtube: Baustelle, Chorsakristei und Beinhaus, Turm und Glocken.

Wandern kann man durchs Feuchtental bis zur Steinbrucherweiterung, hoch zum neuen Radweg, am Waldrand entlang bis zum Flurstück Zimmler (gegebenenfalls mit Abstecher zum Aussichtspunkt oberhalb des Steinbruchs), dann über den Radweg, am Wasserhäusle vorbei, Richtung Braunjörgen, hinunter zu Friedhof, Kirche, Gemeinschaftshaus; oder durch den Ort zu Friedhof, Kirche, Gemeinschaftshaus (in beliebiger Reihenfolge).

Weitere Informationen: www.wildberg.de www.morija.de