50 Stunden gemeinnütziger Arbeit muss der 19-Jährige ableisten. Foto: dpa (Symbolbild)

Richter rät 19-jährigem Angeklagten zu Aufenthalt in Fachklinik . Rund 10.000 Euro Schulden.  

Wildberg/Nagold - Wer kauft schon im Internet 128 Paar Schuhe, schließt in kurzer Zeit fünf Handyverträge ab und fährt mit der Deutschen Bahn 24 Mal ohne gültigen Fahrschein durch die Gegend? Ein 19-Jähriger aus Wildberg hat es getan. Bei der Verhandlung vor dem Nagolder Amtsgericht stellte sich heraus, dass er psychisch angeschlagen ist. Als Strafe für das Schwarzfahren verurteilte ihn das Nagolder Amtsgericht zu 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit in einer sozialen Einrichtung.

Stuttgart –Lindau, Freiburg – Basel, Mosbach – Neckarelz, Ulm – Stuttgart: Zwischen dem 25. Januar und dem 17. Februar 2012 war der Wildberger ständig mit der Bahn unterwegs, 24 Mal wurde er kontrolliert, konnte kein einziges Mal einen gültigen Fahrschein vorweisen und wurde angezeigt.

Bei der Befragung durch Richter Martin Link kam heraus, dass der 19-Jährige manisch-depressiv ist – mit extremen Stimmungsschwankungen zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Diese Störungen führten dazu, dass er von Zuhause ausriss, in einer Reutlinger Wohngruppe nach einem Jahr abgehauen ist und nach Konflikten mit Betreuern ebenfalls nach einem Jahr aus einer Göppinger Erziehungseinrichtung. Seit Mitte Februar lebt er in der Wohnung des Großvaters. Wiederholt hat der Angeklagte die Schule geschwänzt und keine Berufsausbildung begonnen. Ein Förderprogramm der Arbeitsagentur brach er nach kurzer Zeit ab.

Barbara Schittenhelm von der Jugendgerichtshilfe Calw hat bei dem 19-Jährigen "deutliche Entwicklungsdefizite" ausgemacht. Deshalb sollte er trotz Volljährigkeit nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden und wegen seiner gesundheitlichen Probleme unbedingt einen Facharzt konsultieren. "Am besten wäre ein stationärer Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik in Hirsau", schlug Richter Link vor. "Zwingen kann ich ihn nicht, er ist volljährig", schaltete sich der im Zuhörerraum sitzende Vater ein. Sein Sohn nickte zustimmend. Ebenso einverstanden war er mit dem Vorschlag, einen Schuldenberater aufzusuchen. Durch die Bestellungen im Internet, Handyverträge und Anzeigen der Bahn haben sich Verbindlichkeiten in Höhe von rund 10 000 Euro angehäuft.

Weil der Jugendliche trotz seiner Krankheit die Hauptschule mit einem Notendurchschnitt von 1,7 beendete und anschließend den Realschulabschluss geschafft hat, sieht das Gericht positive Ansätze für eine geordnete Berufslaufbahn. Nach dem Klinikaufenthalt sollte der Wildberger deswegen mit einem Berater der Arbeitsagentur Kontakt aufnehmen, hält der Vorsitzende Richter für sinnvoll.

Staatsanwalt Tobias Freudenberg würdigte in seinem Plädoyer die Umstände der Leistungserschleichung durch das Schwarzfahren, sprach sich für eine Verwarnung und 50 Stunden gemeinnütziger Arbeit aus. Martin Link folgte in seinem Urteil dem Antrag. Außerdem muss der 19-Jährige mit einem Betreuer Verbindung aufnehmen, der ihn bei der Lebensführung unterstützt. Wegen seiner Manie riet er dem Wildberger außerdem zu einem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Fachklinik.