Die Schilderungen der 91-jährigen Ruth Michel hinterließen tiefen Eindruck bei ihren jugendlichen Zuhörern. Foto: BZW Foto: Schwarzwälder Bote

Zeitzeugin: Holocaust-Überlebende Ruth Michel berichtet im Geschichtsunterricht am Bildungszentrum

75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz hatte das Bildungszentrum Wildberg eine besondere Zeitzeugin zu Gast: In Kooperation mit dem Projekt "Papierblatt" aus Wildberg konnte die 91-jährige Ruth Michel für den Geschichtsunterricht gewonnen werden.

Wildberg. Als Ruth Michel 1928 in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, als Ruth Rosenstock das Licht der Welt erblickte, ahnte niemand, wie grausam ihre ersten Lebensjahre verlaufen würden. Die authentischen Einblicke in das Leben Ruth Michels verfehlten ihre Wirkung auf die anwesenden Jugendlichen nicht.

Beeindruckt und schockiert zeigten sich die Jugendlichen, als sie von Ruth Michel hautnah in ihr Leben während des Naziregimes mitgenommen wurden. Wegen der "Nürnberger Rassengesetze" musste Michel 1935 mit ihrer Familie fliehen. In Mykulytschyn, einem Ort in der heutigen Ukraine, fand die Familie Zuflucht bei der Verwandtschaft. Als "Flüchtlingskind" hatte Michels bereits in dieser Zeit mit Ausgrenzungen und Hänseleien zu kämpfen. Doch als die Wehrmacht 1941 Russland angriff, wurde das Leben zu einem wahren Überlebenskampf. Ihr Vater, ein Jude, der mit einer evangelischen Christin verheiratet war, entschied sich, die Familie zu verlassen, um sie nicht zu gefährden. Noch im selben Jahr musste Michels dann mit eigenen Augen sehen, wie Juden abgeführt und mit Lastwagen abtransportiert wurden. Eines der Opfer war auch Michels Vater.

Diese und weitere leidvollen Erfahrungen brachten die Schüler zum Nachdenken und führten zu einer ganz einzigartigen und andächtig anmutenden Stille während Michels Ausführungen. "Nur aus den Geschichtsbüchern kann man nicht so viel mitnehmen wie bei einer Person, die das alles selbst miterlebt hat." Diese Aussage einer Schülerin war exemplarisch für den Eindruck, den Michels während ihres Aufenthaltes am Bildungszentrum hinterließ. Mit der reflektierten Aussage eines Schülers, dass die Erlebnisse Michels auf andere, aktuelle gesellschaftliche Probleme im sozialen Miteinander übertragen werden könnten, wurde deutlich, welch tiefen Eindruck Ruth Michels Geschichtsunterricht aus erster Hand bei den Jugendlichen hinterließ.

Den Kontakt zwischen Schule und Zeitzeugin knüpfte das Wildberger Projekt "Papierblatt", das es sich zum Ziel gesetzt hat, Zeitzeugen und deren Erinnerungen online zu Wort kommen zu lassen. Dieses Projekt versteht sich unter anderem als "digitale Plattform für Unterricht und Forschung" und leistet somit einenn Beitrag dafür, dass die Grausamkeit dessen, was in den Jahren 1933 bis 1945 in Deutschland passierte, nicht in Vergessenheit gerät.

Weitere Informationen: www.papierblatt.de