Natalie Hellerich und Schulhund MaddoxArchiv-Foto: Geisel Foto: Schwarzwälder Bote

Schulsozialarbeit: Intensität und Komplexität der Fälle ist gestiegen / Natalie Hellerich berichtet über Alltag

Der Bedarf an Einzelfallhilfe ist groß: Die Schulsozialarbeit hat sich unter Corona verändert, der Fokus verschoben. Eltern und Schüler sind stark belastet. Schulsozialarbeiterin Natalie Hellerich berichtet von ihrem Alltag am Bildungszentrum.

Wildberg. Häufig wechselnde Systeme, kaum Präsenz: Corona macht es auch der Schulsozialarbeit nicht leicht, mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten und ihnen bei Problemen zu helfen. Die Möglichkeiten richten sich weitestgehend nach dem, was derzeit an den Schulen generell erlaubt ist. Die Kinder waren in den vergangenen Monaten nämlich kaum vor Ort, schon gar nicht alle gemeinsam. Die Arbeit in den Klassen oder gar mit externen Fachleuten liegt da auf Eis.

Dafür ist der Bedarf an Einzelfallhilfe spürbar groß, so Hellerich. Intensität und Komplexität der Fälle seien gestiegen. Kleineres wie Streit mit den Klassenkameraden falle situationsbedingt nicht an, dafür stelle sich nun schon häufiger die Frage, ob bei Einzelfällen nicht doch psychologische Beratung sinnvoll wäre. Die Probleme seien nämlich eher persönlicher Natur. Depressionen, Ängste und Sorgen plagen die Schüler und auch die Zahl der Elternberatungen hat zugenommen. Die Situation ist einfach für alle Seiten sehr belastend und bringt viele an ihre Grenzen.

"Die Isolation schadet ganz vielen Kindern, die sowieso schon dazu tendieren, sich zurückzuziehen oder depressive Tendenzen haben", weiß die Schulsozialarbeiterin. "Sie versumpfen jetzt richtig." Situationen, die zuvor schon nicht ganz optimal waren, verschlimmern sich durch die Lage. Sei es aus sozialer Sicht, finanzielle Benachteiligung oder Unstimmigkeiten innerhalb der Familie. Sich online zu treffen, funktioniere schon, einige Jugendliche würden das auch ausgiebig nutzen. Doch die Quintessenz bleibt: Das Miteinander ist ein anderes, es ist auf Dauer kein Ersatz.

Für Sport alleine zuhause fehle vielen die Motivation von außen, ebenso beim Lernen. "Viele Eltern machen einen tollen Job", betont Hellerich, "können das aber trotzdem nicht auffangen." Sie hat großen Respekt vor jenen, die mit ihren Kindern den Lernstoff durchgehen, der ihnen selbst zwischenzeitlich fremd geworden sein dürfte.

Hellerich trifft sich mit einigen Schülern zu Spaziergängen, oft an deren Wohnort. Manche würden ganz stolz ihre Heimat und ihre persönlichen Dinge zeigen. "Das ist total schön und tut der Beziehung richtig gut", freut sich Hellerich und nennt das liebevoll "mobile Schulsozialarbeit". Bei Bedarf könnten Elterngespräche direkt angeschlossen werden. Darüber hinaus ist sie am Bildungszentrum vor Ort und bietet persönliche, digitale sowie telefonische Beratungen an – für Schüler und Eltern. In der Digitalen AG können sich Schüler im Chat zusammenfinden, um gemeinsam – jeder ein Wort nach dem anderen – eine Geschichte zu erfinden.

Für Natalie Hellerich ist in diesen schweren Zeiten wichtig, sich auf Positives zu konzentrieren. Was stärkt mein Kind? Was macht mein Kind gerne? Was tut uns als Familie gut? Daran solle man sich orientieren. Und natürlich miteinander sprechen, sich aber auch mal Freiräume und eine Pause gönnen. Zudem sei es wichtig, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es falle zwar schwer, sei aber vollkommen verständlich. Vielen gehe es im Moment ähnlich, was sie aber erst bemerkten, wenn sie mit jemandem darüber reden. Manchmal müsse man auch einfach Dampf ablassen. Natalie Hellerich hat hier für Schüler und Eltern immer ein offenes Ohr und kann bei Bedarf auch weitergehende Hilfe vermitteln.

Hellerich hat die Lockdown-Zeit genutzt: Im ersten Lockdown hat sie zwei Konzepte entwickelt, eines für depressive Kinder, eines für aggressive. Beide darf sie beim bundesweiten Kinder- und Jugendhilfetag in einem Impulsvortrag vorstellen. Außerdem möchte sie beides auch in ihrer Arbeit am BZW weiter vertiefen. Im vergangenen Herbst hat sie neben ihrer Teilzeittätigkeit am BZW mit der Approbationsausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin begonnen. Im Januar startete sie zudem mit ihrer Promotion und forscht zur Rolle von Fachkräften bei der Inklusion depressiver Kindern und Jugendlichen an Regelschulen.