Heimleiter Ulrich Lutz beleuchtete die "faszinierende Heimgeschichte" des "Haus der Barmherzigkeit". Foto: Schwarzwälder-Bote

Das Wildberger Pflegeheim am Spießtor ist das älteste Altenheim Württembergs

Von Uwe Priestersbach

 

Wildberg. Das Wildberger Pflegeheim am Spießtor ist das älteste Altenheim Württembergs: In diesem Jahr wird das 150-jährige Bestehen der Stiftung "Altenheime Backnang und Wildberg" gefeiert. Quasi als Auftakt zum Jubiläum wurde jetzt die Ausstellung "Mitmenschen - Geschichte der Diakonie in Württemberg" eröffnet.

Wie Heimleiter Ulrich Lutz bei dieser Gelegenheit in Erinnerung rief, waren Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen drei und fünf Prozent der Bevölkerung als Dienstboten tätig. Wurden sie durch Alter oder Erkrankung arbeitsunfähig, waren sie oft der Verelendung preisgegeben.

Der Ludwigsburger Theologe Phillipp Paulus erkannte das Problem und gründete einen Hilfsverein, der Betroffenen Unterstützung gewährte. Doch reichte dieser erste ambulante Ansatz nicht aus, so Ulrich Lutz. Ein Haus musste her, und der "Herbstverein" wurde in Wildberg fündig, wo die Stadt ein Haus beim Spießtor für die stolze Summe von 3 000 Gülden zum Verkauf anbot. Zwar konnten in der Schäferlaufstadt Unterstützer gefunden werden, doch noch fehlte das nötige Geld. Erst als die sozial sehr engagierte württembergische Königin Olga das Gebäude aus ihrem Privatvermögen erwarb, um dort ein Heim für arme, alte und gebrechliche Menschen einzurichten, war der Weg frei für das "Haus der Barmherzigkeit". 1864 wurde dem Verein von König Karl "das Recht einer juristischen Person gnädigst verliehen" - und Königin Olga übernahm die Schirmherrschaft. "Man hoffte, dass die Wildberger Einrichtung ein Modell für weitere Pflegehäuser an anderen Orten wird", erklärte Ulrich Lutz mit Blick auf die "faszinierende Heimgeschichte".

Bemerkenswert fand es Ulrich Lutz, dass im Wildberger Heim in 150 Jahren lediglich sieben Heimleitungen wirkten, was er als Beleg dafür wertete, dass sie die Altenhilfe als ihre Berufung sahen. Vor allem in den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs war es indes nicht nur in Wildberg schwierig, entsprechendes Personal zu finden. Und so zeigte sich der Heimleiter überzeugt, dass die Altenhilfe in Deutschland ohne die Migranten aus dem ehemaligen Ostblock möglicherweise zusammengebrochen wäre.

So erinnerte Ulrich Lutz daran, dass es 1935 acht Mitarbeiter waren, die 65 "Insassen" betreuten – heute sind es 140 Mitarbeiter für 113 Bewohner.

Vor diesem Hintergrund sei die erzielbare Wirtschaftskraft trotz hoher Pflegegeld-Erlöse und sparsamem Wirtschaften zu schwach für eine Weiterentwicklung und Erneuerung. Deshalb war und ist man immer schon "auf freiwillig gegebene Mittel und freiwillig gegebene Zeit angewiesen", machte der Heimleiter deutlich.

Inga Bing van Haefen vom Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart führte anschließend in die Ausstellung "Mitmenschen – Geschichte der Diakonie in Württemberg" ein, die bewusst als Wanderausstellung konzipiert wurde. Wie sie dabei ausführte, begann im 19. Jahrhundert der "diakonische Aufbruch", um sich in Zeiten wachsender Massenarmut den hilfsbedürftigen Menschen anzunehmen. Die Ausstellung erlaube dabei einen Blick hinter die Kulissen dieser Entwicklung – und weil dieser Aufbruch eng mit der Geschichte des Wildberger Altenheims zusammenhängt, beleuchten vier Tafeln der Ausstellung auch dessen Historie.

Musikalisch wurde die Ausstellungseröffnung vom Kammermusik-Ensemble aus Pforzheim umrahmt, anschließend konnten sich Bewohner sowie Gäste ein anschauliches Bild von der württembergischen Diakonie-Geschichte machen. Die Ausstellung im Gemeinschaftsraum des Pflegeheims kann noch bis zum 28. September täglich in Augenschein genommen werden.